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Berliner Zeitung 17.08.2019

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18 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 190 · 1 7./18. August 2019<br />

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Schönes Wochenende<br />

LOLA &FARRATI<br />

FUNDSTÜCKE<br />

VonJulia Grass<br />

Haben Sie auchetwas Neues in derStadtentdeckt?<br />

Bitte schreiben Sie uns an: berlin.fundstuecke@dumont.de<br />

BERND WÄHNER<br />

FRANCESCO CONTIERO<br />

VonLola Knoblach<br />

Wie Re-cycling<br />

wirklich funktioniert<br />

Ineiner großen Stadt wie Berlin gibt es viele Dinge,die nicht<br />

mehr gebraucht werden und die deshalb ihren Wegauf die<br />

Straße finden, wo sie dann eine gewisse Zeit hin- und hergeschwemmt<br />

werden, bis sie irgendwann verschwinden.<br />

In meiner Straße hängt seit ungefähr einem Jahr ein kleines<br />

Mountainbike an einem Straßenschild. Farrati gruselt sich jedes<br />

Mal, wenn wir daran vorbeifahren. Es hat keinen Sattel<br />

mehr und ist natürlich einigermaßen mitgenommen, aber eigentlich<br />

nicht unrettbar.Ich könnte ohne Umschweife noch<br />

vier,fünf weiteresolcher vergessenen Räder nennen. Es gibt<br />

ganz viele davon! Mankann zuschauen, wie sie nach und nach<br />

immer schwächer werden: Zuerst kriegen sie einen Platten,<br />

dann klaut jemand eine Pedale,ein Vorderrad verschwindet.<br />

Farrati fängt an zu schluchzen. „Die Armen! Keiner hat sie lieb!<br />

Undvermutlich haben sie noch nicht mal einen Namen!“<br />

Unddabei wäreessoeinfach: Manbräuchte eine Schrottchaisen-such-und-leih-App.Besitzer<br />

vonvergessenen Rädern<br />

werden aufgefordert, die Schlösser abzumachen oder ihreErlaubnis<br />

zu geben, sie abzuflexen. Dann bekommen die Räder<br />

einen GPS-Empfänger und werden so per Smartphone auffindbar<br />

für andereLeute.Die Fahrräder fahren sich wahrscheinlich<br />

eher blöd, sind schlecht gewartet und auch nicht<br />

sonderlich schön, aber man kann damit kostenlos zum nächsten<br />

U-Bahnhof oder vonder Kneipe nach Hause fahren.<br />

Wenn sich dabei herausstellen sollte,dass jemand das geliehene<br />

Fahrrad lieb hat, könnte man gegen einen geringen<br />

Kostenbeitrag den GPS-Empfänger deaktivieren lassen und<br />

das Fahrrad behalten. Da macht doch das Wort „Re-cycling“<br />

plötzlich Sinn: So finden die Fahrräder neue Freunde,die<br />

sich vielleicht besser um sie kümmern, als sie es bisher kannten,<br />

und die Menschen werden wieder ein kleines bisschen<br />

mobiler.<br />

Außerdem ist es auch noch eine gute Alternativezuden<br />

Tausenden immer gleichen Mieträdern, die in Berlin inzwischen<br />

in Haufen am Straßenrand liegen und vordenen sich<br />

Farrati natürlich auch gruselt. Es wärequasi eine zeitgemäße<br />

Version von„Zu verschenken“, nur dass es eben nicht um kaputte<br />

Drucker und zerlesene Bücher geht.<br />

Farrati ist begeistert. „Das machen wir! Wirretten alle vergessenen<br />

Fahrräder!“, ruft es und fängt an, in der Werkzeugkiste<br />

zu kramen. „Hm, so einfach ist es leider nicht“, gebe ich<br />

zu bedenken, „wir leben in einer Welt, in der ,kostenlos‘ und<br />

,zu verschenken‘ nicht gerade zu den Attributen einer geschäftsfähigen<br />

Idee gehören.“<br />

Farrati scheint mir nicht im Geringsten zuzuhören und beginnt<br />

vergnügt zu summen. „Was suchst du da eigentlich?“,<br />

frage ich. DasGerumpel hörtauf,Farrati strahlt über beide<br />

Lenkerenden: Es hat den Bolzenschneider gefunden.<br />

Geschichten vonLola&Farrati gibt es auch bei 100,6 FluxFM.<br />

Essen<br />

Urlaub<br />

auf dem Teller<br />

Ich bin eine große Freundin der mediterranen Küche. Allerdings:<br />

Auch wenn das Angebot in Berlin groß ist, liegt man<br />

oft mit der Wahl des Restaurants daneben. Einem vertraue ich<br />

allerdings: Francesco Contiero, Chefkoch des Restaurants RichardinKreuzberg.<br />

