jahresbericht annual report - Staatliche Hochschule für Gestaltung ...
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M K<br />
Prof. esser, elger<br />
T + 49.721.8203.2347<br />
F + 49.721.8203.2334<br />
esser@hfg-karlsruhe.de<br />
http://fotografie.<br />
hfg-karlsruhe.de<br />
134<br />
K Ü N STLE RI S C H E<br />
FOTO G RAFI E<br />
P R O F. E L G E R E S S E R<br />
eS iSt immer daS erSte mal<br />
In der Sommerfrische am Lago di Garda weilend,<br />
sollte Venedig der krönende Abschluss<br />
des Italienaufenthaltes <strong>für</strong> die deutsche Verwandtschaft<br />
werden. Ich muss etwa zehn Jahre<br />
jung gewesen sein. Doch am Tage zuvor war<br />
ich beim Bau eines Baumhauses, welches<br />
knapp oberhalb der Villa in den Olivenhainen<br />
von Limone, entstehen sollte, tief gestürzt. Eine<br />
Steinbodenplatte hatte sich beim raschen hinabsteigen,<br />
mein Vater meinte später aus selbst<br />
verschuldeter Hast, auf der Suche nach Kordel,<br />
gelöst und ich war den Hang zur Terrasse<br />
auf direktem Wege hinab gefallen und mit<br />
dem Kopf zuerst aufgekommen. Es wurde mir<br />
schwarz vor Augen und erst die kühlen Hände<br />
und warmen Worte meiner Großmutter holten<br />
mich aus diesem Zustand ins Leben zurück.<br />
Der Arzt musste kommen und es wurde eine<br />
Gehirnerschütterung diagnostiziert. Mir wurde<br />
schlecht. Der Schädel brummte. Die Villa wurde<br />
zum Lazarett.<br />
Der Ausflug in das verklärte und ersehnte Venedig<br />
mit einem Schlage dahin. Meine Großmutter<br />
blieb aus Sorge um den geliebten Enkel<br />
ebenfalls von der Reise in die Lagunenstadt<br />
fern. Sie ist übrigens nie wieder nach Italien<br />
gereist und somit nie in ihrem Leben nach Venedig<br />
gekommen. Allein mein Onkel mit seiner<br />
Familie ließ sich nicht von dem Vorhaben<br />
abbringen und so blieben mein Vater, seine<br />
Freundin und meine Großmutter mit mir zurück.<br />
Der Arzt ein zweites Mal zu Rate gezogen,<br />
bestätigte die Unmöglichkeit eines Transportes<br />
meinerseits, so dass schwierige Verhandlungen<br />
mit dem Eigentümer stattfanden, um im<br />
Hause länger bleiben zu können. Diese wurden<br />
am Fußende meines Bettes geführt da ich<br />
als einziger des Italienischen mächtig und zugleich<br />
das schlagende Argument war. Von meinem<br />
weißen Turban, der meinen Kopf zierte, erweicht,<br />
gab der Besitzer den Besetzern schließlich<br />
nach und so konnten wir noch eine Woche<br />
länger meiner Heilung entgegensehen.<br />
Ich erinnere mich an Unmengen Wassermelone<br />
die ich verspeiste und dass ich Schiffe versenken,<br />
Mühle und Schach erlernte, und schöne<br />
Geschichten vorgelesen bekam. Zwar hatte<br />
ich die Großmutter um den Anblick des Markusplatzes<br />
gebracht, jedoch auch die Ferien<br />
auf ungewöhnliche Weise verlängert. Der Beginn<br />
einer schicksalhaften Ambivalenz.<br />
In der weiteren Zeit bestand mein Venedig<br />
hauptsächlich daraus, dass ich meine Koffer<br />
packen musste, aber nicht um dorthin zu reisen,<br />
sondern um mich bei Freunden einzuquartieren,<br />
da meine Mutter beruflich aus Rom nach<br />
Venedig musste. Sie war immer schrecklich<br />
aufgeregt, was mein Bild von der Stadt zusätzlich<br />
verklärte, und sie musste »an ganz viele<br />
Dinge« denken und »ja nichts vergessen«, so<br />
dass ich dann meistens eine Woche mit dem<br />
gleichen paar Socken leben oder mir sämtliche<br />
Schulbücher von anderen ausleihen musste.<br />
Sie kam mit einem sonderbaren Glas zurück,<br />
einer Halbkugel mit bunten Einschlüssen, »aus<br />
Murano« hieß es bedeutungsvoll, was mich<br />
animierte eine kleine Sammlung anzulegen.<br />
ARTI stic<br />
P H OTO G RAPHy<br />
P R O F. E L G E R E S S E R<br />
it iS alwayS tHe firSt time<br />
Venice was supposed to be the highpoint of the summer holidays at Lake Garda for the German<br />
relatives. I must have been about ten years young. However, I’d taken a heavy fall the day before<br />
while building a tree house right above the villa in the olive groves of Limone. A stone floor<br />
slab had become loose when I tried to climb down quickly to look for some rope – my father<br />
later said it was my own fault for rushing – and I fell directly down the slope to the terrace and<br />
hit head-first. Everything went black, and only the cooling hands and warm words of my grandmother<br />
took me out of this state and back into life. The doctor had to come, and diagnosed a concussion.<br />
I felt sick. My head was spinning. The villa became a sickbay.<br />
The excursion into the romanticized and longed-for Venice was done away in one blow. Out of<br />
concern for her beloved grandchild, my grandmother also abstained from the trip into the city<br />
on the lagoon. She, by the way, never traveled to Italy again, and thus never in her life made it<br />
to Venice. Only my uncle and his family would not forego the trip, leaving my father, his girlfriend,<br />
and my grandmother behind with me. The doctor was asked for advice a second time,<br />
and confirmed that it was impossible to move me – leading to difficult negotiations with the<br />
owner of the villa to prolong our stay. The negotiations were conducted at the foot of my bed,<br />
since I was simultaneously the only one good at Italian in addition to being the strongest argument.<br />
The landlord was mollified by the white turban decorating my head, and finally gave in<br />
to the “squatters”, allowing us to extend my recovery a week longer.<br />
I remember that I ate loads of watermelons and that I learned to play Battleship, Nine Men’s<br />
Morris, and chess, and that I was read beautiful stories. I may have deprived my grandmother<br />
of the view of St. Mark’s Square, but in an unusual way, I had also extended the vacation. This<br />
marked the beginning of a fateful ambivalence.<br />
Later, my Venice mainly consisted of me having to pack my bags – not to travel there, but to stay<br />
with friends, since my mother’s work sent her from Rome to Venice. She was always terribly excited<br />
(which only further romanticized my image of the city) and had to remember “loads of stuff”<br />
and “just not forget anything”, so that I ended up making do with the same pair of socks for the<br />
week or having to borrow all my textbooks from others. She came back with a strange glass, a<br />
hemisphere with colorful enclosures, from “Murano”, I was told meaningfully, which motivated<br />
me to start a small collection. She always talked about taxis driving on the water and of magnificent<br />
palaces. When she showed me pictures, while I just sat there in the dark of her lab like part<br />
of the furniture, they only showed badly-dressed people at a conference, which only fueled my<br />
curiosity.<br />
M A<br />
Prof. esser, elger<br />
T + 49.721.8203.2347<br />
F + 49.721.8203.2334<br />
esser@hfg-karlsruhe.de<br />
http://fotografie.<br />
hfg-karlsruhe.de<br />
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