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FOKUS LINN

FOKUS LINN Nr. 5 – Jubiläumsausgabe Mai 2019

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ORTSBILD<br />

Das Ortsbild von Linn im Vergleich<br />

Im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz ISOS figuriert das Ortsbild von<br />

Linn im höchsten Rang, jenem von nationaler Bedeutung. Zu Recht, wie der folgende<br />

Vergleich mit einem ausserkantonalen Dorf zeigen soll.<br />

Text Dr. Richard Buser<br />

Oberbipp, im Nordosten des Kantons Bern<br />

gelegen, darf sich ebenfalls eines Ortsbildes<br />

von nationaler Bedeutung rühmen.<br />

Die Gütemerkmale eines Ortsbildes sind<br />

für alle wahrnehmbar, die mit offenen Sinnen<br />

durch einen Ort gehen. Anhand dreier<br />

Merkmale werde ich die beiden Ortsbilder<br />

vergleichen: der Lesbarkeit des Ortsbildes<br />

von aussen, dem räumlichen Verhältnis von<br />

Bauten zu Freiräumen im Innern sowie der<br />

Gestaltung der Zwischenräume.<br />

Bei der Lesbarkeit des Ortsbildes<br />

von aussen liegt Linn<br />

gegenüber Oberbipp im Vorteil.<br />

Lesbarkeit des äusseren Ortsbildes<br />

Bei der Lesbarkeit des Ortsbildes von aussen<br />

liegt Linn gegenüber Oberbipp im Vorteil:<br />

Dank der planerischen Aufteilung<br />

Linns in einen alten Dorfkern und eine für<br />

Neubauten reservierte Bauzone ausserhalb<br />

davon, hat das alte Dorf seinen Charakter<br />

als bäuerliches Zeilendorf bis heute bewahrt.<br />

Der Spaziergang durch Linn beginnt<br />

bei der Linde. Etwas höher als das Dorf gelegen,<br />

präsentieren sich von hier aus die<br />

gleich gerichteten Dächer und Baukörper<br />

des Zeilendorfs verheissungsvoll. Nach wenigen<br />

Schritten hangabwärts entlang der<br />

Strasse empfängt das Dorf die Ankommenden<br />

mit einer von Bäumen gerahmten, torartigen<br />

Situation. Mit der Strassenkurve<br />

schwingt man sich gleichsam ins Dorf hinein.<br />

Das andere Ende des Dorfs im Westen<br />

ist ebenfalls gut wahrnehmbar: Plötzlich<br />

steht man zwischen Weiden, nachdem<br />

man eben noch von Häusern flankiert gewesen<br />

ist. Aus dem Dorf heraus richtet sich<br />

der Blick auf den etwas tiefer gelegenen<br />

und vom Dorf klar abgesetzten Eglibrunnenhof.<br />

Wie ist das in Oberbipp? Das Dorf liegt in<br />

Hanglage am Jurasüdfuss. Es besteht im<br />

Wesentlichen aus zwei Hauptsiedlungsästen:<br />

Einem ersten der Hanglinie und dem<br />

Dorfbach folgenden Verlauf von Nordwes-<br />

ten nach Südosten (Steingasse und weitere<br />

Gassen) und einer quer dazu verlaufenden<br />

Strasse von Südwesten nach Nordosten<br />

(Obisgasse und weitere Gassen).<br />

Der Ortskern von Oberbipp ist stärker in<br />

neue Bebauungen aus Einfamilienhäusern<br />

und Industrie eingebettet. Der Kern erschliesst<br />

sich am deutlichsten vom westlichen<br />

Dorfausgang oder südlich vom Bahnhof<br />

her über die Steingasse. Der Bahnhof,<br />

ein hübscher Heimatstilbau von 1918, liegt<br />

an der Eisenbahnlinie zwischen Niederbipp<br />

und Solothurn. Der dort verkehrende Zug<br />

wird liebevoll Bipper Lisi genannt und ist<br />

eben hundertjährig geworden. Nehmen<br />

wir zum Bahnhof noch die Kirche und das<br />

hoch über dem Dorf thronende Schloss<br />

hinzu, so sind die Hauptunterschiede zwischen<br />

Linn und Oberbipp genannt. In diesem<br />

Vergleich geht es freilich um das Ähnliche<br />

