Procycling 06.2019
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heraus. Seiner Zeit weit voraus, kaufte Saiz einen<br />
zweiten Bus für die Mechaniker und Pfleger, auch<br />
weil Lkw in Spanien sonntags nicht fahren dürfen,<br />
und mit Bussen kamen Mitarbeiter und Material<br />
schneller nach Hause. Es gab spezielle Bergfahrräder<br />
– von Klein, aber mit Look-Logo – mit leichten<br />
Komponenten, die in einigen Fällen vom<br />
Mountainbiking stammten, sowie Modelle für<br />
Paris–Roubaix … und das in einer Zeit, in der einige<br />
Teams noch immer auf dicken Stahl setzten.<br />
Die Rivalität mit Banesto war unvermeidlich,<br />
teils weil ONCE relativ neuartig war, teils weil<br />
Saiz nicht zum Klüngel gehörte, aber auch wegen<br />
des unterschiedlichen Ethos. ONCE fuhr überall<br />
mit derselben Angriffslust, egal ob es ein kleines<br />
spanisches Rennen oder die Tour war. Banesto<br />
verließ sich auf die Zeitfahr-Qualitäten und die<br />
Präsenz von Indurain und begnügte sich damit,<br />
die ganze Saison auf den Giro und die Tour auszurichten.<br />
Ausgerechnet die neuen Jungs in Gelb<br />
erinnerten an frühere spanische Helden wie Luis<br />
Ocaña und Pedro Delgado.<br />
DIE GELBE ARMADA<br />
Wenn ONCE einen großartigsten Moment hatte,<br />
dann bei der Tour 1995, wo das Team nahe dran<br />
war, Indurain um seinen fünften Sieg in Serie zu<br />
bringen. 1994 war es bei der Tour nach Jalaberts<br />
fürchterlichem Sturz in Armentières leer ausgegangen<br />
– er hatte im Frühjahr sieben Etappen der<br />
Vuelta gewonnen und galt erneut als Favorit für<br />
das Grüne Trikot der Tour –, doch 1995 war der<br />
Franzose wieder da, einige Kilo leichter, nachdem<br />
er Muskelmasse verloren hatte, während er sich<br />
von dem Sturz erholte. In jenem Jahr gewann er<br />
Paris–Nizza, Mailand–San Remo und den Flèche<br />
Wallonne. Auch Zülle präsentierte sich mit Siegen<br />
bei der Baskenland-Rundfahrt und der Vuelta a<br />
Valencia in sehr guter Form.<br />
Der ursprüngliche Plan des Teams war, Indurain<br />
auf der schweren Etappe durch die Ardennen<br />
nach Lüttich in Schach zu halten, aber nur Johan<br />
Bruyneel konnte „Big Mig“ folgen, als er an der<br />
Côte des Forges eine – wie sich herausstellte –<br />
Saiz war relativ jung, gerade 30, als er in<br />
ONCEs Teamwagen stieg.<br />
entscheidende Attacke fuhr. Am folgenden Tag<br />
lieferte Indurain eine typische Zeitfahr-Leistung<br />
ab und holte das Gelbe Trikot. Nach dem Transfer<br />
in den Süden zur 9. Etappe ließ Saiz Zülle auf der<br />
ersten Alpenetappe nach La Plagne angreifen. Indurain<br />
konterte und sprengte das Rennen, aber<br />
am Ende des Anstiegs war Zülle sein einziger Herausforderer,<br />
mit 2:27 Minuten Rückstand.<br />
Der dramatischste Tag der Tour war die heute<br />
legendäre 12. Etappe von Saint-Étienne nach<br />
Mende. Mittlerweile kontrollierten Indurains Domestiken<br />
seit vier Tagen das Rennen und waren<br />
erschöpft. Erschwerend kam hinzu, dass sie alle<br />
am Ende des Pelotons in der neutralisierten Zone<br />
waren. Das Epos, das sich an diesem französischen<br />
Nationalfeiertag ereignete, war nicht ge-<br />
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JUNI 2019 | PROCYCLING 101