E_1929_Zeitung_Nr.070
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70 — <strong>1929</strong> ÄUTOMÖBTL-PEVUE<br />
Sechs Klausenrennen<br />
Sechs Erfolge.<br />
Erster «Nationaler Klausen»: 26.August 1922.<br />
Im Jahre 1922 erhielt die Sektion Zürich<br />
des A. C. S. zum ersten Mai die Erlaubnis<br />
der Behörden zur Veranstaltung eines Bergrennens<br />
am Klausenpas?. Dieses Unternehmen,<br />
das auch heute noch ein grosses Risiko<br />
bedeutet, war damals ein Wagnis kühner<br />
Art Der erste Klausen — die Uraufführung<br />
einer rennsportlichen Erfolgsreihe — hat auch<br />
die optimistischsten Erwartunigen übertroffen.<br />
Nicht weniger als 66 Einschreibungen<br />
konnten die Organisatoren registrieren (53<br />
Touren- und 14 Rennfahrzeuge); 56 von den<br />
Gemeldeten erschienen am Start. Die beste<br />
Zeit des Tages erzielte Nieth (Basel) auf<br />
Hispano mit 21 Minuten 43 Sekunden (Stundenmittel<br />
56,7 km). Ihm gebührt also die flhre<br />
des ersten Klausen-Rekords. Bei den Tourenwagen<br />
lag Muhl (Zürich) auf Benz in<br />
Front.<br />
So bescheiden uns auch heute dieser Auftakt<br />
anmutet — so fundierte er doch den Ruf<br />
des Klausens.<br />
29. Juli 1923: Erster internationaler Klausen!<br />
War der erste Klausen eine ausschliesslich<br />
schweizerische Veranstaltung gewesen,<br />
so wurde er schon im folgenden Jahre zu einem<br />
internationalen Rennen erhoben. • Auch<br />
in diesem erweiterten Rahmen übertraf er<br />
die auf ihn gesetzten Hoffnungen, und erbrachte<br />
den Beweis dafür, dass ein grossangelegtes<br />
Bergrennen einem dringenden Bedürfnis<br />
entsprach. Die Zahl der Einschreibungen<br />
schnellte auf 86 empor. Unter ihnen figurierten<br />
Grossen von internationalem Ruf:<br />
der Italiener Masetti, der Oesterreicher Rütz-<br />
•ler, der Franzose Bourlier, der Deutsche<br />
Jörnes, der Ungar Delmar usw. Bei den Wagen<br />
wurden nunmehr die Kategorien Touren-,<br />
Sport- und Rennwagen unterschieden.<br />
Diese Neuerung, bei der man die Tourenzahl<br />
,. der Motoren als Basis nahm, erwies sich als<br />
"'ausgezeichnet, machte rasch Schule und fand<br />
schliesslich auch Eingang in das allgemeine<br />
Sportreglement der A. I. A. C. R.<br />
Doch zum Rennen selbst: Rützler aufSteyr,<br />
einer der bedeutendsten österreichischen<br />
Fahrer, war der Held des Tages. Um mehr<br />
als eine Minute schlug er den von Nieth aufgestellten<br />
Rekord, indem er die Strecke in<br />
20 Min. 24,4 Sek., d. h. mit einem Stundenmittel<br />
von 63,2 km erledigte. Im übrigen<br />
wurde der Rekord des Jahres 1922 im Üaufe<br />
des Rennens noch dreimal unterboten. Das<br />
internationale Element vermochte die Spannung<br />
erheblich zu steigern.<br />
Noch einen anderen Rekord hatte dieser<br />
Klausen 1923 zu verzeichnen, die Zuschauermenge,<br />
die er herbeigelockt hatte: 30,000<br />
Zuschauer, 2000 Automobile und 600 Motorräder!<br />
Auch ein Beweis für die eminente<br />
Entwicklung des schweizerischen Automobilismus!<br />
Um die Veranstaltung in weitestem Sinne<br />
