Procycling 06.2019
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PROLOG<br />
INSIDER<br />
RICK ZABEL<br />
ENDLICH MAL WIEDER GEWONNEN<br />
Der Katusha-Alpecin-Profi schreibt über seinen Etappensieg bei der Tour de Yorkshire.<br />
Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Michael Steele/Getty Images<br />
Was für ein Mega-Gefühl!<br />
Nach vier Jahren konnte<br />
ich bei der Tour de Yorkshire<br />
wieder ein Rennen gewinnen.<br />
Endlich. Zuerst konnte ich es gar<br />
nicht fassen. Doch als ich auf dem<br />
Podium stand, realisierte ich langsam,<br />
dass ich wirklich Erster geworden<br />
war. Unglaublich! Einen besseren<br />
Abschluss für meine bis dato<br />
eher schwierige Saison hätte ich mir<br />
nicht wünschen können.<br />
Schon im Vorfeld der Tour de<br />
Yorkshire hatte ich mir Hoffnungen<br />
auf die ein oder andere gute<br />
Platzierung gemacht. Als Marcel<br />
[Kittel; Anm. d. Red.] krankheitsbedingt<br />
ausfiel, war recht schnell<br />
klar, dass ich im Team die Rolle<br />
des Sprinters übernehmen würde.<br />
Schon auf der ersten Etappe war<br />
ich am Zug, doch die Rennumstände<br />
ließen einen geordneten<br />
Sprint einfach nicht zu: Da wir erst<br />
auf der Zielgeraden die Spitzengruppe<br />
einholten, herrschte auf<br />
den letzten Metern Chaos. Und als<br />
ich dann auch noch den richtigen<br />
Moment verpasste, war der Sprint<br />
gelaufen. Mit meinem zehnten<br />
Platz zum Auftakt, nur knapp hinter<br />
Mark Cavendish, war ich trotzdem<br />
zufrieden. Es war schließlich<br />
meine erste Top-Ten-Platzierung<br />
in diesem Jahr überhaupt.<br />
Am zweiten Tag gab es dann direkt<br />
die nächste Chance. Das Team<br />
brachte mich in eine richtig gute Position,<br />
die ich unbedingt ausnutzen<br />
wollte. Zugegeben, das ist schwieriger,<br />
als es aussieht. Vor allem, weil<br />
ich einfach nicht das Selbstbewusstsein<br />
habe wie ein gestandener Sprinter,<br />
für den das Alltag ist. Da ich aus<br />
der Vergangenheit wusste, dass ich<br />
einen langen Sprint fahren kann, zog<br />
ich schon 250 Meter vor dem Ziel<br />
„DA ICH AUS DER VERGANGENHEIT WUSSTE,<br />
DASS ICH EINEN LANGEN SPRINT FAHREN<br />
KANN, ZOG ICH SCHON 250 METER VOR DEM<br />
ZIEL LOS. VOLLES RISIKO. EINFACH HOFFEN,<br />
DASS NIEMAND MEHR VORBEIKOMMT.“<br />
los. Volles Risiko. Einfach hoffen,<br />
dass niemand mehr vorbeikommt.<br />
Dass es reichen würde, wurde mir<br />
erst auf den letzten Metern klar.<br />
Man sieht in den TV-Bildern gut,<br />
wie ich mich ungläubig umgekuckt<br />
habe. Der erste Gedanke: Wow, du<br />
hast endlich mal wieder ein Radrennen<br />
gewonnen. Was danach<br />
folgte, war pure Freude. Ein Mega-<br />
Tag eben!<br />
Bei der Tour de Yorkshire holte der<br />
25-Jährige seinen ersten Profisieg<br />
seit vier Jahren. Damals hatte er eine<br />
Etappe bei der Österreich-Rundfahrt<br />
für sich entschieden.<br />
Entsprechend positiv fällt nun auch<br />
mein persönliches Fazit der Frühjahrssaison<br />
aus. Nach dem anfänglichen<br />
Krankheitspech mit der Gehirnerschütterung<br />
zu Beginn der<br />
Saison scheint sich nämlich nun<br />
auch bei mir Schritt für Schritt alles<br />
zum Besseren zu wenden. Ich konnte<br />
bei allen Klassikern wertvolle Helferdienste<br />
leisten, alle Rennen bis<br />
auf die Flandern-Rundfahrt finishen<br />
und meine Form kontinuierlich steigern.<br />
Auch mit dem gesamten Team<br />
Katusha-Alpecin konnten wir dank<br />
der starken Resultate von Nils Politt<br />
– allen voran natürlich sein irrer<br />
zweiter Platz bei Paris–Roubaix –<br />
und zuletzt meines Etappensiegs<br />
einige Achtungserfolge verbuchen.<br />
Für mich geht es nun mit großen<br />
Schritten auf die Tour de France zu.<br />
In den kommenden Wochen will ich<br />
deshalb nun alles dafür geben, mich<br />
für einen Platz in unserem Aufgebot<br />
zu empfehlen. Der Sieg in Yorkshire<br />
hat mir dafür noch einmal eine<br />
Extraportion Selbstvertrauen gegeben.<br />
In Zukunft weiß ich: Wenn sich<br />
nochmal die passende Gelegenheit<br />
ergibt, probiere ich es einfach mal<br />
selber. Auf jeden Fall bin ich sehr<br />
motiviert. Vier Jahre auf meinen<br />
nächsten Profisieg warten möchte<br />
ich jedenfalls nicht.<br />
Geboren am 7. Dezember 1993,<br />
zog es den Sohn von Erik Zabel<br />
schon früh zum Radsport. Nach<br />
guten Platzierungen bei den Junioren<br />
wechselte er 2012 zum Rabobank<br />
Development Team. 2014<br />
wurde Rick Zabel Profi bei BMC und<br />
fuhr drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />
Equipe. 2017 wechselte er<br />
zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />
erstmals die Tour de France und<br />
die Straßen-WM.<br />
24 PROCYCLING | JUNI 2019