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Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe

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„Nun finden wir weder<br />

im Grundgesetz noch<br />

an anderer Stelle in<br />

unserer Rechtsordnung<br />

eine Definition des<br />

Kindeswohls. “<br />

3 Siehe dazu die Stellungnahme<br />

des Bundesjugendkuratoriums<br />

vom Dezember<br />

2007, Jugendamt 2008, 72.<br />

14<br />

ihre Befugnis zum Wohle des Kindes ausüben,<br />

handeln sie im Rahmen ihrer Elternverantwortung<br />

und können sich auf den<br />

Grundrechtsschutz von Artikel 6 Abs. 2<br />

Satz 1 GG berufen; nur insofern lässt sich<br />

die Fremdbestimmung des Kindes durch<br />

seine Eltern vor Art. 2 Abs. 1 in Verbindung<br />

mit Art. 1 Abs. 1 GG (Persönlichkeitsrecht<br />

des Kindes) rechtfertigen. Die Entscheidungsfreiheit<br />

der Eltern endet – nach der<br />

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts<br />

– dort, wo sie für ein Handeln in<br />

Anspruch genommen wird, dass selbst bei<br />

weitester Anerkennung ihrer Selbstverantwortlichkeit<br />

nicht mehr als „Pflege oder Erziehung“<br />

gewertet werden kann.<br />

Nun finden wir weder im Grundgesetz noch<br />

an anderer Stelle in unserer Rechtsordnung<br />

eine Definition des Kindeswohls. In vielen<br />

fachlichen Publikationen werden Versuche<br />

unternommen, diesen Begriff zu definieren<br />

oder Mindeststandards zu formulieren.<br />

Dabei wird aber schnell deutlich, dass es<br />

kaum möglich ist, diesen umfassenden Begriff<br />

alters und entwicklungsspezifisch zu<br />

operationalisieren. Die rechtliche Bedeutung<br />

solcher Versuche bliebe zudem begrenzt.<br />

Da Eltern nach unserer Verfassung<br />

grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen<br />

und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen<br />

entscheiden, wie sie die Erziehung ihres<br />

Kindes gestalten und damit ihrer Elternverantwortung<br />

gerecht werden wollen, kommt<br />

dem Staat auch nicht die Befugnis zu, das<br />

Kindeswohl zu definieren. Er hat vielmehr<br />

die Aufgabe der rechtlichen Grenzkontrolle,<br />

nähert sich damit dem Kindeswohl von seiner<br />

negativen Ausprägung her 3 .<br />

c) Das staatliche Wächteramt<br />

Welche Bedeutung hat nun das in Art. 6<br />

Abs. 2 Satz 2 GG formulierte staatliche<br />

Wächteramt? Der Sinn des Wächteramts<br />

liegt darin, das Wohl des Kindes vor Schaden<br />

zu bewahren, und zwar so weit wie<br />

möglich unter Wahrung und Schonung der<br />

verfassungsrechtlich verbürgten Elternbefugnisse.<br />

Es soll objektive Verletzungen<br />

des Wohls des Kindes verhüten – unabhängig<br />

von einem Verschulden der Eltern. Insofern<br />

kann das Wächteramt als Schranke<br />

des Elternrechts qualifiziert werden. Dies<br />

bedeutet: Das staatliche Wächteramt hat<br />

im Hinblick auf das Elternrecht nachrangi-<br />

gen Charakter. Der Staat hat die elterliche<br />

Erziehungsautonomie, soweit sie reicht, zu<br />

respektieren. Die Grenze für diese elterliche<br />

Erziehungsautonomie bildet die Kindeswohlgefährdung.<br />

Nach diesem Verfassungsverständnis muss<br />

die Gesellschaft unterschiedliche Lebensstile<br />

und Erziehungsvorstellungen von Familien<br />

akzeptieren. Der Staat kann zwar<br />

versuchen, Eltern von der Wünschbarkeit<br />

eines anderen Erziehungsverhaltens<br />

zu überzeugen; dies geschieht auch im<br />

Rahmen von Beratung und anderen Erziehungshilfen,<br />

aber er muss letztlich auch<br />

solche Erziehungsformen akzeptieren, die<br />

von einer pädagogisch wünschenswerten<br />

Förderung der Entwicklung von Kindern<br />

entfernt sind, solange diese nicht mit einer<br />

Gefährdung des Kindeswohls einhergehen.<br />

Was ein solches Verständnis von Elternprimat<br />

und staatlicher Befugnis zur Kontrolle<br />

der Grenzen elterlicher Erziehungsverantwortung<br />

konkret bedeutet, dies hat<br />

das Bundesverfassungsgericht vor mehreren<br />

Jahren am Beispiel minderbegabter Eltern<br />

anschaulich gemacht, die ihr Kind nicht<br />

ausreichend fördern (können). Dazu hat es<br />

ausgeführt: „Zwar stellt das Kindeswohl in<br />

der Beziehung zum Kind die oberste Richtschnur<br />

der elterlichen Pflege und Erziehung<br />

dar. Dies bedeutet aber nicht, dass es<br />

zur Ausübung des Wächteramts des Staates<br />

nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gehörte,<br />

gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche<br />

Förderung des Kindes zu sorgen.“<br />

Das Gericht fährt fort: „Das Grundgesetz<br />

hat die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg<br />

des Kindes nach Abschluss der<br />

Grundschule zunächst den Eltern als den<br />

natürlichen Sachwaltern für die Erziehung<br />

des Kindes belassen. Die primäre Entscheidungszuständigkeit<br />

der Eltern beruht auf<br />

der Erwägung, dass die Interessen des Kindes<br />

in aller Regel am besten von den Eltern<br />

wahrgenommen werden. Dabei wird die<br />

Möglichkeit in Kauf genommen, dass das<br />

Kind durch den Entschluss der Eltern wirkliche<br />

oder vermeintliche Nachteile erleidet,<br />

die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben<br />

betriebenen Begabtenauslese vielleicht<br />

vermieden werden könnten“.<br />

Diese Entscheidung stößt immer wieder auf<br />

Unverständnis, weil sie dem Kind eben nicht<br />

eine „bestmögliche Förderung seiner Ent-

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