zu unterstützen und deren internationalen<br />
iRuf zu betonen, wurde der Klausen des Jahres<br />
1924 zur offiziellen Veranstaltung des gesamten<br />
A. C. S. gestempelt und als<br />
einziges internationales Bergrennen 1924<br />
der Schweiz proklamiert. Mit der eigentlichen<br />
Durchführung wurden jedoch die Sektionen<br />
Glarus und Uri, vor allem aber wiederum<br />
Zürich betraut. Der Streckendienst<br />
war erheblich verstärkt worden, Boschhörner<br />
als Warnsignale aufgestellt — kurz, die<br />
Organisation klappte mustergültig. Die beträchtliche<br />
Teilnehmerzahl bedingte die Verteilung<br />
des Rennens auf Samstag und Sonntag.<br />
Der erste Renntag stand im Zeichen eines<br />
abscheulichen Sudelwetters, unter dem natürlich<br />
auch die Veranstaltung litt<br />
Vorzügliche Leistungen und brillante Zeiten<br />
waren nichtsdestoweniger an der Tagesordnung.<br />
Wir nennen u. a. nur: Colas auf<br />
Cottin - Desgoutte's (Rekord der Tourenwagen),<br />
Himmelbach auf Adler, Dufour, Präsident<br />
des A. C. S., auf Hispano-Suiza, Kessler<br />
auf Spa, und vor allem die Mercedesfahrer<br />
Caracciola, Rosenberger, Merz usw., die mit<br />
ihren Mercedes - Kompressorenwagen das<br />
Feld beherrschten. Merz, der Führer der<br />
Mercedes-Equipe, landete denn auch mit<br />
18*48,6" und einem Stundenmittel von 68,7<br />
Kilometern die beste Zeit des Tages und<br />
stellte einen neuen Klausenrekord auf.<br />
22723. August 1925:<br />
Internationaler Auto- und Motorrad-<br />
Bergpreis!<br />
Wieder ein bedeutender Schritt: Die U.<br />
M. S. versprach ihre Mitwirkung; zum ersten<br />
Mal wurden auch Motorräder und Sidecars<br />
zugelassen ! Die Nennungen stellten die<br />
kühnsten Erwartungen in den Schatten. 46<br />
(Motorräder, 4 Sidecars, 45 Tourenwagen, 28<br />
Sportwagen und 11 Rennwagen, insgesamt<br />
Klausen - Trophäen<br />
Oben links: Grosser Bergpreis der Schweiz plus Fr. 2000.— in bar.<br />
Oben rechts: Beste Zeit der Sidecars.<br />
Unten links: Preis Adolf Saurer A.-G., für den 1. Preis einer Rennwagenklasse.<br />
Unten rechts: Preis Grands Magasins Jelmoli S. A., für 1. Preis einer Rennwagenklasse.<br />
134 Konkurrenten, darunter die prominentesten<br />
Vertreter des internationalen Motorsportes,<br />
stellten sich dem Starter.<br />
Die Zahl der Zuschauer übertraf mit 13 000<br />
(1100 Autos und 500 Motorräder) diejenige<br />
des Vorjahres bedeutend, kam aber bei weitem<br />
nicht an die Zahl von 1923 heran, was<br />
in Anbetracht des schlechten Wetters am<br />
Vortage des Rennens nur begreiflich war.<br />
Die Organisation stand wiederum im Zeichen<br />
der Vervollkommnung.<br />
Regen, Nebel und Wind fegten durch das<br />
Tal, als sich am Samstag Rigal mit seinem<br />
„Graf Zeppelin" brachte die erste Sendung Firestone<br />
Gum Dipped Reifenvon seiner letzten Amerikareise nach<br />
Europa mit. In der Rekordzeit von nur 4 Tagen hat<br />
Firestone eine dringende Order seines Kunden, der bekannten<br />
Lastwagenfabrik Saurer A.-G., Arbon, ausgeführt.<br />
Firestone hat als erste Reifenfabrik den Luftweg<br />
