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FOKUS LINN

FOKUS LINN Nr. 5 – Jubiläumsausgabe Mai 2019

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ORTSBILD<br />

Vielfalt als Zeuge der Geschichte<br />

Das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) unterscheidet im<br />

Kanton Aargau zwischen drei Hauptregionen, die sich aufgrund der Topographie,<br />

der Geschichte und der Siedlungstypologie ergeben und ein Indiz für die Vielfältigkeit<br />

des Kantons sind.<br />

Text Martin Schneider<br />

Die Juraregion umfasst die Bezirke Rheinfelden,<br />

Laufenburg, Zurzach, einen grossen<br />

Anteil des Bezirks Brugg und die nördlichen<br />

Teile der Bezirke Aarau und Baden.<br />

Die Ortsbilder sind hier durch ihre klare<br />

Ausprägung als Strassendörfer siedlungstypologisch<br />

fassbar.<br />

Die Mittellandregion stand während rund<br />

vier Jahrhunderten unter bernischer Herrschaft.<br />

In den Ortsbildern der Bezirke Zofingen,<br />

Kulm, Lenzburg und der südlichen<br />

Der Nutzen eines historischen<br />

Ortsbildes wird oft unterschätzt<br />

oder nur zu einseitig<br />

betrachtet.<br />

Bereiche der Bezirke Aarau und Brugg ist<br />

dies noch heute am Baustil der historischen<br />

Gebäude ablesbar.<br />

Das Freiamt mit dem Reuss- und dem oberen<br />

Bünztal ist der einheitlichste Siedlungsraum.<br />

Ortsbildbestimmend sind in dieser<br />

Region die sogenannten Mehrhausbauten.<br />

Diese zeichnen sich im Gegensatz zu Mehrzweckbauten<br />

mit einem integrierten Ökonomieteil<br />

durch eine Aufteilung von Wohnund<br />

Wirtschaftsräumen auf mehrere Gebäude<br />

aus.<br />

Diese Vielfältigkeit, auch bedingt durch die<br />

geografische Lage im Schmelztiegel verschiedener<br />

Regionen, ist sicherlich ein<br />

Grund für die grosse Fülle von schützenswerten<br />

Ortsbildern im Vergleich zu anderen<br />

Kantonen. Die Vielfältigkeit macht den<br />

Erhalt und die Weiterentwicklung zu einer<br />

grossen, spannenden Herausforderung,<br />

die ein erhebliches Mass an Fachwissen<br />

und Erfahrung im Umgang mit historischen<br />

Strukturen und Gebäuden erfordern.<br />

Lebensqualität durch intakte Strukturen<br />

Der Nutzen eines historischen Ortsbildes<br />

wird oft unterschätzt oder nur zu einseitig<br />

betrachtet. In der Regel ist der historische<br />

Kern das Herz der Gemeinde, der Mittelpunkt<br />

des öffentlichen Lebens und ein<br />

wichtiger Begegnungsraum. Neben diesen<br />

sozialen Aspekten gibt es wirtschaftliche<br />

Vorteile, insbesondere im Standortmarketing<br />

durch die positive öffentliche Wahrnehmung,<br />

im Tourismus, im Handel oder in<br />

der Gastronomie aber auch für die Besitzer<br />

von Immobilien, deren Wert in einem intakten<br />

historischen Umfeld steigt. Der Erhalt<br />

von wichtigen Freiräumen, Gartenstrukturen<br />

und einem schonenden Übergang<br />

vom Siedlungsrand in die Landschaft<br />

wirkt sich nicht nur positiv auf die Lebensqualität,<br />

sondern auch auf Gesichtspunkte<br />

des Umweltschutzes, wie zum Beispiel der<br />

Artenvielfalt aus.<br />

Siedlungsentwicklung nach innen<br />

vs. Ortsbildschutz?<br />

Durch das zu erwartende Bevölkerungswachstum<br />

und die Bewältigung dieses<br />

Wachstums in den bestehenden Bauzonen,<br />

