Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
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Forum 4: Kindesschutz vor<br />
Gericht<br />
Eingriffs- und Handlungsmöglichkeiten der Justiz in Zusammenarbeit<br />
mit der Jugendhilfe und Anderen<br />
Moderation: Wolfgang Rüting J Jugendamt Kreis Warendorf<br />
Begleitung: Anika Lebek J Jugendamt Kreis Warendorf<br />
Beiträge: Hans-Christian Prestien J Amtsgericht Potsdam<br />
Andreas Hornung J Amtsgericht Warendorf<br />
Hans-Christian Prestien J<br />
Amtsgericht Potsdam<br />
I. Der Auftrag<br />
1. Allgemeine Verpflichtung<br />
„Die Verpflichtung des Staates (das Wächteramt<br />
nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG wahrzunehmen)<br />
ergibt sich in erster Linie daraus,<br />
dass das Kind als Grundrechtsträger<br />
selbst Anspruch auf den Schutz des Staates<br />
hat. Das Kind ist ein Wesen mit eigener<br />
Menschenwürde und dem eigenen Recht<br />
auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit im<br />
Sinne der Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG.<br />
Eine Verfassung, welche die Würde des<br />
Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertsystems<br />
stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher<br />
Beziehungen grundsätzlich<br />
niemandem Rechte an der Person<br />
eines anderen einräumen, die nicht zugleich<br />
pflichtgebunden sind und die Menschenwürde<br />
des anderen respektieren.<br />
In diesem Sinne bildet das Wohl des Kindes<br />
den Richtpunkt für den Auftrag des<br />
Staates gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG.<br />
Das bedeutet nicht, dass jedes Versagen<br />
oder jede Nachlässigkeit den Staat berechtigt,<br />
die Eltern von der Pflege und Erziehung<br />
auszuschalten oder gar selbst diese<br />
Aufgabe zu übernehmen; vielmehr muss er<br />
stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern<br />
Rechnung tragen. Zudem gilt auch hier<br />
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Art<br />
und Ausmaß des Eingriffs bestimmen sich<br />
nach dem Ausmaß des Versagens der Eltern<br />
und danach, was für das Interesse des<br />
Kindes geboten ist.<br />
Der Staat muss daher nach Möglichkeit<br />
versuchen, durch helfende, unterstützende,<br />
auf Herstellung oder Wiederherstellung<br />
eines verantwortungsbewussten Verhaltens<br />
der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen<br />
sein Ziel zu erreichen ...“(BVerfGE<br />
Bd. 24, 119 ff, 144; dazu auch BVerfG NJW<br />
1982,1379)<br />
2. Das Stufenmodell<br />
Die Hierarchie der Interventionsformen bei<br />
Hinweisen auf Gefährdung der gesunden<br />
körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung<br />
des Kindes:<br />
1. Stufe: Konfliktlösung durch außergerichtliche<br />
Information und Beratung<br />
der Kindeseltern durch Mitarbeiter der Ki-<br />
Tas, Kindergärten, Schulen und freien (insbesondere<br />
Beratungsstellen) und öffentlichen<br />
Träger der Jugendhilfe. Allen ist<br />
gemeinsam: Ihre Möglichkeiten, Kinder vor<br />
ernsthaften Schädigungen zu bewahren,<br />
sind durch die Bereitschaft der Eltern bzw.<br />
verantwortlichen Bezugspersonen des Kindes,<br />
Hilfe anzunehmen und notwendige<br />
Veränderungen zu veranlassen, begrenzt.<br />
Sie verfügen nicht über die Macht, die Erwachsenen<br />
an einen Tisch zu bringen, geschweige<br />
denn, rechtliche Verantwortlichkeiten<br />
zu verändern oder gar zu entziehen.<br />
Der Inhaber des staatlichen Wächteramtes,<br />
der über diese Qualität verfügt, ist das Gericht.<br />
2. Stufe: Konfliktlösung durch Information<br />
und Beratung durch das Gericht<br />
„Der Staat muss daher nach Möglichkeit<br />
versuchen, durch helfende, unterstützende,<br />
auf Herstellung oder Wiederherstellung ei-