Gedenkstättenführer - Landeszentrale für politische Bildung ...
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len, heißt, beide <strong>politische</strong>n Systeme mit ihren spezifischen Ausprägungen<br />
ernst zu nehmen: „Die NS-Verbrechen dürfen nicht durch die Auseinandersetzung<br />
mit dem Unrecht der Nachkriegszeit relativiert, die Nachkriegsverbrechen<br />
aber auch nicht mit dem Hinweis auf die ungleich<br />
größeren Verbrechen des Nationalsozialismus bagatellisiert werden.“ 5<br />
Mit wachsendem zeitlichen Abstand zu den Ereignissen wird die Zahl der<br />
Menschen jedoch immer geringer, die auf lebensgeschichtliche Bezüge<br />
zur Verfolgungsgeschichte verweisen können. Die Nachgeborenen können<br />
nur über kognitive Prozesse der Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen<br />
eine Empathie mit den Opfern entwickeln. Da<strong>für</strong> leistet der<br />
Gedenkstättenbesuch einen wichtigen Beitrag, wenn genügend Zeit und<br />
Raum zum Nachdenken, zum Kennenlernen von Einzelschicksalen, aber<br />
auch zum In-Sich-Gehen und zum Nachspüren von Gefühlen zur Verfügung<br />
stehen. Die Auseinandersetzung mit den TäterInnen, den Verantwortlichen<br />
<strong>für</strong> die Verbrechen hat in den letzten Jahren zurecht an Bedeutung<br />
gewonnen. Damit verbinden sich unbequeme Fragen nach den<br />
Mechanismen totalitärer Herrschaft, ihren Voraussetzungen und Folgen.<br />
Welche Handlungsspielräume existierten und wie wurden sie genutzt?<br />
Die BesucherInnen der Gedenkstätten sind gezwungen, sich mit den Verhaltensweisen<br />
der deutschen Mehrheitsbevölkerung und ihren Verstrikkungen<br />
mit der jeweiligen Diktatur auseinander zu setzen. Verbrechen fielen<br />
nicht vom Himmel, sondern waren das Ergebnis des Handelns von<br />
Menschen unter konkreten historischen Umständen. 6<br />
Gedenkstätten sind aber nicht nur Geschichtsorte, sondern zugleich auch<br />
Mahnungen an die Gegenwart, eine Wiederholung der Verbrechen nicht<br />
zuzulassen. Die GedenkstättenbesucherInnen sind aufgefordert, vor diesem<br />
historischen Hintergrund einen Gegenwartsbezug herzustellen, über<br />
die Maßstäbe <strong>für</strong> ihr eigenes Handeln nachzudenken. Die Verbrechen bilden<br />
einen Negativhorizont, den wir bewusst halten müssen, wollen wir nicht<br />
erneut die Gefährdungen <strong>für</strong> Demokratie und Menschenrechte ignorieren.<br />
7<br />
5 Faulenbach, Bernd, Gedenkstätten als Orte<br />
der Auseinandersetzung mit totalitären Erfahrungen,<br />
in: Erinnern, Aufarbeiten, Gedenken.<br />
7. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-<br />
Stiftung 17. und 18. Mai 1996, Leipzig 1996,<br />
S. 128.<br />
6 Vgl. Jelitzki, Jana/Wetzel, Mirko, Über Täter<br />
und Täterinnen sprechen. Nationalsozialistische<br />
Täterschaft in der pädagogischen Arbeit<br />
von KZ-Gedenkstätten, Berlin 2010.