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07/2015

Fritz + Fränzi

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‹Wir müssen reden.› In einem Zimmer<br />

warteten Polizisten, mein<br />

Grossvater und mein Götti auf mich.<br />

Da wusste ich: Es war vorbei. Sie<br />

sagten: ‹Mami hatte einen Unfall.›<br />

Dann, dass sie tot sei. Ich wusste<br />

sofort, dass es kein Unfall war.»<br />

Wie fühltest du dich damals?<br />

«Ich war glücklich, traurig und<br />

böse, alles zusammen.»<br />

Es wird bestimmt, dass Selma für<br />

die nächste Zeit bei ihren Grosseltern<br />

väterlicherseits leben soll.<br />

Noch am selben Tag verlässt sie die<br />

Schule. Sie wird nicht mehr zurückkehren.<br />

Die Kollegen schreiben kleine<br />

Abschiedsbriefchen, die sie Selma<br />

in den Rucksack legen. So gerührt<br />

Selma von dieser Geste ist, so<br />

schnell will sie weg aus der alten<br />

Umgebung: «Ich wollte neue Kollegen<br />

finden, denn die alten erinnerten<br />

mich daran, dass ich immer<br />

etwas verstecken musste.»<br />

An die Beerdigung kann sie sich<br />

nicht mehr richtig erinnern, nur<br />

daran, «dass ich viel vom Mami<br />

geträumt habe. Ich konnte mir nicht<br />

vorstellen, dass sie wirklich tot war.<br />

Mit der Zeit merkte ich, dass sie<br />

nicht mehr zurückkam. Ich hatte<br />

dann oft Glücksgefühle, dass alles<br />

vorbei war, dann aber hasste ich sie,<br />

dass sie mich alleine gelassen hat.»<br />

Ein halbes Jahr bleibt Selma bei<br />

den Grosseltern, seit zwei Jahren<br />

lebt sie bei ihrem Vater und seiner<br />

neuen Lebensgefährtin. «Heute geht<br />

es mir super gut», sagt sie mit einem<br />

breiten Lachen. Vermissen täte sie<br />

ihre Mutter nur manchmal. «Das<br />

hiesse ja, dass ich die Vergangenheit<br />

vermissen würde, und das tue ich<br />

nicht. Am schönsten ist, dass ich<br />

heute über alles reden darf. Und<br />

meine Mutter schaut mir von oben<br />

herab zu.»<br />

So abgeklärt Selma über ihre Vergangenheit<br />

spricht, so fragil ist das<br />

neue Gleichgewicht. Gleich nach<br />

dem Tod ihrer Mutter fühlte sie<br />

«eine grosse Leere, da habe ich mich<br />

selber verletzt», etwas, das sie heute<br />

nicht mehr tut. «Das Ritzen, das tut<br />

mir nicht gut.»<br />

Spricht sie mit Freundinnen über<br />

ihre Vergangenheit? «Nein, nur ganz<br />

selten, denn ich habe das Gefühl,<br />

dass sie mich nicht verstehen. Wie<br />

sollen sie auch? Sie haben ja nicht<br />

durchgemacht, was ich durchgemacht<br />

habe.»<br />

Die 13-Jährige ist jetzt in der ersten<br />

Oberstufe und möchte später<br />

Sozialpädagogin werden oder in<br />

einem Altersheim arbeiten. «Ich<br />

helfe gerne, weil ich weiss, wie es ist,<br />

wenn man keine Hilfe bekommt.<br />

Und, ich will nicht, dass jemand so<br />

einen Scheiss wie meine Mama<br />

macht.»<br />

Beim Abschied drückt mir Selma<br />

fest die Hand und sagt: «Es würde<br />

mich freuen, wenn mir andere Kinder<br />

schreiben würden.»<br />

>>><br />

* Namen von der Redaktion geändert<br />

Silvia Aeschbach<br />

hat über ihre Panikattacken das Buch «Leonardo DiCaprio trifft<br />

keine Schuld» (Wörtersee Verlag) geschrieben und kennt das Thema<br />

Ängste aus eigenem Erleben. Als sie die 13-jährige Selma traf, war sie<br />

erstaunt, wie gefasst und erwachsen das Mädchen mit dem Tod ihrer<br />

Mutter umgeht. Und wie lebensfroh Selma trotz ihres Schicksals ist.<br />

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