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doppel:punkt 2013:02 Fachzeitschrift für Bibliotheken in der ...

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k<strong>in</strong><strong>der</strong> und jugend : literatur9verstandenen endlich e<strong>in</strong>mal annehmen und dasKorsett <strong>der</strong> Märchenkonvention deutlich lockern -o<strong>der</strong> überhaupt gleich verbrennen. Aufstand heißtes <strong>in</strong> <strong>der</strong> letzten <strong>der</strong> 20 Geschichten, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Märchenfigurenaus dem Märchenbuch klettern und vomErzähler mit e<strong>in</strong>em wohlwollenden Adieu verabschie-det werden. Ke<strong>in</strong> Wun<strong>der</strong>, schließlich müssen sie sicham an<strong>der</strong>en Ende dieses opulenten Buches (also zuBeg<strong>in</strong>n) von e<strong>in</strong>em frechen Lump viel gefallen lassen:Der hänselt e<strong>in</strong>fach die Gretel, klatscht den Pr<strong>in</strong>zen andie Wand und stiehlt den Brü<strong>der</strong>n Grimm (Metafik-tion lässt grüßen) den Stift.Versteht man das Volksmärchen als Schablone,dann wird hier ordentlich über den Rand gefahren:Der Wolf und se<strong>in</strong>e 7 Greisle<strong>in</strong> werden ebenso zumKanon gezählt wie <strong>der</strong> Suppenkaspar o<strong>der</strong> K<strong>in</strong>g Elvishimself. Ste<strong>in</strong>kellner und Roher streuen zwar ganz traditionelleMärchenmomente, spielen mit dem klassischenErzählgestus und nutzen die formelhafte Spracheschamlos aus - biegen aber nach dem Es war e<strong>in</strong>malscharf und mit Karacho <strong>in</strong>s herrlich Abstruse ab.E<strong>in</strong> sehnlich erwartetes K<strong>in</strong>d? Klassisches Märchenmotiv.Dass dieses aber dann e<strong>in</strong> Junge wird und vonden unzufriedenen Eltern nicht umgetauscht werdenkann und so schließlich bei e<strong>in</strong>er alten Frau im Schattenwaldlandet, eher nicht. Das ist geme<strong>in</strong>, denkst duund ich gebe dir recht. Aber zum Glück war die Frau ausdem Schattenwald e<strong>in</strong>e ganz e<strong>in</strong>e liebe. Und so wächst<strong>der</strong> Bub unter dem Namen Rapunzel heran, bis er <strong>in</strong>die Pubertät kommt, laute Rockmusik hört und Postervon Balletttänzern an se<strong>in</strong>e Zimmerwand klebt. Bisschließlich jemand Beson<strong>der</strong>er vor dem Turmfenstersteht ... und (wie das nun mal so ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> Pubertätmit den Haaren) an Rapunzels Bart hochklettert.So lebten sie glücklich mit <strong>der</strong> neuen KuschelRock-CD, Wackelpudd<strong>in</strong>g und Weizenbier und fuhren gerne<strong>in</strong>s Strandbad nach Kümmelbach zum Schwimmen.(Apropos Wackelpudd<strong>in</strong>g: In (K)e<strong>in</strong> Märchen trägt diesene<strong>in</strong>e Frau tage<strong>in</strong>, tagaus auf dem Kopf und sonstpassierte eigentlich gar nichts […] Und wenn sie nichtgestorben ist, so ist sie bestimmt schon sehr alt und denWackelpudd<strong>in</strong>g sollte lieber niemand mehr essen.)Es ist das unkonventionelle Glück, das die Figurenhier f<strong>in</strong>den und so reichern die beiden AutorInnenihre Fabulierlust und ihren Hang zum Nonsens auchmit e<strong>in</strong>er ordentlichen Portion Menschenliebe an. Miteleganter Leichtigkeit werden Rollenzuschreibungenunterwan<strong>der</strong>t o<strong>der</strong> parodistisch unterstrichen - <strong>der</strong>satirische Charakter geht dabei allerd<strong>in</strong>gs nie auf Kostendes märchenhaften Tons und <strong>der</strong> fabelhaften Eignungzum Vor-, Geme<strong>in</strong>sam- o<strong>der</strong> Selberlesen.Dass Roher und Ste<strong>in</strong>kellner e<strong>in</strong>en ordentlichenSpaß beim Schreiben gehabt haben müssen, ist augensche<strong>in</strong>lich- dass sich dieser aber so auf die Lesendenüberträgt, ke<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit. Die Geschichtenwachsen e<strong>in</strong>em außerordentlich ans Herz,ebenso wie die Illustrationen aus Tusche von MichaelRoher. Ob als Vignetten o<strong>der</strong> großflächige Wimmel-sequenzen - Text und Bild fühlen sich an wie aus e<strong>in</strong>emGuss, ganz egal, wer von den beiden für die e<strong>in</strong>zelnenMärchen verantwortlich zeichnet. Die vielenkle<strong>in</strong>en Verweise, B<strong>in</strong>nenerzählungen und Intertextualitätenmachen dieses Hausbuch zu e<strong>in</strong>em mehrfachadressiertenLesegenuss.E<strong>in</strong> Märchenbuch von Elisabeth Ste<strong>in</strong>kellner und MichaelRoher heißt es im Untertitel. Damit schreiben sichdie beiden ganz bewusst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zentrale Tradition <strong>der</strong>KJL e<strong>in</strong> und bereichern diese ungeme<strong>in</strong>. Dementsprechendsei auch dem Verlag Luftschacht t zu danken, <strong>der</strong>den überbordenden Ideenreichtum so schön gewandethat: e<strong>in</strong>e genussvolle Haptik, e<strong>in</strong> purpurner Vorsatz.E<strong>in</strong> Königsmantel quasi. Fehlt nur noch Hermel<strong>in</strong>und Edelste<strong>in</strong> - selbst das hätte dieses Buch verdient.|christ<strong>in</strong>a ulm|Wer fürchtet sich vorm lila Lachs?: Märchen/ Michael Roher. Elisabeth Ste<strong>in</strong>kellner.- Wien: Luftschacht-Verl., <strong>2013</strong>. - 165 S. : zahlr. Ill.ISBN 978-3-9<strong>02</strong>844-21-7fest geb. : EUR 17,90Die Kröte des Monatsist die beson<strong>der</strong>e Empfehlung <strong>der</strong> STUBEfür Bücher ...... die e<strong>in</strong>e Gratwan<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>gehen... die Vermittlung auf spezielle Weise herausfor<strong>der</strong>n... die sich nicht nur e<strong>in</strong>en ersten Blick verdient haben<strong>doppel</strong>:<strong>punkt</strong> <strong>2013</strong>:2

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