Jahrbuch 2006/2007, Teil 1 - Westdeutsches Tumorzentrum Essen
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Krankheitsprävention in der Kinderkardiologie<br />
Prof. Dr. A. A. Schmaltz<br />
Klinik für Pädiatrische Kardiologie<br />
Angeborene Herzfehler sind mit 7 auf 1000 Lebendgeborene die häufigsten angeborenen<br />
Fehlbildungen. Dagegen sind derzeit keine präventiven Ansätze bekannt.<br />
Angeborene Herzfehler haben prä- und postoperativ ein erhöhtes Risiko für eine infektiöse<br />
Endokarditis, d. h. eine bakterielle Infektion endokardialer Strukturen, insbesondere der<br />
Herzklappen, von Shuntverbindungen und intrakardialem Fremdmaterial. Hauptursache<br />
sind Endokardläsionen durch turbulente Strömungen.<br />
Die Inzidenz der infektiösen Endokarditis im Kindesalter beträgt 0,34 auf 100.000 Patientenjahre,<br />
90 % betreffen Kinder mit vorbestehendem angeborenen Herzfehler, 40 % treten<br />
postoperativ auf. Als Erreger kommen in 46 % Streptokokken, in 15 % Staphylokokken und<br />
in 12 % gram-negative Keime in Betracht. Leitsymptome sind anhaltendes, oft rekurrierendes<br />
Fieber und ein neu aufgetretenes Herzgeräusch. Doch kann die Diagnose oft sehr<br />
schwierig sein und nur mit Score-Sytemen (z. B. Duke-Kriterien) gelingen. Eine adäquate,<br />
langdauernde, Erreger-spezifische Therapie ist zur Verhütung irreparabler Klappenläsionen<br />
von entscheidender Bedeutung.<br />
Als Sekundärprävention gilt bei Risikopatienten die antibiotische Prophylaxe vor Eingriffen,<br />
die zu einer Bakteriämie führen können: zahn- und HNO-ärztlche Eingriffe diagnostischer<br />
oder therapeutischer Art, instrumentelle Eingriffe am Verdauungstrakt oder den<br />
Harnwegen und Inzisionen der Haut (Tonsillektomie, Adenotomie, Bronchoskopie,<br />
Appendektomie, Zystoskopie, Harnröhrenkatheterisierung bei vorliegender Infektion).<br />
Virale Infekte oder eine Herniotomie stellen keine Indikation dar. Diese Prophylaxe wird bei<br />
den meisten angeborenen oder erworbenen Herzfehlern empfohlen. Ausgenommen sind der<br />
Vorhofseptumdefekt, der Mitralklappenprolaps ohne Regurgitation, Herzschrittmacher und<br />
Zustände nach residuenfreier Korrekturoperation. Ein besonders hohes Endokarditisrisiko<br />
findet sich nach Kommissurotomie einer Aortenstenose, Klappenersatz, Conduits, nach<br />
Shuntanlage und nach durchgemachter Endokarditis. Zur Antibiotikawahl und Dosis siehe<br />
S 2-Leilinie der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie.<br />
Während es sich bei der Endokarditisprophylaxe um eine kurzdauernde Expositionsprophylaxe<br />
handelt, wird nach durchgemachtem akutem Rheumatischen Fieber eine<br />
langjährige Dauerprophylaxe empfohlen. Hierbei handelt es sich um eine immunologische<br />
Folgeerkrankung nach Infektion mit �-hämolysierenden Streptokokken (Gruppe A,<br />
Serotyp M), die in 20 % zu einer diffusen Entzündung bindegewebiger kardialer Strukturen<br />
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