und das modernste allerTransportmittel zum Versand<br />
von Autoreifen über den Atlantic benützt.<br />
(Fortsetzung siehe Seite 5)<br />
Ein Schnelligkeitsrekord Firestone's im Kunden-Service<br />
Alpenfahrt-Kommentare.<br />
Eigentlich ist vor dem Klausenrennen nichff<br />
Zeit dazu. Aber wir haben die Schlussmeldun-*<br />
gen in der letzten Nummer derart Hals über«<br />
Kopf in die <strong>Zeitung</strong> werfen müssen, dass es<br />
geboten scheint, noch kurz, quasi im Renn-«<br />
tempo, auf die grosse internationale Veran-"<br />
staltung, die mit der Klassierung und den<br />
unvermeidlichen Festlichkeiten in Villa d'Este<br />
ihren Abschluss fand, zurückzukommen. Wir<br />
wollen dabei uns nicht mehr mit Einzelheiten ,<br />
belasten, noch weniger mit Wiederholung..<br />
Unserm Schlusswort in Nr. 69 ist nichts mehw<br />
beizufügen : eine Limitierung der Höchstge*<br />
schwindigkeit bleibt die grosse Lehre der<br />
diesjährigen Fahrt und gleichzeitig der springende<br />
Punkt für die Ausarbeitung des nächstjährigen<br />
Reglementes.<br />
Ganz so schwarz wie man es aus den sich'<br />
Schlag auf Schlag folgenden Telegrammen,<br />
entnehmen musste, ist das Resultat bei nachträglicher<br />
Betrachtung nun doch nicht. SO*<br />
Wagen sind gestartet und 53, also beinahe«<br />
zwei Drittel, erreichten die Endetappe. Letztes<br />
Jahr waren es 85 Gestartete, wovon nur<br />
31 einen ersten Platz belegten, während ea<br />
dieses Jahr mit fünf Konkurrenten weniger 42"<br />
Siegende sind. Die grössten Verluste haben<br />
die Equipen erhalten. Das vorsichtige Tempo,<br />
mit andern Worten die Vernunft, haben der;<br />
B. M. W.-Mannschaft zu einem Erfolge ver*<br />
holfen, der zahlreichen andern Teams ebenso'<br />
sicher gewesen wäre, wenn man sich mehc<br />
an das geforderte Durchschnittstempo gehal-*<br />
ten hätte. Dem Hansa-Team ist der Alpen-*<br />
pokal, trotz der gemeldeten einmaligen Verspätung<br />
eines Fahrers, aus dem Grunde zuerkannt<br />
worden, weil es als einzige Equipe der*<br />
ersten Wertungsgruppe einkam. Deutschland!<br />
hat 19 von den 36 Alpenbechern gewonnen;!<br />
es beteiligte sich aber auch mit 56 % an den<br />
Fahrt. Gar nicht schlecht haben übrigens auch;<br />
die Italiener abgeschnitten, zwei Drittel den<br />
gestarteten Wagen errangen sich die höchst©<br />
Auszeichnung. Ueber die Wagen, die in Bestzeit<br />
eingekommen sind, orientiert die bereits<br />
erschienene Resultatliste. Wir können uns der<br />
Superlative enthalten. Wer die 2700 Kilometer<br />
lange Fahrt bei schärfster Konkurrenz<br />
über eine Passpyramide von total 25 000<br />
Metern überwunden hat, braucht keiner besseren<br />
Reklame.<br />
Eine verhängnisvolle Rolle spielten die m dem<br />
Sonderprüfungen gefahrenen Zeiten am Jaufen und<br />
am Pordoijoch. Selbst Fahrer wie Caracciola, Merz,<br />
Pastore etc., konnten hier überraschenderweise das<br />
geforderte Minimum nicht herausholen. Die Sportkommissare<br />
der beteiligten Länder sinJ'unter Zugnindlegung<br />
des massgebenden französischen. Textes<br />
