FOKUS LINN
FOKUS LINN Nr. 5 – Jubiläumsausgabe Mai 2019
FOKUS LINN Nr. 5 – Jubiläumsausgabe Mai 2019
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
IDENTITÄT<br />
«Gefordert haben wir das<br />
schon lange. Doch jetzt, da<br />
Dickbuch eine Ortschaft ist,<br />
hat unsere Forderung mehr<br />
Gewicht.»<br />
Hofstetten – und damit auch in Hofstettens<br />
grösstem Ortsteil Dickbuch mit seinen weit<br />
über hundert Einwohnern – nämlich nach<br />
wie vor unbenannt. Statt auf Strassennamen<br />
beruhte die Gebäudeadressierung auf<br />
den Versicherungsnummern. Das heisst,<br />
jedes Haus, das in Hofstetten gebaut worden<br />
war, hatte jeweils fortlaufend die<br />
nächste Versicherungsnummer zugewiesen<br />
erhalten, egal wo auf dem Gemeindegebiet<br />
es zu stehen gekommen war. Als<br />
Ortsfremder ein bestimmtes Gebäude zu<br />
finden, war damit in der 885 Hektaren<br />
grossen Gemeinde mit ihren acht Weilern<br />
(Dickbuch, Jakobstal, Geretswil, Huggenberg,<br />
Tiefenstein, Scheunberg, Steig und<br />
Wenzikon) eine echte Herausforderung.<br />
«Tatsächlich hat einmal eine Ambulanz<br />
oder ein Helikopter jemanden nicht gefunden»,<br />
erinnert sich Ziegler. Ein unschönes<br />
Szenario, das man kein zweites Mal erleben<br />
wollte. Es war daher absolut klar, dass im<br />
Rahmen der Fusion sämtliche Unklarheiten<br />
bezüglich Auffindbarkeit beseitigt und das<br />
bisherige Adressierungssystem durch ein<br />
zweckmässigeres ersetzt werden musste.<br />
Kurz: Es mussten Strassennamen, Hausnummern<br />
und ein neuer Ortschaftsname her.<br />
Liest man die dickbuchschen Strassennamen<br />
– Bienenweg, Bärenstrasse, Pfösistrasse<br />
usw. – macht es den Eindruck, als hätte<br />
es den Bewohnern Spass gemacht, ihre<br />
Strassen mit passenden Namen zu versehen.<br />
Was den Bewohnern hingegen kaum<br />
bewusst gewesen sein dürfte ist, dass sie<br />
nicht nur mitgeholfen haben, die Namenslandschaft<br />
in ihrem Dorf bunter zu gestalten,<br />
sondern dass sie indirekt auch dazu<br />
beigetragen haben, ihr Dorf zu einer Ortschaft<br />
zu machen. Denn tatsächlich ist<br />
Dickbuchs Aufstieg zur Ortschaft eng mit<br />
der neuen Adressierungsform verbunden –<br />
und mit dem Behördenwillen, den Namen<br />
«Ich habe die grosse Hoffnung,<br />
dass es uns jetzt endlich gelingt,<br />
Dickbuch an den öffentlichen<br />
Verkehr anzubinden und das<br />
Postauto hierher zu bringen.<br />
«Dickbuch» unbedingt in der Adressierung<br />
zu erhalten (siehe Kasten: Die Sache mit der<br />
Adressierung).<br />
Ob der neue Status ihres Wohnortes den<br />
Dickbuchern noch weitere Vorteile bringe<br />
als jener, dass sie – im Gegensatz zu früher<br />
– in ihrer Adresse nun ganz und gar Dickbucher<br />
sind, wollen wir von Christoph Ziegler<br />
wissen. Der Gemeindepräsident muss nicht<br />
lange überlegen. «Ich habe die grosse Hoffnung,<br />
dass es uns jetzt endlich gelingt, Dickbuch<br />
an den öffentlichen Verkehr anzubinden<br />
und das Postauto hierher zu bringen.<br />
Gefordert haben wir das schon lange. Doch<br />
jetzt, da Dickbuch eine Ortschaft ist, hat unsere<br />
Forderung mehr Gewicht.» Und dann<br />
Die Sache mit der Adressierung<br />
Für die Gebäudeadressierung ist der<br />
Ortschaftsname massgebend, nicht<br />
der Gemeindename. Bis zur Fusion<br />
zwischen Hofstetten und Elgg war<br />
Dickbuch ein Weiler und grösster Ortsteil<br />
der Ortschaft Hofstetten. Und bei<br />
der Adressierung wurden anstelle des<br />
Strassennamens und der Hausnummer<br />
der Weilername und die Versicherungsnummer<br />
