Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
Dokumentation - Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
86<br />
die Kriminologen längst herausgefunden<br />
haben, dass etwa ¾ aller Fälle von Kinder-<br />
und Jugenddelinquenz von einem broken-home-milieu<br />
in der früheren Kindheit<br />
des Täters gekennzeichnet sind, so bleibt<br />
diese Konsequenz unterbliebener Kinderschutzmaßnahmen<br />
ihm in der Regel verborgen,<br />
da es eine Personalunion zwischen<br />
Jugend- und Familiengericht in der Regel<br />
nicht gibt. Er erfährt ja – entgegen den<br />
MISTRA – häufig nicht einmal, wenn Anklagen<br />
gegen Jugendliche erhoben werden.<br />
2.4 Die Folge<br />
Der Zufall des Anfangsbuchstabens des<br />
Familiennamens entscheidet aus meiner<br />
Sicht darüber,<br />
J ob das jeweilige Familiengericht sich auf<br />
die konkrete Situation eines Kindes einstellt,<br />
J ob das Kind als ein den Erwachsenen<br />
gleichwertiges Rechtssubjekt behandelt<br />
wird,<br />
J ob Hinweise auf Gefährdungslagen in jeder<br />
denkbaren Form auch von Amts wegen<br />
aufgegriffen und zum Anlass aktiven<br />
richterlichen Handelns genommen werden,<br />
J ob das familiengerichtliche Verfahren an<br />
dem Ziel ausgerichtet ist, die konkrete<br />
Kindsituation unterstützend zu verbessern,<br />
bevor eingegriffen wird oder ob das<br />
Heil von vornherein in einer möglichst raschen<br />
statisch wirkenden und Rechte und<br />
Verantwortlichkeiten konkret beschneidenden<br />
Entscheidung gesucht wird.<br />
3. Die Steuerungsfunktion der<br />
Jugendhilfe<br />
Bei der Suche nach Verbesserung des Kinderschutzes<br />
ergibt sich zwingend die Forderung<br />
nach einem „Schulterschluss“ der<br />
beteiligten Professionen. Der Richter hat<br />
die Macht, im Krisenfall alle für das betroffene<br />
Kind Verantwortlichen an einen Tisch<br />
zu holen.<br />
Eine Verhandlungsführung mit dem durchgängigen<br />
Anspruch, soviel Sicherung der<br />
gesunden Kindesentwicklung wie möglich<br />
bei so wenig Eingriff wie tatsächlich zum<br />
Kinderschutz nötig, ist von ihm jedoch nur<br />
zu erwarten, wenn<br />
J ihm Hinweise für die Notwendigkeit eines<br />
konkreten Verfahrens in einer Form<br />
übermittelt werden, die einerseits von ihm<br />
verstanden wird, andererseits außergerichtlich<br />
wichtige Jugendhilfeleistungen<br />
nicht torpediert. Hier wird es darum gehen<br />
müssen, neben der öffentlichen Jugendhilfe<br />
die weiteren Institutionen, die<br />
mit Kindern zu tun haben, also insbesondere<br />
die Erzieher und Lehrer, als Alarmgeber<br />
zu aktivieren.<br />
J Anregungen zur Einrichtung einer Verfahrenspflegschaft<br />
zugleich mit den ersten<br />
Hinweisen gegeben und, soweit diese<br />
von der öffentlichen oder freien Jugendhilfe<br />
kommen, geeignet erscheinende Verfahrenspfleger<br />
benannt werden. Bereits<br />
im ersten Termin von Seiten der Jugendhilfe<br />
darauf aufbauend und die persönlichen<br />
Eindrücke der Anhörung der Eltern<br />
oder Beteiligten aufgreifend Hypothesen<br />
für Gefährdungsverläufe konkret dargestellt<br />
werden, wobei das Augenmerk neben<br />
den leichter darzustellenden körperlichen<br />
und geistigen besonders den<br />
seelischen Gefährdungslagen zugewandt<br />
werden sollte.<br />
J In jeder Lage des Verfahrens Anregungen<br />
zur Eröffnung weiterer Verfahren gegeben<br />
werden (z. B. bei Umgangsstreitigkeiten<br />
bzw. die Frage der elterlichen Sorge thematisiert<br />
wird, bzw. umgekehrt im Sorgeverfahren<br />
angeregt wird, ein besonderes<br />
Umgangsverfahren von Amts wegen zu<br />
eröffnen).<br />
J Angebote weiterführender und das Verfahren<br />
eventuell erledigende Jugendhilfeleistungen<br />
den Eltern oder sonstigen<br />
Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens<br />
unterbreitet werden. In diesem Fall sollten<br />
dem Gericht Hinweise und Anregungen<br />
für die Zeitdauer einer Verfahrensunterbrechung<br />
und sichernder einstweiliger<br />
Anordnungen gegeben werden.<br />
J Hinweise auf Möglichkeit, Sinnhaftigkeit,<br />
Ort und Setting einer nicht schädigenden<br />
Einbeziehung des Kindes durch richterliche<br />
Anhörung in Kooperation mit dem<br />
Verfahrenspfleger gegeben werden.<br />
J Bei Eintritt in Stufe 4: Verdeutlichung der<br />
Folgen kindesschädlichen Verhaltens aus<br />
sozialwissenschaftlicher wie aus strafrechtlicher<br />
Sicht (§ 171 StGB u. a.).<br />
J Benennung geeigneter Sachverständiger<br />
sowie Anregung zielführender, nach Möglichkeit<br />
lösungsorientierter Auftragsformen.