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Berliner Zeitung 27.04.2019

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12 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 97 · 2 7./28. April 2019<br />

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Berlin<br />

Showdown im Streit um die S-Bahn<br />

Eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft steht bevor.Doch weiterhin gibt es in der Koalition Streit darum, ob die DB einen Teil des Verkehrs abgeben soll<br />

VonPeter Neumann<br />

Es wird spannend im Streit<br />

um die Zukunft der S-<br />

Bahn. In knapp drei Wochen<br />

soll der Lenkungskreis,<br />

indem die Länder Berlin und<br />

Brandenburgsowie der Verkehrsverbund<br />

VBB vertreten sind, eine wichtige<br />

Entscheidung fällen. Gut möglich,<br />

dass sich vorher auch der Koalitionsausschuss<br />

mit dem Thema befasst.<br />

Letztlich geht es darum: Soll<br />

die angekündigte Ausschreibung so<br />

gestaltet werden, dass auf jeden Fall<br />

ein privater Wettbewerber zum Zuge<br />

kommt –und der jetzige Betreiber,<br />

das DB-Unternehmen S-Bahn Berlin<br />

GmbH nicht mehr alle S-Bahnen<br />

fährt? DieFronten sind verhärtet.<br />

Es geht um nicht weniger als zwei<br />

Drittel des S-Bahn-Verkehrs: zum einen<br />

um die Linien auf der Stadtbahn<br />

(S3, S5, S7, S75 und S9), zum anderen<br />

um die Nord-Süd-Linien S1, S15, S2,<br />

S25 und S85. Bis zu 1 380 Wagen<br />

müssten ab 2026 geliefert werden –<br />

eine Riesen-Investition von fast drei<br />

Milliarden Euro. In jedem Fall soll<br />

das Land Berlin Eigentümer werden.<br />

Aber wer wird sie produzieren,<br />

werhält sie in Schuss? Undwer fährt<br />

sie? Dasist das Thema der Ausschreibung,<br />

die der Senat mit dem Beratungsunternehmen<br />

KCW vorbereitet.<br />

Neuist, dass sich Firmen nur für<br />

die Bereitstellung oder nur für den<br />

Betrieb der Züge bewerben können –<br />

oder wie bisher üblich für beides.Sie<br />

Vorder Kulisse des Bahnhofs Ostkreuz rollt ein Zug der S-Bahn Berlin GmbH in Richtung Stadtbahn. Wird das DB-Unternehmen auch künftig hier fahren?<br />

