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Berliner Zeitung 17.08.2019

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20 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 190 · 1 7./18. August 2019<br />

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Berlin bewegt sich<br />

Wankend im Wind<br />

Der Anfang ist zum Verzweifeln. Aber eigentlich lässt sich Surfen vergleichsweise leicht erlernen<br />

VonJulia Frese<br />

Farbkleckse auf grauem See: An den gleichartigen Segeln erkennt man die Schülerinnen und Schüler der Surfschule am Müggelsee. An einem bewölkten Tagversuchte sich unsere Autorin (Mitte) erstmals auf einem solchen Brett.<br />

THOMAS UHLEMANN<br />

Das Surfsegel kommt mir<br />

vor wie ein Sack Steine,<br />

der mich in die Tiefe ziehen<br />

will. Immer, wenn<br />

ich es an seiner Leine aus dem Wasser<br />

hole,verliertmein Körper die Balance<br />

auf dem Brett und ich lande<br />

platschend in den kühlen Fluten des<br />

Müggelsees. „Beim Surfen ist das<br />

Wichtigste, dass man gut aussieht“,<br />

hat Surflehrer Martin Adam vorhin<br />

lässig bei den Trockenübungen auf<br />

der Uferwiese gesagt und kollektives<br />

Gelächter der Kursteilnehmer geerntet.<br />

Ich habe den Eindruck, das<br />

klappt bei mir bisher noch nicht so<br />

gut. Aber ich stehe ja auch erst seit<br />

ein paar Minuten auf dem Brett.<br />

Prüfung nach zwölf Stunden<br />

An Land, auf dem Simulator-Brett,<br />

hatte alles ganz einfach gewirkt:<br />

Windrichtung prüfen, Segel aufrichten,<br />

Füße in Fahrtrichtung aufstellen<br />

und los. Dahatte sich der Boden unter<br />

mir aber auch noch nicht bewegt.<br />

Ausden Augenwinkeln registriere<br />

ich, dass es zum Glück noch ein paar<br />

weiteren Kursteilnehmern ergeht<br />

wie mir. Andere hingegen reiten<br />

schon elegant und mühelos über die<br />

Wellen. Der Grundkurs in der Surfund<br />

Segelschule Müggelsee besteht<br />

aus vier Einheiten à drei Stunden.<br />

EinTeil der heutigen Teilnehmer hat<br />

schon einen Kurstermin hinter sich.<br />

Ich beschließe, das als Ansporn zu<br />

nehmen und krabbele zurück aufs<br />

schwankende Brett.<br />

Mein Hauptproblem scheint zu<br />

sein, dass ich das Segel nicht senkrecht<br />

genug halte.Dafür muss ich die<br />

Arme länger ausstrecken und den<br />

Körper gegen den Wind nach hinten<br />

lehnen. Als Surflehrer Martin Adam<br />

die Schwachstelle diagnostizierthat,<br />

wird alles plötzlich viel einfacher.<br />

Das Segel ist eigentlich gar nicht so<br />

schwer, stelle ich fest. Und da ich<br />

mich nun nicht mehr so nach vorne<br />

beugen muss, umeszuhalten, kriegen<br />

auch meine Füße besseren Halt.<br />

Adam macht mir Mut: Er selbst hat<br />

erst vor drei Jahren im Urlaub zum<br />

ersten Malauf dem Surfbrett gestanden.<br />

„Damals war ich mir sicher, ich<br />

lerne das nie im Leben“, erinnert er<br />

sich. Inzwischen gibt er, imWechsel<br />

mit drei anderen Lehrern, regelmäßig<br />

Kurse der Surf- und Segelschule<br />

Müggelsee.<br />

Windsurfen gehört also zu den<br />

Sportarten, die man innerhalb kurzerZeit<br />

–zumindest auf einem guten<br />

Laienniveau –zubeherrschen lernt.<br />

Um die Prüfung für den Grundschein<br />

des Verbands Deutscher Wassersportschulen<br />

abzulegen, genügen<br />

zwölf Unterrichtsstunden. Der<br />

Grundschein ist in ganz Berlin und<br />

an den meisten weltweiten Verleihstationen<br />

Voraussetzung, um an<br />

Brett und Segel zu kommen. Die<br />

meisten Anfänger greifen zunächst<br />

auf Leihausrüstungen zurück, denn<br />

eine neue Surfausrüstung kostet in<br />

der Regel mehr als 1000 Euro.<br />

Für uns gehören bei diesem Kurstermin<br />

auch Neoprenanzüge dazu.<br />

Nach ein paar Tagen wechselhaften<br />

