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Auf Kriegsfuss<br />
mit den Lauten<br />
Etwa fünf Prozent aller Menschen stottern im Laufe ihres Lebens. Das<br />
kann viele Ursachen haben. Im Stottercamp am Bodensee lernen<br />
jugendliche Stotterer, souverän mit ihrem Handicap umzugehen und<br />
ihr Sprechen zu verbessern. Ein Camp-Besuch.<br />
Text: Evelin Hartmann Fotos: Martin Mischkulnig / 13 Photo<br />
Die Teilnehmer<br />
erleben im<br />
Stottercamp,<br />
dass sie mit<br />
ihrem Problem<br />
nicht alleine<br />
sind.<br />
Am schlimmsten ist es,<br />
wenn alle durcheinanderreden,<br />
Unruhe<br />
herrscht, er aber noch<br />
etwas zu sagen hat.<br />
Dann gerät Silvan unter Druck. Und<br />
die Worte in seiner Kehle ins<br />
Stocken. Mit aller Kraft presst er sie<br />
nach oben über seine Zunge, hinaus<br />
ins Freie. Wa-wa-wartet doooo…ch<br />
mal. Freiwillig folgen die Worte ihm<br />
nicht. Das taten sie nie. Silvan Vögele,<br />
15, aus Brugg AG stottert seit<br />
seinem dritten Lebensjahr.<br />
«Noch vor einem Monat hat mich<br />
das so genervt, es war mir mega<br />
peinlich», sagt der Teenager langsam,<br />
bemüht deutlich, klar. Silvan<br />
sitzt auf der Wiese im Schatten eines<br />
grossen Baumes. Der Blick schweift<br />
hinab über die hügelige Landschaft.<br />
Von hier oben kann er den Bodensee<br />
sehen. Eine Woche besucht er<br />
zusammen mit elf weiteren Jugendlichen<br />
aus der Schweiz, Deutschland<br />
und Österreich das Stottercamp in<br />
Tägerwilen TG. Veranstalter sind<br />
die Interkantonale Hochschule für<br />
Heilpädagogik Zürich HfH sowie<br />
die Medizinische Akademie Freiburg<br />
im Breisgau.<br />
Hier sollen Jugendliche wie Silvan<br />
in einer geschützten, entspannten<br />
Atmosphäre einen neuen Um-<br />
gang mit dem Stottern und Techniken<br />
lernen, um ihren Sprechfluss<br />
verbessern zu können. «Heilsversprechungen<br />
machen wir keine»,<br />
betont der Logopäde und HfH-<br />
Dozent Wolfgang G. Braun, einer<br />
der Leiter des Camps.<br />
Ungefähr fünf Prozent aller Menschen<br />
stottern irgendwann im Laufe<br />
ihres Lebens, viele von ihnen nur<br />
während einer kurzen Phase in der<br />
Kindheit. Bei etwa einem Prozent<br />
der Betroffenen bleibt das Stottern<br />
bis ins Jugendalter bestehen, und sie<br />
stottern wahrscheinlich ihr Leben<br />
lang.<br />
Laut bläst Wolfgang Braun auf<br />
seiner Pfeife. Nach und nach geben<br />
die Jugendlichen ihre schattigen<br />
Sitzplätze auf und sammeln sich auf<br />
der grossen Wiese. 34 Menschen<br />
sind im Stottercamp in bunten Zirkuswagen<br />
untergebracht: Jugendliche,<br />
Betreuer, Helfer und Logopädie-Studentinnen,<br />
die Ein Platz jeweils am einem<br />
der 12 jungen Familientisch Teilnehmer bleibt als Patin<br />
zur Seite stehen. leer. Vor sieben<br />
«Guuuuten Jahren Morgen verlor …… Erich al-alallerseits»,<br />
begrüsst Gisi seine Karl Frau Schneider,<br />
und<br />
Campleiter und seine Schulleiter Kinder ihre der Medizinischen<br />
Akademie Freiburg, Mutter. die<br />
Teilnehmer und stellt alle drei an<br />
den vorangegangenen Tagen erarbeiteten<br />
Mottos noch einmal >>><br />
SEPTEMBER <strong>2015</strong>49