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Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen - Weltgebetstag der ...

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WGT-Arbeitsheft 2013 FrankreichIn Frankreich lebt durch die Kolonialgeschichte in Nordafrika – Marokko, Tunesien <strong>und</strong>Algerien - schon lange eine große islamische Religionsgemeinschaft. Derzeit leben 4Millionen Menschen islamischer Kultur in Frankreich. Die Hälfte davon sind französischeStaatsbürgerinnen <strong>und</strong> Staatsbürger. Damit ist <strong>der</strong> Islam die zweite Religion des Landes. <strong>Ich</strong>wohnte lange Zeit ganz in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Moschee, die ein erstes Kulturzentrum des Islamsmitten in Paris darstellte, bevor ein großes “Institut <strong>der</strong> arabischen Welt“ gebaut wurde. Für<strong>mich</strong> <strong>war</strong> es selbstverständlich im Kaffeehaus dieser Moschee den besten grünen Tee vonParis zu trinken. Am Freitag strömten die Menschen zu den Gebeten. Mit Fre<strong>und</strong>en, aufBesuch in Paris gingen wir immer in die w<strong>und</strong>erschöne Moschee, wo die Besucherwillkommen <strong>war</strong>en. Allerdings haben die Radikalisierung <strong>und</strong> <strong>der</strong> F<strong>und</strong>amentalismus in denletzten zwanzig Jahren einiges geän<strong>der</strong>t. Trotzdem haben viele Gemeinschaften noch keineMoschee, auch wenn <strong>der</strong> damalige Innenminister J. Pierre Chevènement, vor fast zwanzigJahren dieses Übel beheben wollte.Im Juni 2012 wurde in <strong>der</strong> Nähe von Paris das größte Buddhistische Zentrum von Europaeröffnet. Aber es gibt schon lange in großen Städten solche Zentren.Interessant ist, dass die Beziehungen zwischen Religionsgemeinschaften <strong>und</strong> Staat inEuropa immer ähnlicher werden, auch wenn die gesetzlichen Verbindungen sehrunterschiedlich bleiben. Gemeinsam sind: die Freiheit für jede Staatsbürgerin, sich dieReligion auszusuchen (o<strong>der</strong> gar keine), die Gewissensfreiheit zu respektieren <strong>und</strong> somit dieGlaubensfreiheit, das Verbot, Menschen aus Glaubensgründen zu diskriminieren, dieFreiheit <strong>der</strong> Wissenschaft den Religionen gegenüber, u. a.Pierre Joxe, ebenfalls ehemaliger Innenminister, erklärte 1990: “Religionsgemeinschaftennicht anerkennen heißt nicht, sie zu ignorieren o<strong>der</strong> abzulehnen, son<strong>der</strong>n es geht darum, dieBereiche zwischen religiösen <strong>und</strong> öffentlichen Institutionen genau abzugrenzen. Dabei sollauch nicht die Religion in die Privatsphäre geschickt werden, denn auch religiöse Autoritätensollen <strong>ihr</strong>e Stimme über die Probleme <strong>der</strong> Zeit erheben.“ Vertreter <strong>der</strong> Religionen sindübrigens auch Mitglied des Nationalen Komitee für Ethik.Wenn auch <strong>der</strong> Papst Pius XI gegen das Gesetz <strong>der</strong> Trennung zwischen Staat <strong>und</strong> Kirchevehement Stellung nahm, wurden schon 1924 die diplomatischen Beziehungen zwischenFrankreich <strong>und</strong> dem Vatikan wie<strong>der</strong> hergestellt. Papst Johannes-Paul II schreibt 2005 an diefranzösischen Bischöfe, das Prinzip <strong>der</strong> Laizität wohl verstanden, gehöre auch zurSoziallehre <strong>der</strong> Kirche. Er stellte auch mit Freude fest, wie <strong>der</strong> Dialog <strong>und</strong> die Mitarbeitzwischen den Verantwortlichen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kirche sehr gut funktionieren.Diese Zusammenarbeit wurde 2002 sogar institutionalisiert. Die Laizität sei keineswegs <strong>der</strong>Ort des Streites, son<strong>der</strong>n im Gegenteil <strong>der</strong> Raum für einen fruchtbaren Dialog, im Geist <strong>der</strong>Werte: Freiheit, Gleichheit <strong>und</strong> Geschwisterlichkeit; erklärte Johannes Paul II.Die Kirche hat sicher an Autonomie <strong>und</strong> Unabhängigkeit gewonnen <strong>und</strong> denkt gar nichtdaran, das Gesetz von 1905 rückgängig zu machen. Meiner Meinung nach hat sie auchdadurch gewonnen, arm zu sein. Arm an Geld <strong>und</strong> arm an Anerkennung. So konnten sichvielleicht Bewegungen entwickeln wie die Arbeiterpriester <strong>und</strong> die „JOC“- KatholischeArbeiterjugend, u. a… In meiner Kindheit fuhr <strong>der</strong> Erzbischof von Paris auf seinem Motorrad<strong>und</strong> in seiner „Ente“, ohne Chauffeur. Die Nähe zum Volk scheint mir größer, selbstverständlicherzu sein als zum Beispiel in Österreich o<strong>der</strong> Deutschland.In meinem Gymnasium durfte kein Priester einen Raum haben. Das <strong>war</strong> die Entscheidungdes Direktors. Dafür bekam <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Pfarre beauftragte Seelsorger ein großes Haus mitGarten, gegenüber <strong>der</strong> Schule. Und da er die St<strong>und</strong>en frei von jedem Programm <strong>und</strong> je<strong>der</strong>Schülerbeurteilung attraktiv gestaltete, kam bald die Hälfte <strong>der</strong> Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zuihm, egal ob katholisch, evangelisch o<strong>der</strong> konfessionslos.Bei all den positiven Konsequenzen dieser Trennung ist jedoch ein Aspekt sehrproblematisch geworden. Allmählich haben die Menschen jeden Zugang zur christlichenKultur des Westens verloren. Damit wurden nicht nur die Religion, son<strong>der</strong>n auch die Kunst<strong>und</strong> die Literatur, die ganze eigene Kultur fern <strong>und</strong> unverständlich. Dies ging so weit, dass1996 die religiöse Kultur in die Programme <strong>der</strong> Mittelschulen <strong>und</strong> Gymnasien eingeführtwurden: es ging darum, einerseits die vorrangig christlich geprägte Kultur Europas wie<strong>der</strong> zu-17-

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