– und das findet sich im inneren<br />

Ortsbild.<br />

Räumliches Verhältnis von Bauten zu<br />

Freiräumen im inneren Ortsbild<br />

In Linn richten die bäuerlichen Vielzweckhäuser<br />

ihre Längsseite zur Gasse. Die Gasse<br />

wird an ihrer Südseite durchwegs von<br />

Bauten gesäumt; an der Nordseite gibt es<br />

mehrere Freiflächen mit Baumbestand.<br />

Das Grün der Nahumgebung des Dorfes<br />

reicht also bis in das Innerste der Siedlung<br />

hinein – eine heute selbst in Bauerndörfern<br />

selten gewordene Qualität!<br />

Die Häuser sind oft zu zweit aneinandergebaut,<br />

wobei sie aus praktischen und hygienischen<br />

Gründen jeweils mit ihren Scheunenteilen<br />

Rücken an Rücken zueinander<br />

stehen. Diese teilweise Zeilenbildung lässt<br />

da und dort einen geschlossenen Gassenraum<br />

entstehen. Dank den mitunter<br />

schmalen Zwischenräumen und den von<br />

der Gasse abzweigenden Wegen durchzieht<br />

ein abwechslungsreicher Rhythmus<br />

von bebauten und freien Räumen das Innere<br />

Linns.<br />

In Oberbipp stehen die Häuser unterschiedlich<br />

zur Gasse: An der von Norden<br />

nach Süden verlaufenden Steingasse wenden<br />

die Bauernhäuser ihre Giebelseiten der<br />

Strasse zu. Diese Giebelseiten sind oft<br />

nahezu fensterlos und wirken entspre-<br />

chend mural. Manchmal reichen die Giebelseiten<br />

als Zungenmauern über die Fassadenflucht<br />

der Eingangspartie hinaus – ein<br />

Witterungsschutz, wie er auch in Linn vorkommt.<br />

Die Häuser bilden hier keine Zeilen,<br />

sondern staffeln sich hintereinander.<br />

Dazwischen liegen die quer von der Gasse<br />

Das Grün der Nahumgebung<br />

des Dorfes reicht bis in das<br />

Innerste der Siedlung hinein –<br />

eine heute selbst in Bauerndörfern<br />

selten gewordene Qualität!<br />

abzweigenden Hausplätze. Es entsteht somit<br />

ein Rhythmus von Mauer und Freiraum.<br />

Anders an der quer zur Steingasse verlaufenden<br />

Obisgasse und Industriestrasse:<br />

Hier sind die Bauernhäuser wie in Linn mit<br />

ihrer Längsseite zur Gasse hin angeordnet.<br />

Stellenweise schliessen sie sich ebenfalls zu<br />

Zeilen aus zwei aneinandergebauten Häusern<br />

zusammen.<br />

Die Erklärung für die unterschiedliche Stellung<br />

der Häuser zur Gasse in Oberbipp liefert<br />

der Westwind: Um ihm möglichst wenig<br />

ausgesetzt zu sein, kehren die<br />

Bauernhäuser fast ausnahmslos ihre<br />

Schmalseite der so genannten Wetterseite<br />

zu. Somit reihen oder staffeln sich die Häuser<br />

je nach Gassenverlauf. Der Berner Bauernhausforscher<br />

Heinrich-Christoph Affolter<br />

bezeichnet dies treffend als<br />

«Reihe-Staffelungs-Muster». Dieses Muster<br />

bestimmt ebenso die Bebauung von<br />

Oberbipps Nachbardorf Niederbipp.<br />

Damit sind der Saum und das Gewebe der<br />

beiden Dörfer beschrieben. Im dritten Teil<br />

des Vergleichs geht es um die Gestaltung<br />

der Zwischenräume, gleichsam der Stickerei<br />

um beim textilen Bild zu bleiben.<br />

Die Gestaltung der Zwischenräume<br />

Für die Aufenthaltsqualität eines Ortes entscheidend<br />

ist die Möblierung. Das gilt für<br />

private Wohnräume ebenso wie für öffentliche<br />

Plätze. In Linn fällt auf, wie sorgfältig<br />

die Hausumgebung gepflegt wird. Offen-<br />

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