können nur für die Stadtbahn oder<br />

nur für Nord-Süd ein Angebot abgeben<br />

–oder für beide Teillose. Neun<br />

Kombinationen wären möglich.<br />

Doch KCW und Verkehrssenatorin<br />

Regine Günther (parteilos, für<br />

Grüne) sind skeptisch, ob sich ohne<br />

Weiteres ein echter Wettbewerb einstellt.<br />

Denn für die Züge wird eine<br />

weitereWerkstatt benötigt. Im Nord-<br />

Süd-Netz gäbe es einen Bauplatz<br />

nahe der A114. Entlang der Stadtbahnlinien<br />

konnte bisher kein Areal<br />

ausgemacht werden. In diesem Teillos<br />

hätte die S-Bahn GmbH einen<br />

Vorteil gegenüber Konkurrenten: Sie<br />

betreibt dortbereits eine Werkstatt.<br />

Das bundeseigene Unternehmen<br />

wurde gebeten, die Anlage in Friedrichsfelde<br />

zum Kauf oder zur Miete<br />

anzubieten –erfolglos. Sozeichnet<br />

sich ab,dass die DB auch künftig die<br />

Stadtbahn betreibt. Um wenigstens<br />

im anderen Teilnetz Konkurrenz zu<br />

ermöglichen, haben KCWund Günther<br />

eine Loslimitierung ins Spiel gebracht.<br />

Dann müsste die DB auf jeden<br />

Fall auf einen Teil des S-Bahn-<br />

Verkehrs verzichten –selbst wenn sie<br />

die besten Angebote abgeben würde.<br />

Am 17. Maisoll der Lenkungskreis<br />

S-Bahn entscheiden, ob es eine Loslimitierung<br />

geben wird. Sie könne<br />

IMAGO IMAGES/ROLF ZÖLLNER<br />

ein „geeignetes Instrument sein, um<br />

echten Wettbewerb herzustellen“,<br />

teilte der VBB mit. Der Verkehrsverbund<br />

habe es in Abstimmung mit<br />

den Ländern schon öfter angewendet.<br />

Ziel seien „faireTeilnahmechancen<br />

für alle Interessenten“. Leistungen<br />

sollten zu Wettbewerbspreisen<br />

vergeben, „überteuerte Monopolpreise“<br />

zulasten von Steuerzahlern<br />

und Fahrgästen vermieden werden.<br />

Doch Sozialdemokraten und<br />

Linke befürchten wie die Gewerkschaft<br />

EVG, dass der S-Bahn-Betrieb<br />

auf unterschiedliche Unternehmen<br />

aufgeteilt und „zerschlagen“ wird. Es<br />

entstünden zusätzliche Schnittstellen,<br />

die im Alltag zu Problemen führen<br />

könnten. „In Berlin handelt es<br />

sich um einen stark verbundenen<br />

und vernetzten Betrieb mit vielen<br />

Kreuzungspunkten“, sagte Finanzsenator<br />

Matthias Kollatz (SPD). Ziel<br />

sei es, Vorteile und Nutzen für die<br />

Fahrgäste zu schaffen –nicht das Gegenteil.<br />

DieDBsollte nicht daran gehindert<br />

werden, ein Verbundangebot<br />

zu unterbreiten.„Ist es kein gutes<br />

Angebot, wird esschon nicht zum<br />

Zuge kommen“, so der Senator.<br />

„Für uns ist eine Loslimitierung<br />

indiskutabel“, pflichtete Linken-Verkehrspolitiker<br />

Harald Wolf bei. „Das<br />

würde auch nicht dem Kompromiss<br />

zwischen den Koalitionsparteien<br />

und den beteiligten Verwaltungen<br />

entsprechen, der ausdrücklich die<br />

Möglichkeit vorsah, dass ein Bewerber<br />

sich für beide Lose bewirbt.“ Für<br />

Tino Schopf (SPD) ist die Loslimitierung<br />

„vom Tisch“. Fraktionskollege<br />

Sven Heinemann warnte die Senatorin:<br />

„Wir müssen aufpassen, dass<br />

dieses Verfahren nicht scheitert.“<br />

Peter Neumann<br />

kann die Befürchtungen<br />

nachvollziehen.<br />

Gratis für Sie:<br />

Saleh will von<br />

Londoner Schulen lernen<br />

In England werden die Einrichtungen strenger kontrolliert<br />

NEU: Die aktuelle „digito“ jeden ersten<br />

Sonnabend imMonat in der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>!<br />

Am<br />

Sonnabend in<br />

der <strong>Berliner</strong><br />

<strong>Zeitung</strong><br />

VonMartin Klesmann<br />

Wenn SPD-Fraktionschef Raed<br />

Saleh eine Auslandsreise unternimmt,<br />

wird sich wenig später<br />

auch die <strong>Berliner</strong> Landespolitik damit<br />

beschäftigen. So war es,als Saleh<br />

im Jahr 2012 gemeinsam mit dem<br />

damaligen Neuköllner Bezirksbürgermeister<br />

Heinz Buschkowsky ins<br />

niederländische Rotterdam reiste.<br />

Dort entstand seinerzeit die Idee für<br />

das Brennpunktschulprogramm.<br />

Seither erhalten <strong>Berliner</strong> Schulen ab<br />

einem gewissen Anteil armer Kinder<br />

mindestens 50 000 Euro für besondereProjekte.<br />

Jetzt reiste Saleh mit SPD-Fachpolitikern<br />

für ein paar Tage nach<br />

London, um sich dortSchulen anzuschauen.<br />

Dieses Mal geht es um Bildung,<br />

Integration und vor allem um<br />

eine Verbesserung der Schulqualität.<br />

„Wir wollen schauen, wie hier gearbeitet<br />

wird“, sagte Saleh am Freitag<br />

am Telefon der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>. Zuvor<br />

