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Procycling 06.2019

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RETRO<br />

ONCE<br />

© Offside Sports Photography<br />

Sche ma, ebenso Garmin in seinen ersten Jahren.<br />

Auch die Teams von Guimard und Post waren<br />

radikale Innovatoren.<br />

ONCE fällt aus dem Rahmen. Dies war ein<br />

Team, das von einem karitativen Unternehmen<br />

gesponsert und nicht von einem Ex-Profi geleitet<br />

wurde, auf eine bestimmte Art Rennen fuhr und<br />

größten Wert auf Dinge legte, die einige Teams<br />

für selbstverständlich hielten: Fahrräder (nicht<br />

alle auf einmal lachen), Transport und Equipment.<br />

Diese Gelben Trikots mit dem Piktogramm<br />

einer Person mit Stock gehören zu den unverkennbarsten<br />

Designs des Radsports.<br />

DER NEULING BETRITT DAS PARKETT<br />

Die ONCE-Geschichte begann 1989, als ein unbekannter<br />

Coach namens Manolo Saiz beauftragt<br />

wurde, ein Radsportteam auf die Beine zu stellen,<br />

das vom spanischen Blindenverband gesponsert<br />

wurde. Die Organización Nacional de Ciegos<br />

Españoles wurde 1938 gegründet und hat ein<br />

staatliches Monopol für eine nationale Lotterie.<br />

Die Lose werden in Kiosken verkauft, die an jeder<br />

Ecke stehen und das Logo der Organisation tragen:<br />

die Person mit Stock. Im Laufe der Jahre<br />

hat es sich zu einem großen Unternehmen entwickelt,<br />

das Leute mit Behinderungen einstellt,<br />

auch Taube. Es bietet Ausbildung und Arbeit bei<br />

den unterschiedlichsten Dienstleistungsbetrieben<br />

– Hotels, Geschäften, Gesundheitszentren –, die<br />

Zehntausende von Menschen beschäftigen.<br />

SAIZ SAGTE SPÄTER,<br />

ANDERE SPORTDIREKTOREN<br />

HÄTTEN IHN GESCHNITTEN;<br />

ER PASSTE NIE WIRKLICH<br />

REIN. ONCE WAR ANDERS<br />

ALS DIE ANDEREN TEAMS.<br />

Das war nicht der übliche Radsportsponsor, und<br />

Saiz war alles andere als der übliche Ex-Profi, der<br />

sich nach seiner Karriere in den Mannschaftswagen<br />

setzt. Er war jung: erst 30. Er sei ein erfolgloser<br />

Amateur gewesen, sagte er, weil er nicht leidensfähig<br />

genug gewesen sei. Dann hatte er sich<br />

zum Trainer ausbilden lassen und war Coach der<br />

spanischen Junioren- und Amateur-Teams geworden.<br />

Unter anderem hatte er bei dem ostdeutschen<br />

Bahntrainer Wolfram Lindner gelernt. Die<br />

Verbindung mit ONCE kam zustande, als er für<br />

sie die Verantwortung für das Team der Tandem-<br />

Fahrer mit blindem Partner übernahm.<br />

Saiz sagte später, andere Sportdirektoren hätten<br />

ihn geschnitten; er passte nie wirklich rein.<br />

ONCE war anders als die anderen Teams, sagte<br />

er, „weil mein Team eine Seele hat“. Das sah<br />

auch der Australier Stephen Hodge so, der 1990<br />

neben einem weiteren wichtigen Neuzugang –<br />

dem Veteranen Marino Lejarreta – zu ONCE<br />

kam und sagte: „Manolo war anders. Er baute<br />

eine enge, fast familiäre Atmosphäre zwischen<br />

den Jungs auf. Er war eher wie ein älterer Bruder<br />

als wie ein Boss.“<br />

Der ONCE-Chef hatte auch in Bezug auf das<br />

Coaching neue Ideen. Zum einen hatte Lindner<br />

ihn überzeugt, dass die meisten Radprofis nicht<br />

hart genug trainierten. Laurent Jalabert stieß<br />

1992 zum Team, aber seine ersten Jahre waren<br />

alles andere als ein Genuss. „Ich habe ihm gesagt:<br />

‚Du wirst sehr leiden‘“, sagte Hodge. „Er kämpfte<br />

sechs Monate ohne Ergebnisse und begann bereits<br />

zu zweifeln. Doch dann kamen die Resultate.“<br />

Hodge erinnert sich, dass Saiz beim Training<br />

der Fahrer „nicht zimperlich“ war und ihnen –<br />

damals eher unüblich – jede Menge Arbeit im Fitnessstudio<br />

und Krafttraining verordnete.<br />

Jalabert erwies sich als die wichtigste Verpflichtung<br />

in Saiz’ Karriere – neben dem kurzsichtigen<br />

Schweizer Alex Zülle, den der Sportliche Leiter<br />

erst nicht anstellen wollte, weil er Ohrringe trug.<br />

Die beiden bescherten Saiz seine größten Erfolge:<br />

drei Siege bei der Vuelta; 1995 für Jalabert, 1996<br />

und 1997 für Zülle. Mittlerweile war das Team<br />

als „Gelbe Armada“ bekannt.<br />

„Bei der Vuelta gab es immer eine Etappe, wo<br />

wir nach einem Hügel auf ein langes flaches Stück<br />

mit Seitenwind kamen und dort genug Zeit vor<br />

dem Ziel hatten, um etwas auszurichten“, erklärte<br />

Hodge. „Jeder wusste, was passieren wird, aber<br />

trotzdem schafften wir es immer, Windstaffeln<br />

aufzumachen und das Rennen zu sprengen. Das<br />

brachte uns den Spitznamen ein.“<br />

ONCE war auch aus anderen Gründen besonders<br />

präsent. Als sie die Vuelta gewannen, wurden<br />

rund 100.000 Mitglieder der Organisation<br />

mit dem Bus nach Madrid geschafft, um sich die<br />

letzte Etappe anzuschauen – allesamt in gelben<br />

T-Shirts. Die Verbindung mit dem karitativen<br />

Unternehmen bedeutete, dass das Team ONCE-<br />

Einrichtungen wie Hotels in ganz Spanien nutzen<br />

konnte, die Fahrer besuchten außerdem<br />

Schulen und Unternehmen, die sich der Blindenhilfe<br />

widmeten.<br />

„Wenn es hart auf hart kam, musste man nur<br />

daran denken, wie das Leben für die blinden, tauben<br />

und stummen Menschen in Spanien war, die<br />

wir in der Welt der Sehenden repräsentierten“,<br />

sagte Hodge.<br />

Auf der Straße wurde von der Gelben Armada<br />

erwartet, für Chaos und Panik zu sorgen; bei<br />

Etappenstarts und Ankünften stachen ihre Busse<br />

Der Schweizer Alex Zülle wurde zu<br />

einem der wichtigsten Fahrer von ONCE.<br />

100 PROCYCLING | JUNI 2019

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