Dortfeiertman gerade die „Mediterranen<br />

Wochen“. Für den Sommer hat Contiero ein leichtes Menü<br />

kreiert, das dieVielfalt der Küche des Mittelmeerraumes abbildet,<br />

mit Einflüssen aus Marokko, Syrien, Kroatien, Spanien<br />

und selbstverständlich Südfrankreich. Catalanischer Pulpo-<br />

Salat steht auf der Karte, Lamm mit Fenchel, Tabouleh und<br />

mein persönlicher Favorit: Muschel-Sauté mit Safran. Das Richard<br />

ist ein Sterne-Restaurant, die Preise sind dementsprechend<br />

höher.Aber es ist trotzdem mein Tipp –besonders auch<br />

für all jene,die dieses Jahr auf den Urlaub im Süden verzichten<br />

und sich trotzdem etwas Schönes gönnen möchten.<br />

Restaurant Richard KöpenickerStraße 174,Kreuzberg. Di–Sa 19–0Uhr,Menü<br />

„Mediterrane Wochen“bis 31. August:75Europro Person,àlacarte ab 16 Euro<br />

Lichtkunst<br />

Tief im Netz<br />

versinken<br />

Wenn ich eins über das soziale NetzwerkInstagram sagen<br />

kann, dann, dass ich dort immer einen Überblick bekomme<br />

über das, was gerade angesagt ist. Scrolle ich derzeit<br />

durch meinen Account, dann war gefühlt schon die Hälfte der<br />

Menschen, denen ich dort folge, inden vergangenen Wochen<br />

im Kraftwerk Berlin. In dem alten Industriebau ist derzeit die<br />

Lichtinstallation Deep Webzusehen. 175 bewegliche Kugeln<br />

werden von Lasern angestrahlt. Daraus entsteht ein Netz aus<br />

Lichtstrahlen, in dem sich der Betrachter zum Takt elektronischer<br />

Musik verlieren kann. Das Werk des Lichtkünstlers<br />

Christopher Bauder und des Komponisten Robert Henke war<br />

bereits 2016 zu Gast in Berlin. Nunist die Schau wieder da und<br />

noch bis zum 24. August zu sehen.<br />

Deep Web noch bis24. August im Kraftwerk, Köpenicker Straße 70, Mitte.Mo–Do<br />

15–21 Uhr,Fr–Sa 13–23 Uhr, So 13–21 Uhr.Eintritt 12,50 Euro, ermäßigt 9,50<br />

Euro,Live-Performances27,50Euro<br />

DPA/CHRISTOPH SÖDER<br />

Kiez-Gefühle<br />

Ein Fest<br />

der Straße<br />

Etwas,das mich an Berlin sofortbegeisterthat, als ich vorelf<br />

Jahren hierher zog, war die Sache mit den Kiezen. Kieze<br />

kannte ich in der Form weder aus meiner kleinen Heimatstadt<br />

noch aus anderen Großstädten Deutschlands. Der Kiez als<br />

kleine Stadt in der Stadt, wo der Großstadtliebhaber, der an<br />

sich die Anonymität Berlins schätzt, dann doch heimelige Gefühle<br />

entwickelt und sich freut, wenn ihn Späti-Besitzer oder<br />

Bäckereiverkäuferinnen am Sonnabendmorgen wiedererkennen.<br />

Für mich ist das Kiezleben faszinierend. Ich lerne gern<br />

neue Kieze kennen und bin deshalb oft auf Kiezfesten unterwegs.AmWochenende<br />