Wetters ist es selbst im flachen Teil<br />

des Müggelsees für ein mehrstündiges<br />

Badetwas zu kühl geworden. Bei<br />

wärmeren Wassertemperaturen genügt<br />

aber auch normale Badekleidung<br />

zum Surfen. Um die Füße vor<br />

Verbände: Es gibt mehrere<br />

Dachorganisationen, eine ist<br />

der Verband Deutscher Wassersportschulen(VDWS).<br />

Auf<br />

seiner Website kann man regional<br />

nach Anbieternvon<br />

Windsurf-Schulen suchen.<br />

Info: www.vdws.de<br />

ANSPRECHPARTNER<br />

Wassersportschulen: Die<br />

Surf- und SegelschuleMüggelsee<br />

bietetbis September<br />

an den WochenendenSurfkursean.<br />

Alternativen: Das<br />

Wassersportcenter am Wannseesowie<br />

dieSegelschule<br />

Hering am Nikolassee.<br />

Trockenübung an Land: unsere Autorin mit Surftrainer Martin Adam.<br />

Vereine: Der am Wannsee<br />

ansässigeWSEV rühmt sich,<br />

der älteste Windsurfverein<br />

der Welt zu sein. Die Landessportbund-Website<br />

listet nur<br />

zwei Vereine auf: Tegeler SegelClub<br />

e.V.und Yachtclub<br />

Berlin-Grünau.<br />

THOMAS UHLEMANN<br />

scharfkantigen Steinen am Grund<br />

des Sees zu schützen, tragen wir zusätzlich<br />

zu den Neoprenanzügen<br />

Surfschuhe.<br />

Nachdem ich es endlich schaffe,<br />

länger als ein paar Sekunden auf<br />

dem Surfbrett stehen zu bleiben,<br />

kommt die nächste Schwierigkeit.<br />

Wenn ich das Segel in Windrichtung<br />

ausgerichtet habe, komme ich zwar<br />

vorwärts –aber nur in eine Richtung.<br />

Dass das ein Problem ist, merke ich<br />

spätestens, als mein Surfbrett unsanft<br />

mit dem eines anderen Kursteilnehmers<br />

kollidiert. Als wir im<br />

letzten Moment panisch unsere<br />

Surfsegel zur Seite ziehen, ruft uns<br />

unser Lehrer vom Nachbarbrett aus<br />

zu: „Probiert es doch mal mit der<br />

Wende,die wir vorhin an Land geübt<br />

haben!“ Stimmt, da war doch was.<br />

Um in die andere Richtung zu fahren,<br />

sollten wir mit dem Segel fest in<br />

der Hand einmal um den Mast herumtrippeln.<br />

Ich versuche es, setze<br />

dabei aber leider einen Fuß zuweit<br />

an den Brettrand und lande –mal<br />

wieder –imWasser.<br />

Fortgeschrittene Windsurfer, so<br />

lerne ich später, beherrschen den<br />

Wechsel von der einen auf die andere<br />

Seite des Masts mit einem lockeren<br />

Sprung. Außerdem können<br />

sie in fast jede beliebige Richtung<br />

fahren, indem sie wie beim Segeln<br />

immer leicht schräg zum Wind hinund<br />

herfahren. Kreuzen nennt sich<br />

das. „Physikalisch funktionieren<br />

Windsurfen und Segeln genau<br />

gleich“, sagt Martin Adam. Die Luft<br />

strömt zum Teil um das Surfsegel<br />

herum, zum Teil drückt sie es vorwärts.<br />

Im Grunde brauche ein Surfer außer<br />

Brett und Segel bloß zwei Dinge:<br />

eine kleine Wasserfläche und ein<br />

bisschen Wind. An Letzterem hat es<br />

in den vergangenen Wochen allerdings<br />

etwas gehapert, sodass ein<br />

paar Grundkurstermine kurz vorher<br />

wiederabgesagt werden mussten.<br />

Die Windvorhersage ist oft noch<br />

ungenauer als die Regenvorhersage,<br />

wie der Surflehrer aus Erfahrung<br />

weiß. Aber ohneWind kann auch das<br />

größte Surfsegel nichts ausrichten,<br />

dann treibt das Brett eben bloß auf<br />

der Stelle.„Wenn dieKursteilnehmer<br />

schon hier sind und wir dann merken,<br />

dass einfach absoluteWindstille<br />

herrscht, kriegen sie vonuns zur Entschädigung<br />

kostenlos eine Standup-Paddling-Leihausrüstung“,<br />

sagt<br />

Martin Adam. Der Kurstermin wird<br />

dann natürlich gutgeschrieben.<br />

Einmal um den Mast trippeln<br />

Für unseren Kurs reicht der Wind<br />

zum Glück. Wenn ich nicht gezwungen<br />

bin die Richtung zu ändern,<br />

komme ich inzwischen ganz gut<br />

