Procycling 06.2019
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NACHLESE<br />
AMSTEL GOLD RACE / 21.04.2019<br />
VDP MIT<br />
HOLLÄNDISCHER<br />
COURAGE ZUM<br />
AMSTEL-SIEG<br />
© Getty Images<br />
Das Männer-Peloton muss ungläubig<br />
den Kopf geschüttelt haben,<br />
als das Amstel Gold Race 2019<br />
vorbei war, und sich kollektiv gefragt haben:<br />
Was machen wir mit einem Problem<br />
wie Mathieu van der Poel?<br />
Es sah so aus, als hätte der junge Holländer<br />
bei seinem Heim-Klassiker viel<br />
falsch gemacht. Die jüngere Geschichte<br />
zeigt, dass Langstreckenangriffe bei den<br />
Eintagesrennen wieder in Mode kommen.<br />
Philippe Gilbert und Peter Sagan gewannen<br />
Flandern und Roubaix in den letzten<br />
Jahren, indem sie 50 Kilometer oder weiter<br />
vor dem Ziel attackierten; Nils Politt<br />
und Philippe Gilbert gingen beim diesjährigen<br />
Roubaix noch früher in die Offensive<br />
und zettelten den entscheidenden Angriff<br />
67 Kilometer vor dem Ziel an. Jungels<br />
gewann Lüttich mit einem 25-Kilometer-<br />
Solo, und die letzten beiden Amstel-Gold-<br />
ERGEBNIS<br />
Auflagen waren viel taktischer, seit der<br />
Cauberg aus dem Finale entfernt wurde.<br />
Aber als van der Poel 45 Kilometer vor<br />
dem Ziel angriff, war genug Energie im<br />
Peloton, um ihn zurückzuholen. Was in<br />
einem alternativen Universum der rennentscheidende<br />
Vorstoß hätte sein können,<br />
stellte sich als taktischer Fehler heraus, da<br />
Julian Alaphilippe und Jakob Fuglsang die<br />
Gelegenheit nutzten, um wegzuspringen,<br />
als der Holländer eingeholt war.<br />
Und das hätte es sein sollen. Die zwei<br />
stärksten Fahrer in dem Rennen setzten<br />
sich an diesem entscheidenden Punkt ab,<br />
während die Verfolgergruppe auseinanderfiel.<br />
Physisch war van der Poel seinen<br />
Rivalen Fuglsang und Alaphilippe in jeder<br />
Hinsicht gewachsen, aber es gab einen<br />
wesentlichen Unterschied: Er hatte zum<br />
falschen Zeitpunkt attackiert und sich<br />
nicht absetzen können, während Fuglsang<br />
und Alaphilippe zum richtigen Zeitpunkt<br />
attackiert hatten und sich hatten<br />
absetzen können.<br />
Der Däne und der Franzose arbeiteten<br />
zusammen, hinter ihnen ein weiteres<br />
Fahrerduo aus Michał Kwiatkowski und<br />
Matteo Trentin, und dahinter eine Gruppe<br />
mit Max Schachmann, Simon Clarke<br />
und Bauke Mollema. Der Abstand wuchs<br />
auf über 45 Sekunden an, was hätte reichen<br />
sollen. Aber vielleicht wurde der<br />
Vorsprung zu groß; vielleicht fühlten sich<br />
die Spitzenreiter wohl in ihrer Überlegenheit<br />
und ihrem Timing, daher erkannten<br />
sie nicht, dass hinter ihnen noch ein Radrennen<br />
im Gange war. Eine Gruppe, in<br />
FAHRER TEAM ZEIT<br />
1 Mathieu van der Poel Corendon-Circus 6:28:18<br />
2 Simon Clarke EF Education First 0:00<br />
3 Jakob Fuglsang Astana 0:00<br />
4 Julian Alaphilippe Deceuninck–Quick-Step 0:00<br />
5 Maximilian Schachman Bora–hansgrohe 0:00<br />
Alaphilippe hatte<br />
den Sieg vor Augen,<br />
doch am Ende<br />
reichte es nicht mal<br />
zum Podium.<br />
18<br />
Jahre seit dem<br />
letzten niederländischen<br />
Sieg<br />
der van der Poel war, jagte die dritte<br />
Gruppe. Die dritte Gruppe jagte Trentin<br />
und Kwiatkowski. Die wiederum jagten<br />
die Spitzenreiter.<br />
Im März waren Alaphilippe und Fuglsang<br />
beim Strade Bianche in einer ähnlichen<br />
Situation gewesen. Sie waren die<br />
Stärksten, fingen aber an, Spielchen zu<br />
spielen, verbrachten mehr Zeit damit, den<br />
Blick auf den anderen zu richten als auf<br />
den Sieg. Wout Van Aert kam wieder heran,<br />
nachdem er schon aus dem Rennen<br />
gewesen war, selbst wenn sich Alaphilippe<br />
im Finale behauptete. Hier, beim Amstel<br />
Gold, wurden sie wieder langsamer. Dieses<br />
Mal erwies es sich als fatal.<br />
Als der Abstand schmolz, nahm Kwiatkowski<br />
die Verfolgung der jetzt sichtbaren<br />
Führenden auf; Schachmann holte Trentin<br />
ein, und Gruppe vier, angeführt von van<br />
der Poel, holte Gruppe drei ein, die jetzt<br />
tatsächlich Gruppe zwei war, wobei Kwiatkowski<br />
knapp vor ihnen war und zu den<br />
Führenden aufschloss. Fuglsang und Ala-<br />
80 PROCYCLING | JUNI 2019