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07/2015

Fritz + Fränzi

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Psychologie & Gesellschaft<br />

>>> Nacht hatte, machte ich für<br />

mich alleine Zmorge. Ich habe mich<br />

schnell daran gewöhnt, alleine am<br />

Tisch zu sitzen und meine Schoggi<br />

zu trinken», erinnert sich Selma.<br />

Als Elena in immer stärkere<br />

Depressionen verfällt, kommt sie für<br />

drei Wochen in eine psychiatrische<br />

Klinik. In dieser Zeit wird auch Selmas<br />

Vater eingeschalten. Selma verbringt<br />

von nun an jedes zweite<br />

Wochenende bei ihm: Und es gefällt<br />

ihr dort, obwohl ihr Papa ihr anfänglich<br />

noch fremd ist. «Dort konnte<br />

ich richtig Kind sein und musste<br />

keine Verantwortung übernehmen.»<br />

Selma erlebt bei ihrem Vater einen<br />

geregelten Tagesablauf, wie sie ihn<br />

von zu Hause her nicht mehr kennt.<br />

«Wir haben viel gemeinsam unternommen,<br />

sind im Sommer ins<br />

Schwimmbad oder Velo fahren gegangen,<br />

oder auch in den Zoo», erinnert<br />

sie sich mit leuchtenden<br />

Augen. «Ich habe mich immer total<br />

auf die Zeit mit Papa gefreut, hatte<br />

aber auch ein bisschen ein schlechtes<br />

Gewissen gegenüber Mama, weil<br />

ich sie dann alleine liess.»<br />

Wenn es Elena zu viel wird, steigt<br />

sie ins Auto und fährt davon. Selma<br />

hat dann Angst, ruft einmal den<br />

Vater an, der sich danach um sie<br />

kümmert. Einmal ihren Götti, Elenas<br />

Bruder. Als Elena das erfährt, ist<br />

sie ausser sich vor Zorn. «Mama<br />

sagte, er habe sich nicht um uns<br />

gekümmert, als es ihr schlecht ging,<br />

der müsse jetzt auch nicht kommen.»<br />

Und dann kam der 8. August. Ein<br />

heisser Sommertag. Selma hatte<br />

eine leichte Grippe, wollte aber<br />

unbedingt in ihren Schwimmkurs.<br />

Elena wollte, dass das Mädchen zu<br />

Hause blieb. Es kam wieder zum<br />

Streit. Elena verliess die Wohnung,<br />

und als sie weg war, packte Selma<br />

ihre Badesachen und ging ins<br />

Schwimmbad. Dort fühlte sie sich<br />

aber nicht wohl und ging wieder<br />

nach Hause.<br />

«Daheim lag ein Zettel auf dem<br />

Tisch, wo Mami schrieb, sie schlafe,<br />

und ich solle sie nicht wecken. Ich<br />

war total sauer, denn ich wusste ja,<br />

dass sie vorher mit dem Auto weggefahren<br />

war. Aber eigentlich war es<br />

mir auch egal, wo sie war. Ich glaube<br />

heute, es war einfach zu viel für<br />

mich. Ich ass meinen Znacht und<br />

schlief auf dem Sofa ein. In der<br />

Nacht hörte ich, wie Mami reinkam,<br />

Weinflaschen klirrten. Sie kam nahe<br />

zu mir, ich roch ihren Atem, das war<br />

ganz grusig, ich stellte mich schlafend.<br />

Sie sagte: ‹Ich liebe dich und es<br />

ist gut so für uns beide.› Dann war<br />

sie weg. In dem Moment war es mir<br />

egal, aber nachher nicht mehr, und<br />

ich ging in die Tiefgarage. Das Auto<br />

war weg, da bekam ich Angst.» Nur<br />

schwer kann sie in dieser Nacht weiterschlafen:<br />

«Ich hatte ein komisches<br />

Gefühl, denn über Nacht ist Mama<br />

eigentlich nie weggeblieben.»<br />

Am nächsten Morgen wachte<br />

Selma alleine auf. Das komische<br />

Gefühl war nicht verschwunden.<br />

«Ich mochte gar nichts frühstücken,<br />

mein Magen tat ganz fest weh, weil<br />

ich Angst wegen Mama hatte. Aber<br />

weil sie mir immer sagte, es sei wichtig,<br />

dass ich regelmässig esse, habe<br />

ich mir ein Pausenbrot gemacht und<br />

ging dann zur Schule.»<br />

«In der zweiten Lektion holte<br />

mich die Lehrerin raus und sagte:<br />

Der Atem ihrer Mutter roch nach<br />

Alkohol. Sie sagte: «Ich liebe dich<br />

und es ist gut so für uns beide.»<br />

KUNST,<br />

GRAFIK<br />

& SCHELLEN-<br />

URSLI<br />

70 SEPTEMBER <strong>2015</strong><br />

www.carigiet.landesmuseum.ch<br />

27.3.<strong>2015</strong> – 28.6.<strong>2015</strong><br />

www.marignano.landesmuseum.ch<br />

12.06.<strong>2015</strong><br />

–<br />

03.01.2016

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