wirdzum Beispiel in der Florastraße in<br />

Pankow gefeiert. Gewerbetreibende der Florastraße bauen<br />

ihre Stände auf den Bürgersteigen auf, am Sonnabend gibt es<br />

einen Trödelmarkt, und zwischenWollankstraße und Garbatyplatz<br />

wirdesProgramm auf diversen Bühnen geben.<br />

Florameile in der Florastraße, Pankow.Saab15Uhr,Soab14Uhr,Trödelmarkt<br />

Sonnabend15–18 Uhr<br />

Süddeutschland in Berlin<br />

Ja mei, wo gibt’sgute<br />

Breze(l)n?<br />

Heißt es nun Brezeln oder Brezen? In der Redaktion führen<br />

wir diese Diskussion seit einigen Tagen. Wir haben eine<br />

Journalistin aus Augsburg zuGast, die es sich zur Aufgabe gemacht<br />

hat, gute Breze(l)n in Berlin zu finden. Gesternfrüh kam<br />

sie freudestrahlend mit einem großen Karton in den Newsroom.<br />

Darin ein Haufen Brezeln aus der Brezelbar in Kreuzberg. Ich<br />

war etwas erstaunt, den Laden kannte ich noch nicht, obwohl<br />

ich als gebürtige Baden-Württembergerin oft selbst echte Brezeln<br />

vermisse.Knusprig müssen die sein und innen fluffig, nicht<br />

zu viel Salz, nicht zu wenig. Ich komme schon wieder ins<br />

Schwärmen! Unser Karton war jedenfalls innerhalb weniger Minuten<br />

leer.Die Brezelnaus der Brezelbarkönnen mit dem süddeutschen<br />

Original auf jeden Fall mithalten! Außer Brezeln gibt<br />

es dorteinesolide Frühstückskarte –mitWeißwurst-Frühstück.<br />

Brezelbar Friesenstraße 2, Kreuzberg.Mo–Sa 7–18 Uhr,So9–18Uhr.Brezelnfür<br />

1Euro. Weitere Infos: brezelbar.de<br />

IMAGO IMAGES<br />

WOHIN AM WOCHENENDE?<br />

Preußischer<br />

Apoll am<br />

Wasser<br />

Ein Ausflug nach Köpenick –<br />

erst zur Prinzen-Schau im<br />

Schloss, dann hinaus an die<br />

frische Luft<br />

VonIda Luise Krenzlin<br />

Prinz Louis Ferdinand, Porträt von Jean Laurent Mosnier,1799<br />

STIFTUNG PREUSSISCHE SCHLÖSSER UND GÄRTEN BERLIN-BRANDENBURG/ROLAND HANDRICK<br />

Auf nach Köpenick! Ob mit Rad<br />

oder Bahn, Berlins schöner Bezirk<br />

imSüdosten ist gerade im Sommer<br />

einen Ausflug wert. Wo sich<br />

Dahme und Spree treffen, gibt es<br />

herrliche Uferwege, Ausflugslokale<br />

mit Wasserblick, Flussbadestellen<br />

und noch dazu Sehenswürdigkeiten<br />

wie das Köpenicker Schloss.Esist eines<br />

der bedeutenden Schlösser der<br />

Hohenzollern, die erhalten geblieben<br />

sind. Es wurde von1677 bis 1690<br />

errichtet und liegt auf der herrlichen<br />

Schlossinsel.<br />

Die neue Ausstellung im Schloss<br />

heißt „Der Preußische Apoll“ und<br />

widmet sich dem schönsten Spross<br />

der Preußen-Dynastie. Prinz Louis<br />

Ferdinand von Preußen (1772–1806)<br />

war ein Enkel des Soldatenkönigs<br />

Friedrich Wilhelm I. Nach seinem<br />

Todschrieb Theodor Fontane eine<br />

Ballade über ihn. „Sechs Fuß hoch<br />

aufgeschossen,/ Ein Kriegsgott anzuschaun,/<br />

Der Liebling der Genossen,/<br />

Der Abgott schöner Fraun,/<br />

Blauäugig, blond, verwegen,/ Undin<br />

der jungen Hand,/ Den alten Preußendegen/<br />

–Prinz Louis Ferdinand.“<br />

Prinz Louis war ein Liebling der<br />

Frauen und ein hervorragender Pianist<br />

dazu, der in den bekanntesten<br />

<strong>Berliner</strong> Salons spielte. Die Ausstellung<br />

widmet sich dem musikalischen<br />

Schaffen des Prinzen, seiner Familie,<br />

seinen Liebschaften. Zu sehen sind<br />

Originaldokumente, Notenabschriften,<br />

Kandelaber, die <strong>Berliner</strong> Salons<br />

jener Zeit werden zum Leben erweckt.<br />

Diese Musik und auch die<br />

Kompositionen des Prinzen werden<br />

in einer für die Ausstellung konzipierten<br />

Konzertreihe aufgeführt.<br />

Geboren wurde Prinz Louis Ferdinand<br />

am 18. November 1772 im<br />

Schloss Friedrichsfelde. Als Kind<br />

spielte er auf weiten Wiesen, bevor<br />

die Familie in die Wilhelmstraße zog<br />

und sich ab 1785 das Schloss Bellevue<br />

am Rande des Tiergartens errichten<br />

ließ. Louis hatte den Nimbus<br />

des strahlenden Heldenprinzen. Zum<br />

Ärger seines Vaters Prinz Ferdinand,<br />

jüngster Bruder des preußischen Königs<br />

Friedrich II., machte er allerdings<br />

Schulden ohne Ende, kaufte zuviel<br />

Wein, Delikatessen, Schmuckstücke.<br />

Ganz Berlin tratschte über den<br />

rastlosen Lebenswandel des preußischen<br />

Enfant terrible. Fontane dichtete:<br />

„Die Generalitäten/ Kopfschütteln<br />

früh und spät,/ Sieräuspernsich<br />

und treten/ VorSeine Majestät,/ Sie<br />

sprechen: Nicht zu dulden/ Istdieser<br />

Lebenslauf,/ Die Mädchen und die<br />

Schulden/ Zehren den Prinzenauf.“<br />

Louis starb im Kampf gegen die<br />

napoleonischen Truppen. Sein früher<br />

Todmachte ihn endgültig zu einem<br />

preußischen Helden.<br />

Nach dem Besuch der Ausstellung<br />

im Schloss sollte man nicht vergessen,<br />

einmal über die Schlossinsel<br />

zu spazieren. Überall blüht es,Bänke<br />

laden zum Verweilen ein, auf der

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