Jahrbuch 2006/2007, Teil 1 - Westdeutsches Tumorzentrum Essen
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die verlorene Beziehung rückbesinnen und vor allem wird von ihr verlangt, die Bindung<br />
nun endgültig preiszugeben. Erst wenn sich die Welt der Trauernden neu ordnet – ohne die<br />
verlorene Bindung zu vergessen – und neue emotionale Energie investiert wird, hat sich die<br />
trauernde Person angepasst.<br />
Bewältigung des Todes: Wenn es um das Lebensende geht, zeigt sich der Tabu-Charakter<br />
des Themas. Mit der verbreiteten Coping-Strategie der Vermeidung werden Tod, Sterben und<br />
Sterbende aus der Öffentlichkeit gedrängt oder werden in das „Kachelzimmer“ verbannt.<br />
Die Strategie einer Versachlichung spielt in der Medizin eine große und charakteristische<br />
Rolle: Das Denken über den Tod wird in rationale wissenschaftliche Bahnen gelenkt; diese<br />
Perspektive lässt die affektive Seite vermissen. Am deutlichsten wird die Versachlichung in<br />
der Anatomie. Soziale Sicherungssysteme, Versicherungsangebote können den Tod nicht<br />
hindern. Die Identifikation mit dem Tode entspricht unserem Kulturverständnis weniger.<br />
Die Tatsache des letztendlichen Scheiterns der Medizin und die Einwilligung in das Sterben<br />
geben uns Denkanstöße für die Bewältigung im Rahmen etwa der Sterbebegleitung. Wir<br />
könnten uns so auf den Tod als einen <strong>Teil</strong> unseres Lebens einlassen.<br />
Kindlicher Todesbegriff: Das Kleinkind erlebt in der Trennung von den Eltern einen symbolischen<br />
Tod. Bevor es den Zeitbegriff erwirbt, ist es nicht in der Lage, Tod und Trennung<br />
zu unterscheiden. Später sieht das Kind den Tod als reversibel an und glaubt: „die Toten<br />
schlafen nur“ oder „die Sarginsassen können wieder herauskriechen“. Später wird der Tod<br />
personifiziert, z. B. als Sensenmann wahrgenommen. Schulkinder sehen die Gefahr im Tode<br />
und sehen ihn wie Krankheit als Strafe (Habermas, Rosemeier 1990). Jugendliche dagegen<br />
verstehen es, den eigenen Tod zu instrumentalisieren in Form des appellatorischen<br />
Suizides. Junge Menschen vermögen es, sich zu opfern für eine ehrenvolle Pflicht, indem<br />
sie in den Krieg ziehen um zu sterben.<br />
Kognitive Todeskonzepte: Potthoff hat in unseren Berliner Studien vier Todesbegriffe<br />
ermittelt.<br />
Lebensende: Der Tod wird hier nachhaltig rational betrachtet als „das Ende des Lebens und<br />
sonst nichts“. Der Tod steht hier im Gegensatz zum Leben und „ist der Moment des<br />
Funktionsverlustes des Organismus“. „Er ist das Ende des seelischen Erlebens“. Diese<br />
Todesauffassung wird in gebildeten Schichten bevorzugt angetroffen.<br />
Schicksal: In resignativer Tönung ist der Tod für andere „eine fremde, schicksalhafte<br />
Macht“, die als unabwendbar gilt. In dieser Todesauffassung kommt dem Menschen eine<br />
prädisponierte Bestimmung zu. In der magischen Auffassung dieser emotionalen<br />
Todeskategorie wird seine „Unheimlichkeit“ betont. Der Mensch ist in seinem Scheitern<br />
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