08.12.2012 Aufrufe

Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

wohlgefährdung, wie sie dem Auftrag des<br />

Familiengerichts nach § 1666 BGB zugrunde<br />

liegt, aber bereits das Ergebnis der Gefährdungseinschätzung<br />

nach § 8 a SGB VIII<br />

im Jugendamt sein kann und deshalb nicht<br />

zwingend zur Anrufung des Familiengerichts<br />

führt . 8<br />

Die Akteure im Kinderschutz<br />

Nimmt man dieses breite Spektrum des<br />

Kinderschutzes in den Blick, dann wird<br />

auch ein großer Kreis von Personen und<br />

Institutionen sichtbar, der diesem Kinderschutz<br />

verpflichtet ist. Dies sind zu allererst<br />

immer wieder die Eltern, denen<br />

im Rahmen ihrer Erziehungsverantwortung<br />

im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG<br />

auch der Schutz des Kindes vor Gefahren<br />

für ihr Wohl obliegt. Es sind darüber hinaus<br />

die Jugendämter, die als staatliche<br />

Behörden zur Wahrnehmung des Schutzauftrags<br />

bei Kindeswohlgefährdung berufen<br />

sind, sowie die Familiengerichte, denen<br />

nach unserer Rechtsordnung Eingriffe<br />

in die elterliche Erziehungsverantwortung<br />

bei einer Kindeswohlgefährdung vorbehalten<br />

sind. Dem Kinderschutz verpflichtet ist<br />

auch die Polizei, deren Auftrag freilich primär<br />

der Aufrechterhaltung der öffentlichen<br />

Sicherheit und Ordnung und der Strafverfolgung<br />

gilt. Kinderschutz ist aber darüber<br />

hinaus auch Aufgabe der Ärzte und anderer<br />

Berufe im Gesundheitssystem, denen<br />

die Begleitung Schwangerer, die Unterstützung<br />

bei der Säuglingspflege, die Behandlung<br />

von Krankheiten, sowie Früherkennung,<br />

Vorbeugung und Vorsorge obliegen.<br />

Schließlich ist Kinderschutz (jedenfalls implizit)<br />

Aufgabe aller Personen und Dienste,<br />

die vertraglich Beratung, Betreuung oder<br />

Therapie von Kindern oder Jugendlichen<br />

übernehmen.<br />

Bei dieser Auflistung wird aber bereits<br />

deutlich, dass die Aufträge der genannten<br />

Institutionen im Einzelfall unterschiedlich<br />

sind, sich diese Institutionen bzw. Fachdisziplinen<br />

dem Thema Kindesschutz also<br />

aus unterschiedlichen Perspektiven nähern.<br />

Damit werden sowohl die Notwendigkeit,<br />

aber auch Grenzen der Kooperation<br />

deutlich.<br />

Kinderschutz in diesem weiten Verständnis<br />

erfordert je nach Gefahrenlage unterschiedliche<br />

Zugangswege: Beginnend bei<br />

Referat J Prof. Dr. Dr. h. c. Reinhard Wiesner<br />

der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für<br />

die Bedürfnisse und Entwicklungsaufgaben<br />

von Kindern über den Kontakt mit schwangeren<br />

Frauen und jungen Müttern über<br />

Hebammen und in Geburtskliniken bis hin<br />

zur Gewährung von sozialpädagogischer<br />

Familienhilfe bei strukturell belasteten Familien<br />

und schließlich dem (im Einzelfall<br />

notwendigen flankierenden) Einsatz der Polizei<br />

bei Herausnahme von Kindern in akuten<br />

Gefährdungssituationen.<br />

Die unterschiedlichen Perspektiven der einzelnen<br />

Institutionen und Professionen führen<br />

auch zu unterschiedlichen fachlichen<br />

Einschätzungen über die notwendigen<br />

Maßnahmen der „Gefahrenabwehr“. Dies<br />

beginnt bereits beim Erkennen und bei<br />

der Beschreibung der jeweils erkennbaren<br />

Symptome. Voraussetzung für jede fachliche<br />

Kommunikation und institutionelle Kooperation<br />

ist daher eine gemeinsame Sprache,<br />

aber auch die Kenntnis des jeweils<br />

eigenen und des anderen Auftrags.<br />

Schließlich erfordern unterschiedliche Gefährdungszustände<br />

auch einen unterschiedlichen<br />

d. h. jeweils situationsangemessenen<br />

Umgang mit sozialen Daten. Die<br />

Fachwelt ist sich darüber einig, dass Kinderschutz<br />

Datenschutz braucht als Basis<br />

für den Zugang und die Vertraulichkeit, und<br />

die Befugnis zur Datenerhebung bzw. Weitergabe<br />

ohne Kenntnis der Eltern erst ab<br />

einer bestimmten Risikoschwelle für das<br />

Kind, nicht aber zur bloßen vorbeugenden<br />

Kontrolle elterlichen Handelns eröffnet<br />

wird. Entsprechendes gilt auch für die ärztliche<br />

Schweigepflicht und deren Grenzen.<br />

Der Zugang zum Familiensystem<br />

Der Zugang zum Familiensystem ist die<br />

zentrale Voraussetzung für das (rechtzeitige)<br />

Erkennen von Risikofaktoren und das<br />

Angebot von Hilfe. Die Zugangsfrage ist<br />

damit die Schlüsselfrage für einen effektiven<br />

Kindesschutz. Während die Inanspruchnahme<br />

ärztlicher Hilfe gesellschaftlich<br />

allseits akzeptiert ist („ich bin krank“)<br />

gilt die Inanspruchnahme von erzieherischer<br />

Hilfe („ich brauche Unterstützung<br />

bei der Erziehung meines Kindes“) immer<br />

noch als Stigma, als Zeichen von Unfähigkeit<br />

oder wird sogar als Indiz für einen<br />

Leistungsmissbrauch angesehen. Die gesellschaftliche<br />

Stigmatisierung von „Hilfe“<br />

„Kinderschutz in diesem<br />

weiten Verständnis<br />

erfordert je nach Gefahrenlageunterschiedliche<br />

Zugangswege.“<br />

8 Siehe dazu im Einzelnen<br />

unter 3 c in diesem Beitrag<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!