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07/2015

Fritz + Fränzi

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Dossier<br />

Ich erzähle<br />

Simone, 47, seit sechs<br />

Jahren alleinerziehend<br />

«Ich habe immer etwas Hemmungen,<br />

wenn ich meine Situation in Relation zu<br />

anderen alleinerziehenden Müttern<br />

setze. Ich habe nämlich keinerlei<br />

Geldsorgen, das macht nicht alles, aber<br />

sehr vieles leichter. Ich selber stamme<br />

aus vermögenden Verhältnissen und<br />

mein Ex-Mann bezahlt jeden Monat<br />

mehr Unterhaltsbeiträge an uns, als<br />

manche in einem Monat verdienen. Ich<br />

habe diplomatische Beziehungen<br />

studiert und arbeitete oft im Ausland,<br />

seit ich Mutter bin aber in der Schweiz,<br />

in führender Position bei einer skandinavischen<br />

Firma. Zusammen mit dem<br />

Geld, das ich verdiene, leben wir<br />

überdurchschnittlich gut.<br />

Aber eben, was heisst das schon? Ich<br />

habe dafür andere Sorgen. Obwohl mein<br />

Sohn und ich viel reisen und ein<br />

komfortables Leben führen, frage ich<br />

mich, wie er das Aufwachsen ohne<br />

seinen Vater in dreissig Jahren einmal<br />

beschreiben wird. Hat er vielleicht<br />

eigene Kinder? Lebt er mit einer Frau<br />

zusammen oder ist er auch getrennt?<br />

Ich verkehre oft mit Müttern, die ähnlich<br />

leben wie ich. Die meisten sind ganz<br />

selbstverständlich berufstätig. Damit<br />

habe ich nie gehadert – im Gegenteil.<br />

Ich könnte mir das Leben als Hausfrau<br />

Jede sechste Einelternfamilie<br />

in der Schweiz<br />

ist von Armut betroffen.<br />

nicht vorstellen. Ich habe ein Au-pair zu<br />

Hause, seit mein Sohn klein ist. Auch<br />

wenn das für andere Eltern vielleicht<br />

kühl tönt, aber: besser ein engagiertes,<br />

liebevolles Kindermädchen als eine<br />

frustrierte Mutter. Ich hatte da immer<br />

Glück, mein Sohn kam mit all den<br />

Frauen, die bei uns arbeiteten, gut aus.<br />

Der Vater und ich haben uns scheiden<br />

lassen, kaum war der Bub ein Jahr alt.<br />

Mein Mann hat mir damals klar gesagt,<br />

dass er mich immer finanziell unterstützen<br />

werde, er aber die Welt sehen wolle<br />

und kein guter Vater sein würde. Das<br />

klang damals hart, aber ich weiss jetzt,<br />

was er gemeint hat. Und nun ist es so:<br />

Ich bin alleinerziehende Mutter, der<br />

Vater sieht das Kind zweimal im Jahr.<br />

Mein Sohn nimmt ihn mehr als Götti<br />

oder Bekannten seiner Mutter wahr<br />

denn als seinen Vater. Der Vorteil<br />

meiner Lebenssituation ist, dass ich<br />

selber entscheiden kann. Alles. Das ist<br />

für mich sehr entlastend. Als ich mich<br />

aber vor einem Jahr bei der Einschulung<br />

meines Sohnes in die internationale<br />

Schule mit Tagesstruktur den anderen<br />

Eltern vorstellen musste, war mir schon<br />

etwas mulmig. Bis ich realisiert habe,<br />

dass neben mir auch noch andere<br />

Mütter alleine da waren.»<br />

>>> Arbeit für die Betreuung<br />

ihrer Kinder. Dabei werden «Essen<br />

geben, Waschen und ins Bett bringen»<br />

mit 6 Stunden pro Woche beziffert,<br />

«Waschen und Bügeln» mit<br />

rund 2 Stunden und «Spielen und<br />

Hausaufgaben» mit rund 9,3 Stunden<br />

pro Woche. Aufgaben, die auch<br />

in einem Paarhaushalt erledigt werden<br />

müssen, doch hier können sich<br />

die Partner die Arbeit untereinander<br />

aufteilen.<br />

Nur: Gleichberechtigt geht die<br />

Aufgabenteilung auch in den meisten<br />

«Papi-Mami-Kind-Familien»<br />

nicht zu und her. Laut dem Bundesamt<br />

für Statistik arbeiten über die<br />

Hälfte der Frauen Teilzeit, bei den<br />

Männern steigt der Anteil hingegen<br />

nicht über 16 Prozent. Die Väter, die<br />

wegen Erziehung und Hausarbeit<br />

ihr Pensum reduzieren, sind in der<br />

Schweiz demnach noch immer in<br />

der Minderheit. Kein Wunder also,<br />

dass es auch nach der Trennung die<br />

Frauen sind, die sich um die Kinder<br />

kümmern. Der Vater zahlt Alimente<br />

fürs Kind oder wäre zumindest dazu<br />

verpflichtet; doch es drücken sich<br />

viele – oder sie zahlen zu wenig.<br />

Laut Caritas bezieht jede fünfte<br />

Alleinerziehende Sozialhilfe.<br />

Natürlich sind nicht alle Alleinerziehenden<br />

arm und bedauernswert.<br />

Die meisten haben ihr Leben<br />

im Griff. Sie erscheinen in keiner<br />

Armutsstatistik. In keiner Sozialhilfestudie.<br />

In keiner Alimentenbevorschussungsübersicht.<br />

«Vielen meiner<br />

Klientinnen geht es finanziell<br />

gut und sie sind zufrieden mit ihrem<br />

Leben», bestätigt eine Zürcher<br />

Scheidungsanwältin, die anonym<br />

bleiben möchte.<br />

Manche Frauen entscheiden sich<br />

sogar ganz bewusst für ein Kind –<br />

obwohl der passende Mann dazu<br />

fehlt. Letzteres ist für sie kein Grund,<br />

auf Kinderglück zu verzichten. Die<br />

erfolgreiche Juristin, die mit 38 Jahren<br />

beruflich zwar viel erreicht hat,<br />

aber gerade in keiner Beziehung<br />

lebt, ist so ein Beispiel. Und tatsächlich:<br />

Leiter grosser Samen- >>><br />

18 SEPTEMBER <strong>2015</strong>

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