der Ausschreibung einstimmig zu dem Beschluss<br />
gekommen, dass für die Wertung das Mittel<br />
aus beiden obigen Fahrten gültig sei. Wer also<br />
auf dem Jaufen schneller--als verlangt gefahren<br />
war, erhielt das- Plus auf seine Fahrt auf den«<br />
Pordoijoch angerechnet. Ergab die aus der Addition<br />
beider Fahrzeiten erhaltene Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
mehr als den verlangten Durchschnitt,<br />
so wurde doch nicht mehr als der letztere in Rechnung<br />
gestellt.<br />
Ein Protest!<br />
Mit diesem Entscheid waren aber viele Fahrer,,<br />
besonders die Italiener, die in beiden Läufen dia<br />
geforderte Geschwindigkeit erzielt hatten, nicht<br />
einverstanden. Sie legten den die Wertung behandelnden<br />
Artikel Nr. 10 der Ausschreibung so<br />
aus, dass nicht der aus der Addition der Zeiten<br />
beider Läufe erhaltene Durchschnitt nur bis zur<br />
festgesetzten Höhe anzurechnen sei, sondern das»<br />
diese Berechnung schon bei jedem einzelnen Lauf<br />
zu erfolgen habe. Wer also am Pordoi nicht seine<br />
Musszeit erreicht hatte, hatte verspielt, mochte ee<br />
auch noch so viel schneller auf dem Jaufen gewesen<br />
sein. Es ist von Italien Protest gegen die Wertung<br />
eingelegt worden. Der Protest wurde von den<br />
Sportkommissaren abgelehnt.<br />
Wir haben hier ein Beispiel dafür, dass eine<br />
Ausschreibung nie präzise genug abgefasst sei»<br />
kann. Es überrascht, dass diese so gut durchgearbeiteten<br />
Bestimmungen der internationalen Alpenfahrt<br />
doch noch verschiedene Auslegungen zulassen.<br />
Uebrigens war auch die deutsche Fahrtleitung<br />
der gleichen Auffassung wie die Italiener^<br />
Das letzte Wort in dieser Angelegenheit dürfte<br />
woh] die Association in Paris zu sprechen haben<br />
Dieser kurze Rückblick sei nicht geschlossen,<br />
ohne ganz besonders auf die<br />
t<br />
glänzende Bewährung unserer Schweizer<br />
hinzuweisen, eine Bewährung, die viel zu wenig<br />
gewürdigt worden ist. Da ist in allererster<br />
Linie die famose Fordequipe zu nennen, die,<br />
wenn auch in letzter Stunde durch einen<br />
schmerzlichen Zufallstreich — anders kann<br />
man das Pech, das Willy an jener unübersichtlichen<br />
Stelle in Domodossola erreichte<br />
(und nicht an einer übersichtlichen, wie der<br />
Druckfehlerteufel in der letzten Nummer zu<br />
melden hatte!) nicht bezeichnen — um den<br />
Sieg gebracht wurde, dennoch in der Geschichte<br />
der Alpenfahrt <strong>1929</strong> als eine der<br />
hervorragendsten Equipen zu werten ist. Fünf<br />
Schweizer sind insgesamt in München gestartet<br />
: Willy, Messerli und Reguzzi, die Fordmannschaft,<br />
Rüedi auf Lancia als Einzelfahrer<br />
und schliesslich Duttlinger als Mannschaftsfahrer<br />
in der Röhrequipe. Einzig<br />
Willy ist hundert Kilometer vor dem Ziel<br />
ausgeschieden. Vier haben sie beendet: drei,<br />
nämlich Messerli, Reguzzi und Rüedi erhielten<br />
den Alpenbecher, Duttlinger die goldene<br />
Erinnerungmedaille. Das ist, gemessen am<br />
Ausfall der übrigen, ein Erfolg, der genannt<br />
werden muss-