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Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

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Prof Dr. Dr. h. c.<br />

Reinhard Wiesner J<br />

1 Böckenförde, Elternrecht<br />

– Recht des Kindes – Recht<br />

des Staates, in: Essener Gespräche<br />

zum Thema Staat<br />

und Kirche, Band 14, 1980<br />

S. 59.<br />

12<br />

Kindesschutz im<br />

Spannungsfeld zwischen<br />

staatlichem Wächteramt und<br />

grundgesetzlich geschütztem<br />

Freiraum der Familie<br />

Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Wiesner J Bundesministerium für Familie,<br />

Senioren, Frauen und Jugend<br />

Dramatische Fälle von Kindesvernachlässigung<br />

lenken den Blick auf den staatlichen<br />

Schutzauftrag – seinen Inhalt und seine<br />

Grenzen – und damit auch auf die Aufgaben<br />

der Eltern. Wie weit reicht die elterliche<br />

Erziehungsautonomie? Welche Befugnisse,<br />

welche Pflichten hat der Staat, Kinder vor<br />

Gefahren für ihr Wohl zu schützen? Wie tritt<br />

er dabei gegenüber den Eltern auf: in beratender,<br />

unterstützender Funktion oder als<br />

eine Instanz, die Eltern rechtsverbindliche<br />

Vorgaben macht, sie gegebenenfalls sogar<br />

ganz oder teilweise aus ihrer elterlichen<br />

Erziehungsverantwortung entlässt? Dieses<br />

komplexe Thema will ich in den nachfolgenden<br />

Ausführungen etwas näher beleuchten.<br />

1. Verfassungsrechtliche Grundlagen<br />

Den Ausgangspunkt für diese Betrachtung<br />

bilden die Vorgaben unserer Verfassung.<br />

Zentrale Aussagen dazu enthält Art.<br />

6 Abs.2 GG.<br />

a) Eltern – Kind – Staat<br />

Zunächst garantiert Art. 6 Abs.2 Satz1 GG<br />

den Eltern „Pflege und Erziehung als das<br />

natürliche Recht und die zuvörderst ihnen<br />

obliegende Pflicht“. Damit korrespondiert<br />

das sog. staatliche Wächteramt, wenn es in<br />

Satz 2 heißt. „Über ihre Betätigung wacht<br />

die staatliche Gemeinschaft.“<br />

Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG<br />

ist ein echtes gegen den Staat gerichtetes<br />

Grundrecht. Adressat und Verpflichtete<br />

sind nicht das Kind oder beliebige Dritte,<br />

sondern die hoheitlich handelnde Staatsgewalt.<br />

Ihr gegenüber wird eine bestimmte<br />

tatsächlich und rechtlich geformte Position,<br />

die Pflege und Erziehung der Kinder, in<br />

dezidierter Form verfassungsrechtlich geschützt<br />

und gewährleistet, wie es der frühere<br />

Staatsrechtslehrer und Richter am<br />

Bundesverfassungsgericht Wolfgang Böckenförde<br />

ausgeführt hat 1 .<br />

Das Elternrecht des Grundgesetzes gewährt<br />

eine einseitige unmittelbare Bestimmungsmöglichkeit<br />

über andere Menschen,<br />

die Kinder, im Hinblick auf deren<br />

Persönlichkeitsentwicklung. Zu Recht verweist<br />

Böckenförde darauf, dass ein solches<br />

Recht eine Form von Herrschaft darstellt.<br />

Zwar muss Herrschaft von bloßer Macht<br />

definitorisch dadurch unterschieden werden,<br />

dass Herrschaft keine beliebige, sondern<br />

eine an legitimierenden Zwecken<br />

ausgerichtete, an Formen und Verfahren<br />

gebundene und rechtlicher Verantwortlichkeit<br />

unterliegende Bestimmungsmacht<br />

darstellt. Grundlage und rechtfertigender<br />

Grund des Elternrechts sind aber nicht das<br />

Interesse und die Freiheitsentfaltung der<br />

Eltern, sondern Interesse und Persönlichkeitsentfaltung<br />

des Kindes. Elternrecht, so<br />

drückt es Böckenförde aus, ist „eine objektiv<br />

notwendige Bedingung für das Seinkönnen<br />

und Mündigwerden des Kindes.“<br />

Das Elternrecht wird deshalb als fremdnütziges<br />

Recht bezeichnet. Zur Entwicklung<br />

und Entfaltung seiner Persönlichkeit ist das<br />

Kind auf Schutz und Pflege, aber auch auf<br />

die erzieherische Lenkung und Bestimmung<br />

durch die Eltern angewiesen.<br />

Dieses Grundrecht weist noch eine weitere<br />

Besonderheit auf. Pflege und Erziehung<br />

der Kinder sind nach Artikel 6 Abs. 2 Satz<br />

1 GG nicht nur das natürliche Recht der Eltern,<br />

sondern auch die „ihnen zuvörderst

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