wie im Rauplanungsgesetz gefordert,<br />

wächst der Druck auf die historischen Ortsbilder.<br />

Häufig werden mit dem Argument<br />

der «Verdichtung» Abbrüche und Baumassnahmen<br />

legitimiert, die zum Beispiel aufgrund<br />

der falschen Massstäblichkeit oder<br />

einer mangelhaften Gestaltung keinen geeigneten<br />

Umgang mit dem historischen<br />

Umfeld finden. Während ein intaktes Ortsbild<br />

vereinzelt solche Bauten noch verkraftet,<br />

kommt es bei einer Häufung zum<br />

Verlust der entscheidenden Qualitätsmerkmale<br />

und letztlich der Identität.<br />

Eine solche Entwicklung ist bedauerlich<br />

und ist mit der Siedlungsentwicklung nach<br />

innen auch nicht zu begründen. In den Altstädten<br />

bestehen bereits heute überdurchschnittlich<br />

hohe Einwohnerdichten. In den<br />

ländlich geprägten Ortsbildern gibt es genügend<br />

Potenzial, um zusätzlichen, hochwertigen<br />

und zeitgemässen Wohnraum zu<br />

realisieren. Beispielsweise durch das Umnutzen<br />

von ehemaligen landwirtschaftlich<br />

genutzten Gebäuden im Ortskern, bei denen<br />

auch unter Berücksichtigung des Ortsbildschutzes<br />

ein grosser Gestaltungsspielraum<br />

besteht. Zudem soll die Siedlungsentwicklung<br />

nach innen vor allem dort<br />

stattfinden, wo sie wirklich sinnvoll ist. In<br />

einem historischen Ortskern stehen eine<br />

massvolle Erhöhung der Dichte und eine<br />

sorgfältige Weiterentwicklung unter Berücksichtigung<br />

der vorhandenen Qualität<br />

im Vordergrund.<br />

Ein wirkungsvoller Ortsbildschutz<br />

und die gezielte Weiterentwicklung<br />

des Ortskerns zu<br />

sichern, ist vor allem Aufgabe<br />

der Gemeinde.<br />

Gemeinden in die Pflicht nehmen<br />

Ein wirkungsvoller Ortsbildschutz und die<br />

gezielte Weiterentwicklung des Ortskerns<br />

zu sichern, ist vor allem Aufgabe der Gemeinde.<br />

Der Grundstein dafür wird in der<br />

Nutzungsplanung gelegt. Dafür können<br />

die Gemeinden verschiedene Grundlagen<br />

herbeiziehen. Potenzielle Schutzobjekte bis<br />

1920 werden im Bauinventar aufgeführt,<br />

welches die kantonale Denkmalpflege für<br />

die Gemeinden erstellt. Darüber hinaus<br />

empfiehlt es sich für die Gemeinden, Gebäude<br />

nach 1920 selbst untersuchen und<br />

inventarisieren zu lassen.<br />

Das ISOS behandelt im Gegensatz zum<br />

Bauinventar keine Einzelobjekte, sondern<br />

beurteilt Gebäudegruppen oder Gebiete<br />

als Ganzes. Im Kanton Aargau wurde es<br />

allerdings seit den 1980er-Jahren nicht<br />

mehr aktualisiert, weshalb zum Teil Widersprüche<br />

zwischen dem im ISOS beschriebenen<br />

Qualitäten und den tatsächlichen<br />

Begebenheiten vor Ort bestehen. Zum Beispiel,<br />

wenn eigentlich wichtige Freiräume<br />

in der Vergangenheit, ohne Berücksichtigung<br />

des ISOS, bereits eingezont oder sogar<br />

überbaut wurden. Durch die gestiegene<br />

Bedeutung des ISOS in den letzten<br />

Jahren, die auch durch einige Bundesgerichtsurteile<br />

unterstrichen wurde, kann es<br />

hier zu Rechtsunsicherheiten kommen. Es<br />

ist deshalb wichtig, dass die Gemeinden in<br />

einer ausführlichen Interessenabwägung<br />

darlegen, warum eine Planung oder ein<br />

Vorhaben dem ISOS widerspricht. Eine<br />

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