hatte er die Holy-Trinity-Schule<br />

im vergleichsweise armen Stadtteil<br />

Hackney besucht. Sein erstes Fazit:<br />

Im britischen Schulwesen sei durch<br />

die Privatisierung vieles falsch gelaufen.<br />

Aber die „London Challenge“ sei<br />

eine gute Sache. Es geht darum,<br />

Schulen gezielt zu unterstützten, um<br />

ihre Leistungsdaten zu verbessern<br />

und benachteiligte Schüler mitzunehmen.<br />

„Schulen in schwieriger Lage sollen<br />

mehr Unterstützung bekommen,<br />

wenn sie sich klare Ziele setzen“,<br />

sagte die mitreisende Maja Lasic, bildungspolitische<br />

Sprecherin der<br />

SPD-Fraktion. In London verschärfte<br />

die Stadtverwaltung nach<br />

der Jahrtausendwende die Gangart<br />

im Umgang mit den Schulen. Seither<br />

werden alle möglichen Schuldaten<br />

erfasst, verglichen und öffentlich gemacht.<br />

Entwickelt sich eine Schule<br />

negativ, werden nicht selten der<br />

Schulleiter oder einzelne Lehrer entlassen.<br />

Die hohen Datenmengen<br />

und die rigiden Personalmaßnahmen<br />

sehen Saleh und Lasic kritisch.<br />

„Aber die Rolle des Schulleiters ist<br />

sehr wichtig“, sagte Lasic.Und Saleh<br />

meint, dass die Schulleiter und<br />

Schulen noch mehr Freiheiten bekommen<br />

sollten.<br />

Auch die neue Bildungsstaatssekretärin<br />

Beate Stoffers (SPD) hatte erst<br />

jüngst betont, dass sie künftig stärker<br />

darauf schauen wolle, was im Klassenzimmer<br />

passiert. DieVerwaltung<br />

hat bereits ein datenbasiertes Indikatorenmodell<br />

für die <strong>Berliner</strong> Schulen<br />

entwickelt, das etwa den Schulschwänzer-Anteil<br />

oder den Krankenstand<br />

im Kollegium erfasst.<br />

Leistungen im Vergleich<br />

Lasic stellt aus London konkrete Fragen:<br />

„Wieso schneidet etwa die Gustav-Falke-Schule<br />

in Gesundbrunnen<br />

bei den Vergleichsarbeiten für Drittklässler<br />

deutlich besser ab als eine<br />

vergleichbare Neuköllner Schule“,<br />

fragt sie. „Oder wieso hat eine bestimmte<br />

Sekundarschule viel mehr<br />

Abbrecher als eine andere mit vergleichbaren<br />

Sozialdaten.“ Natürlich<br />

schauen die Sozialdemokraten auch,<br />

wie an Londoner Schulen das Geld<br />

eingesetzt wird. Denn Berlin gibt<br />

hier im bundesweiten Vergleich viel<br />

Geld aus,die Erfolge aber sind überschaubar.<br />

Soerhalten Brennpunkt-<br />

Schulen viele zusätzliche Mittel für<br />

Sprachförderung, doch werden<br />

diese Pädagogen dann oft als Vertretungslehrer<br />

gebraucht. Nach seiner<br />

Reise dürfte Raed Saleh wohl bald<br />

ein neues Förderkonzept für Berlin<br />

vorstellen.<br />

Auch den Londoner Stadtteil TowerHamlets,<br />

das East End, besuchte Saleh.LEON NEAL

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