voran. Die Füße scheinen ihre Position<br />

gefunden zu haben, ich stehe<br />

nahezu aufrecht und dass der Untergrund<br />

wackelt, merke ich kaum<br />

noch.<br />

Kurz vor Ende des Kurses gelingt<br />

mir dann tatsächlich, was ich am<br />

Anfang kaum für möglich gehalten<br />

hätte: Mit kleinen, vorsichtigen<br />

Schritten umrunde ich einmal den<br />

Mast mit dem Surfsegel –ohne dabei<br />

ins Wasser zu fallen. Beim<br />

nächsten Mal schaffe ich esjavielleicht,<br />

dabei auch noch gut auszusehen.<br />

Wellen, Wasser,Wenden<br />

Wellenreiter in Honolulu auf Hawai,<br />

1929<br />

IMAGO IMAGES<br />

Geschichte<br />

Die ersten Surfer waren Polynesier,<br />

wie Forscher herausfanden.<br />

Bereits im 12. Jahrhundert zeigen<br />

Höhlenmalereien aus Ozeanien<br />

Menschen, die mit Brettern über<br />

Meereswellen reiten. Seefahrer<br />

brachten die Idee des Surfens im<br />

18. Jahrhundert nach Hawaii. Dort<br />

wurde in den folgenden Jahrzehnten<br />

jedoch nicht zum Spaß gesurft: Die<br />

Hawaiianer praktizierten religiöse<br />

Rituale auf dem Brett, um die Götter<br />

milde zu stimmen.<br />

Nachdem Missionare das Surfen<br />

zunächst verboten, verhalfen Reiseschriftsteller<br />

wie Mark Twain dem<br />

Wellensportschließlich zu neuer Beliebtheit.<br />

Ab Anfang der 60er-Jahre<br />

entstand ein regelrechter Surf-<br />

Boom, den auch Hollywoodfilme<br />

wie „Endless Summer“ und „Gidget“<br />

befeuerten. Als Kombination aus<br />

Wellenreiten und Segeln entwickelte<br />

der Amerikaner Newman Darby1964<br />

das ersteWindsurf-Brett. (jfr.)<br />

Die günstigsten Modell sind bereits<br />

ab 20 Euro zu haben. O'NEILL<br />

Ausstattung<br />

Ein Brett, ein Segel, etwas Wasser<br />

und etwas Wind –mehr braucht<br />

der Windsurfer nicht. Aber das allein<br />

lässt er sich oft einiges kosten.<br />

Die Bretter unterscheiden sich<br />

nach Breite, Länge und Volumen,<br />

beim Segel kommt es auf die Fläche<br />

an. Für Anfänger ist ein möglichst<br />

großvolumiges Brett mit einer Länge<br />

zwischen 220 und 280 Zentimeter<br />

und einer Breite zwischen 50 und<br />

100 Zentimeter am einfachsten zu<br />

handhaben. Die Kosten für ein Brett<br />

liegen je nach Modell bei 500 bis<br />

1000 Euro. Dazu kommen Mast, Gabelbaum<br />

und Segel für einige HundertEuro.<br />

DieFläche des Segels und<br />

die Höhe des Masts orientieren sich<br />

an der Körpergröße und an dem Gewicht<br />

des Windsurfers.<br />

Um auch bei kälterenWassertemperaturen<br />

warmzubleiben, lohnt es<br />

sich zudem in einen Neoprenanzug<br />

zu investieren. Günstige Modelle<br />

gibt es bereits ab etwa 20 Euro. (jfr.)<br />

Surfbretter gibt es in diversen<br />

Breiten, Längen und Stärken.<br />

SB<br />

Bretter<br />

Bei den Surfbrettern gibt es eine<br />

große Vielfalt: Das ideale Anfängerbrett<br />

ist breit und besitzt ein sogenanntes<br />

Schwert, eine ins Wasser ragende<br />

Platte. Die sorgt dafür, dass<br />

das Board imWasser nicht so leicht<br />

umkippt.<br />

Auf Freeridebrettern lässt es sich<br />

am besten ganz entspannt dahingleiten.<br />

Für komplizierte Wendemanöver<br />

und Geschwindigkeit sind sie<br />

hingegen die falsche Wahl.<br />

Wavebretter sind besonders klein<br />

und wendig. Sie eignen sich für erfahrenereWellenreiter,die<br />

sich auch<br />

bei stärkerer Brise sicher auf ihrem<br />

Board fühlen. Formulabretter sind<br />

breiter und voluminöser und ragen<br />

beim Surfen halb aus dem Wasser.<br />

Durchdie geringe Reibung fahren sie<br />

besonders schnell. Speedbretter<br />

sind etwas für Profis – mit diesen<br />

sehr schmalen Bretternkommt man<br />

am einfachsten auf rasante Geschwindigkeiten.<br />

(jfr.)

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