des Gebäudes angegeben.<br />
Die Adresse des Kindergartens lautete<br />
damit: Kindergarten / Dickbuch 421 /<br />
8354 Hofstetten.<br />
Heute beruht die Gebäudeadressierung<br />
in Dickbuch auf dem Prinzip<br />
«Strassenname und strassenweise Hausnummerierung».<br />
Die Strasse, an der<br />
sich der Kindergarten befindet, ist die<br />
«Schulstrasse». Und die fortlaufende<br />
Hausnummer des Gebäudes ist die 17.<br />
Wäre Dickbuch ein Weiler geblieben,<br />
würde die neue Adresse des Kindergartens<br />
Schulstrasse 17 / 8354 Hofstetten<br />
lauten. Dickbuch wäre also<br />
aus der Adressierung verschwunden.<br />
Weil die Gemeindebehörden den<br />
Dickbuchern ihre Identität aber<br />
unbedingt lassen wollten, war es<br />
nötig, beim Kanton und beim Bundesamt<br />
für Landestopografie die Schaffung<br />
der Ortschaft Dickbuch zu beantragen.<br />
Als Ortschaftsname ist Dickbuch in der<br />
Adresse wieder präsent und der Kindergarten<br />
steht, wie es sein soll, an der<br />
Schulstrasse 17 / 8354 Dickbuch.<br />
Eine neue Ortschaft entsteht<br />
Die gesetzlichen Grundlagen für die<br />
Schaffung einer neuen Ortschaft sind<br />
auf Stufe Bund in der Verordnung über<br />
geografische Namen (GeoNV, SR<br />
510.625) geregelt:<br />
––<br />
Der Kanton bestimmt nach Anhörung<br />
der betroffenen Gemeinden<br />
und der Post die Ortschaft und legt<br />
den Ortschaftsnamen und dessen<br />
Schreibweise fest (Art. 21 Abs. 1<br />
GeoNV); die nach kantonalem<br />
Recht zuständige Stelle für die<br />
amtliche Vermessung übernimmt<br />
dabei die Grenzfestlegung (Art. 21<br />
Abs. 2 GeoNV). Der Kanton durchläuft<br />
anschliessend das Genehmigungsverfahren<br />
gemäss Art. 22<br />
GeoNV und meldet die Änderung<br />
an das Bundesamt für Landestopografie<br />
(swisstopo) weiter.<br />
––<br />
Die Post legt die Postleitzahl der<br />
neuen Ortschaft nach Anhörung<br />
von Kanton und Gemeinde fest und<br />
teilt sie dem Bundesamt für<br />
Landestopografie mit (Art. 21 Abs. 3<br />
GeoNV).<br />
––<br />
Das Bundesamt für Landestopografie<br />
(swisstopo) prüft das Gesuch und<br />
entscheidet über dessen Bewilligung<br />
oder Ablehnung. Bewilligt es das<br />
Gesuch, trägt es die neue Ortschaft<br />
im amtlichen Ortschaftenverzeichnis<br />
ein (Art. 24 GeoNV).<br />
Für die Bewilligung oder Ablehung<br />
spielen unter anderem folgende<br />
Kriterien eine Rolle:<br />
«Ortschaften müssen eine landesweite<br />
Bedeutung haben . . . Ortschaften<br />
sollten grundsätzlich aus Sicht der<br />
Adressierung und wegen der Zergliederung<br />
nicht zu klein gewählt werden, in<br />
der Regel nicht unter 100 Einwohner.<br />
Die Bildung von Ortschaften in einer<br />
Gemeinde sollte gesamtheitlich<br />
betrachtet werden. Alle Ortschaften<br />
innerhalb einer Gemeinde sollen nach<br />
gleichen Grundsätzen beurteilt werden.<br />
[…]<br />
Die Bedürfnisse von Rettungsdiensten<br />
für ein einfacheres Auffinden von<br />
Gebäudeadressen müssen erfüllt sein<br />
(geografische Aspekte).<br />
Innerhalb einer Ortschaft müssen alle<br />
Gebäudeadressen eindeutig sein.<br />
Ortschaften sollten klar und eindeutig<br />
abgegrenzt werden.<br />
Wenn ein Ort eine Zentrumsfunktion<br />
hat, soll dieser Name für die Ortschaft<br />
übernommen werden.<br />
[…]<br />
Die historische Bedeutung und auch die<br />
zukünftige Entwicklung (soweit heute<br />
bekannt) von Ortschaften sollen<br />
mitberücksichtigt werden.»<br />
(Bernische Systemische Information<br />
Gemeinden vom 1. Juni 2011 [BSIG Nr.<br />
2/215.341/1.5])<br />
104