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07/2015

Fritz + Fränzi

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Dossier<br />

>>> Stammtisch betrank, als ihr<br />

zuhause mit den Kindern zu helfen,<br />

blendete ihr kleinbürgerliches<br />

Umfeld beflissen aus. «Kein guter<br />

Vater zu sein, galt zu dieser Zeit als<br />

eine Art Kavaliersdelikt», sagt sie.<br />

«Da haben es die Frauen heute leichter.»<br />

Eine dieser Frauen ist Franziskas<br />

Tochter, die mit ihren beiden Kindern<br />

ebenfalls in Trennung lebt. Sie<br />

habe viele Freunde, sei gesellschaftlich<br />

integriert und könne sich mit<br />

anderen Müttern austauschen. Franziska:<br />

«Für mich war das damals<br />

unmöglich. Ich hatte keine Freundinnen<br />

und versuchte möglichst<br />

nicht aufzufallen.»<br />

Einem gewissen Rechtfertigungsdruck<br />

sieht sich aber auch die<br />

42-jährige Tochter ausgesetzt: «Wir<br />

haben einen Mittagstisch mit ein<br />

paar Mädchen aus der Klasse meiner<br />

Tochter. Ich achte immer darauf,<br />

dass ich sehr gesund und ausgewogen<br />

koche», sagt sie. Brokkoli und<br />

Bio-Plätzli oder Dinkelteig-Pizza<br />

mit einer Schüssel Salat. «Irgendwann<br />

sagt mir eine der Mütter, dass<br />

ihre Tochter das Essen bei mir etwas<br />

‹anstrengend› fände. Ich solle doch<br />

einfach mal ‹Pommes oder so› servieren,<br />

riet sie mir. Ich fiel aus allen<br />

Wolken, weil mir klar wurde, wie<br />

angestrengt ich mich verhalte.»<br />

Alles richtig machen, den Kindern<br />

das Beste mit auf den Weg<br />

geben, nicht das Bild der überforderten<br />

Mutter abgeben – obwohl der<br />

Vater fehlt. Das ist das Mantra vieler<br />

Alleinerziehenden.<br />

Und wie steht es um die Väter?<br />

Die können sich über eine seit Jahren<br />

stetig wachsende gesellschaftliche<br />

und politische Lobby aus Vereinen<br />

und Verbänden freuen, die im<br />

vergangenen Sommer einen grossen<br />

Sieg errungen hat: Seit dem 1. Juli<br />

2014 teilen sich Eltern das gemeinsame<br />

Sorgerecht für ihre Kinder,<br />

egal ob sie verheiratet, im Konkubinat<br />

oder getrennt leben. Elternvertreter<br />

wie der Präsident des Vereins<br />

für elterliche Verantwortung VeV,<br />

Alleinerziehend zu sein,<br />

bedeutet die doppelte Arbeit,<br />

doppelt so viele Tränen,<br />

aber auch doppelt so viele<br />

Umarmungen, doppelt so viel<br />

Spass, doppelt so viel Liebe.<br />

Oliver Hunziker (Interview auf Seite<br />

26), kämpft darüber hinaus für<br />

das Modell der alternierenden<br />

Obhut, bei dem im Falle einer Trennung<br />

die Kinder zu je mindestens<br />

33 Prozent von beiden Elternteilen<br />

betreut werden. Nach Oliver Hunziker<br />

die Voraussetzung dafür, dass<br />

Väter nicht nur die Rolle des Zahl-<br />

Papis übernehmen, sondern eine<br />

Beziehung mit ihren Kindern leben<br />

können. Dies würde auch den Müttern<br />

mehr Freiraum verschaffen.<br />

Apropos Freiraum. Dass dieser<br />

bei ihnen grösser ist als bei verheirateten<br />

Müttern, davon berichten<br />

einige Alleinerziehende – wenn sie<br />

finanziell gut dastehen und die Aufteilung<br />

der elterlichen Sorge fair<br />

geregelt ist. Jedes zweite Wochenende<br />

ist man ohne Verpflichtungen,<br />

ohne Partner und ohne Kinder. Und<br />

oft auch ein bis zwei Nächte unter<br />

der Woche. Auch wenn es selten<br />

zugegeben wird, diese Zeit nutzen<br />

viele, um ihre sexuellen Bedürfnisse<br />

zu befriedigen. Auf Schweizer Kontaktplattformen<br />

wie www.singlemitkind.ch<br />

wird vom One-Night-Stand<br />

über eine Affäre bis hin zur festen<br />

Beziehung alles gesucht und alles<br />

angeboten.<br />

Würde man diese Single-Eltern<br />

fragen, ob sie sich hilflos und verlassen<br />

fühlen, würde einem wohl ein<br />

mehrheitliches «Sicher nicht!» entgegenschallen.<br />

Einelternfamilien<br />

haben viele Gesichter.<br />

>>><br />

Martina Bortolani<br />

38, ist alleinerziehende Mutter einer Tochter,<br />

11, und eines Sohnes, 9. Seit einem Jahr ist<br />

sie selbständig (theswimmingpool.ch).<br />

22 SEPTEMBER <strong>2015</strong>

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