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Stadt und Bezirk Imst im März 1938<br />
Adolf Hitler-Ehrenbürger von Imst – NS-Hochburg schon in den frühen 1930er Jahren<br />
Der Historiker Horst Schreiber hat sich als Herausgeber des<br />
Buches „Der Anschluss in den Bezirken“ an Astrid Schuchter und<br />
Rainer Hofmann als Mitautoren gewendet, um eine detaillierte<br />
Recherche über die Ereignisse und eine fachkundige Darstellung<br />
der Hintergründe in Bezirk und Stadt Imst im Frühjahr 1938<br />
durchführen zu lassen. Die beiden Imster Historiker bereicherten<br />
den Band von Seite 91 bis Seite 125 mit dem Kapitel „,Freikarte<br />
nach Dachau‘ – Naziterror in Imst 1938“ durch ihre spezifisch<br />
Imst bezogene Darstellung der Vorkommnisse.<br />
Von Peter Bundschuh<br />
Erfreulicherweise musste das<br />
„Ballhausteam“ rund um Sabine<br />
Schuchter die allerletzten Notsessel<br />
ausgeben, um zumindest dem Großteil<br />
der Gäste noch ein Sitzplatzl<br />
anbieten zu können. Die höchst<br />
interessierte Zuhörerschaft erfuhr<br />
allerdings ein Geschichtsbild der<br />
Bezirkshauptstadt aus nicht allzu<br />
ferner Vergangenheit, das man sich<br />
nicht besonders gerne ansah. Imst<br />
als eine besonders rachsüchtige „Nazi-Hochburg“<br />
im Anschlusstaumel?<br />
Ja, den Fakten folgend zweifelsohne<br />
schon. Dem Werk in seiner Gesamtheit<br />
bzw. dem „Imst-Teil“ mit<br />
dem Titel „,Freikarte nach Dachau‘<br />
– Naziterror in Imst 1938“ in einem<br />
Zeitungsartikel gerecht zu werden,<br />
ist nicht möglich, der Verfasser hat<br />
sich zumindest um einen Überblick<br />
bemüht.<br />
DIE GLIEDERUNG. Die<br />
1930er Jahre: Armut und Radikalisierung:<br />
Arbeiten für die Hundesteuer.<br />
Adolf Hitler: Ehrenbürger von Imst.<br />
„Nazigulasch“ und „Heimwehrknochen“.<br />
Die Machtergreifung in Imst:<br />
Der Einmarsch. Die Bestellung der<br />
Bürgermeister. Wiedergutmachung<br />
für Nationalsozialisten. „Ihr werdet<br />
schon sehen, was am Freitag los ist!“<br />
Verhaftungen und Erpressungen.<br />
Propaganda und Volksabstimmung.<br />
Terror: Die Schreckensnacht. Denunziantentum<br />
als Bürgerpflicht.<br />
Postenkommandant Revierinspektor Franz N. mit Tafeln.<br />
G., Zimmermann Johann G., Revierinspektor<br />
Postenkommandant<br />
Franz N., Straßenwärter Johann A.,<br />
Rechtsanwalt Max CH. und Kaufmann<br />
Karl N. wurden Opfer einer<br />
brutalen, vermutlich von der SA<br />
und der SS geplanten, Racheaktion<br />
pogromähnlichen Charakters. Die<br />
gesamte Aktion war wohl vorbereitet<br />
und bestens organisiert, die<br />
meisten Opfer verdächtigten Egon<br />
M., Mitglied der Österreichischen<br />
Legion, die hauptsächlich aus SA<br />
Männern bestand, und seine Fa-<br />
RS-Repro: Bundschuh<br />
milie als treibende Kraft…“ (Der<br />
Anschluss in den Bezirken Tirols,<br />
S. 114 f). Im Buch folgt eine detaillierte<br />
Darstellung der eklatant<br />
erniedrigenden und mit Körperverletzungen<br />
einhergehenden Misshandlungen<br />
auf offener Straße. Ein<br />
wiederholtes Fehlverhalten und Verspottungen<br />
durch Amtsträger des<br />
(späteren) Ständestaates gegenüber<br />
meist bittstellenden Personen mit<br />
nationalsozialistischer Gesinnung,<br />
auch zu Zeiten einer legalen Österreichischen<br />
NS-Partei ist bekannt,<br />
Herausgeber Horst Schreiber und zehn<br />
Mitautoren behandeln die Anschluss-<br />
Vorkommnisse aus einer jeweilig Bezirks-Nahperspektive,<br />
wie sie von Zeitgeschichtlern<br />
in dieser konsequenten<br />
Form bislang noch nicht gewählt wurde.<br />
Ein Standardwerk zum Anschlussgeschehen<br />
in den Tiroler Bezirken liegt<br />
somit vor.<br />
<strong>IM</strong>STER WUTGESELL-<br />
SCHAFT. Als „unliebsame Ausschreitungen“<br />
verniedlichte das<br />
Gendarmeriekommando Imst den<br />
Terror der Nacht vom 26. auf den 27.<br />
April 1938. Bemerkenswert ist auch<br />
der späte Zeitpunkt (Ende April) der<br />
Terroraktion, nachdem weitgehend<br />
wieder „Pseudonormalität“ in den<br />
Alltag Einzug gehalten hatte. „Acht<br />
Imster Bürger, Amtsdiener Hermann<br />
G., Steueramtsdirektor Hans G.,<br />
Steueraufsichtsoberinspektor Josef<br />
Die beiden Imster Historiker Astrid Schuchter und Rainer Hofmann bereicherten<br />
den Band von Seite 91 bis Seite 125 mit dem Kapitel „,Freikarte nach Dachau‘<br />
– Naziterror in Imst 1938“ durch ihre spezifisch Imst bezogene Darstellung der<br />
Vorkommnisse. Rainer Hofmann, Astrid Schuchter, Stadtrat Christoph Stillebacher<br />
und Herausgeber Horst Schreiber (v.l.).<br />
RS-Fotos: Bundschuh<br />
RUNDSCHAU Seite 52 11./12. April 2018