Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...
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selbstverletzende Verhaltensweisen<br />
wieder auflösen können.<br />
Ein Schlüssel zur Veränderung können<br />
Angebote auf körperlicher Ebene<br />
sein. Die von uns aus der Hakomi-Therapie<br />
(siehe Info-Kasten) übertragene<br />
Methode des Abnehmens gepaart mit<br />
der des Umlenkens ermöglicht neue Erfahrungen.<br />
Auch hier gilt es den Menschen<br />
mit selbstverletzendem Verhalten<br />
liebevoll zu begleiten, Ursachen zu erforschen<br />
<strong>und</strong> Alternativen für die selbstzerstörerische<br />
Form von Aggression<br />
aufzuzeigen. Dies wird dankbar angenommen.<br />
Meine Reaktion als Betreuer/-in<br />
Wie ich als Mitarbeiter/-in auf Ärger<br />
<strong>und</strong> Wut reagiere, hängt zum einen von<br />
meinen persönlichen Erfahrungen, zum<br />
anderen von der Aggressionskultur der<br />
Einrichtung, in der ich arbeite, ab. Wir<br />
konnten oft beobachten, dass Mitarbeiter<br />
aus Angst vor Gewalt bemüht sind,<br />
den verbalen <strong>und</strong> den körperlichen Ausdruck<br />
von Zorn zu blockieren. „Jetzt rege<br />
dich nicht so auf ..., ... höre auf zu<br />
schreien, ... höre auf zu toben, wenn du<br />
nicht aufhörst, dann ...“. Doch durch<br />
diesen Versuch, Ärger <strong>und</strong> Wutgefühle<br />
zu unterbinden, werden diese eher verstärkt.<br />
Leicht entsteht ein Machtkampf<br />
der Beteiligten. Die Situation eskaliert.<br />
Der alte pädagogische Gr<strong>und</strong>satz: „Zu<br />
jedem ausgesprochenen Verbot muss eine<br />
Alternative angeboten werden“,<br />
fehlt. Der Ausdruck von Ärger <strong>und</strong> Wut<br />
benötigt einen klaren Rahmen: Was ist<br />
wo <strong>und</strong> wie erlaubt? Welcher Ausdruck<br />
für Ärger <strong>und</strong> Wutgefühle ist in Ordnung?<br />
Welche Grenzen gibt es? Es geht<br />
darum, Gewalt zu stoppen! Die Klarheit<br />
der Grenzen <strong>und</strong> das dazugehörige Angebot<br />
schaffen Orientierung.<br />
Recht auf Schutz<br />
Wer Menschen, die aus vielfältigen<br />
Gründen Gewalt gegen sich <strong>und</strong> andere<br />
Menschen richten, in ihrem Wachstum<br />
unterstützen will, sollte sich selbst <strong>und</strong><br />
andere schützen können. Häufig löst ein<br />
körperlicher Angriff bei Mitarbeitern/<br />
-innen Angst <strong>und</strong> Wut aus. Der Angriff<br />
wird als persönliche Kränkung empf<strong>und</strong>en.<br />
Die Gefahr, dass Betreuer/-innen<br />
sich als hilflose Opfer erleben oder<br />
selbst mit Gewalt reagieren, ist groß.<br />
Dies sind beides unbefriedigende Reaktionen.<br />
Bewusst, entschieden <strong>und</strong> möglichst<br />
gelassen zu reagieren, ist das Ziel. Sicherheit<br />
vermittelt das Üben von effektiven,<br />
gewaltfreien Verteidigungsformen.<br />
Die sanfte asiatische Kampfkunst<br />
Tai Chi (siehe Info-Kasten) ist hierfür<br />
sehr gut geeignet, wenn sie mit pädagogischem<br />
Handeln verknüpft wird. Wesentlich<br />
ist die innere Haltung. Statt<br />
mich in einen Machtkampf zu verstricken,<br />
bin ich für den Angreifer, der<br />
ein Problem hat, da. Ich zeige ihm akzeptable<br />
Wege, mit seiner Wut umzugehen.<br />
Dadurch entstehen Vertrauen <strong>und</strong><br />
ges<strong>und</strong>e Autorität. Ich als Mitarbeiter/<br />
-in setze meine Macht nicht ein, um<br />
überlegen zu sein, sondern nutze meine<br />
innere Stärke, um verantwortlich Orientierung<br />
zu bieten. Wenn ich Menschen<br />
zeige, wie sie gut mit ihren Gefühlen<br />
umgehen können, dann erleben<br />
sie mich auf ihrer Seite. Ich gebe Halt<br />
<strong>und</strong> Sicherheit. Durch den emotionalen<br />
Ausdruck von Ärger <strong>und</strong> Wut findet,<br />
ähnlich wie beim Weinen, Heilung von<br />
emotionalen Verletzungen statt.<br />
Häufig stehen hinter der Wut Trauer-<br />
<strong>und</strong> Angstgefühle. Trauer, die als<br />
natürliche Reaktion auf persönliche<br />
Verletzungen entstanden ist. Angst vor<br />
neuem Schmerz. Die äußere Zerstörung<br />
ist ein Spiegel der inneren Verzweiflung<br />
Ein junger Mann, der sehr viel jammerte,<br />
dabei wie ein kleines Kind wirkte<br />
<strong>und</strong> immer wieder um sich schlug<br />
<strong>und</strong> sich <strong>und</strong> andere heftig verletzte,<br />
entwickelte ungeahnte Fähigkeiten,<br />
nachdem er sich auch mit seiner Wut<br />
angenommen fühlte. Er begann, über<br />
die Ursachen für sein Verhalten zu erzählen.<br />
Wir waren so erstaunt, da wir<br />
ihm nicht zugetraut hatten, dass er so<br />
genau über seine Vergangenheit sprechen<br />
konnte. Seine Geschichte, die von<br />
Bestrafungen <strong>und</strong> Missachtung seiner<br />
Gr<strong>und</strong>rechte geprägt war, löste Mitgefühl<br />
für ihn aus. Wir verstanden sein<br />
Verhalten als Schutzreaktion vor neuem<br />
Leid. Sein Misstrauen Menschen gegenüber<br />
machte Sinn. Wir hatten Respekt<br />
vor seinem Kampfgeist, er hatte<br />
sich nicht aufgegeben.<br />
Als sich seine emotionale Blockade<br />
gelöst hatte, wuchs wieder Vertrauen in<br />
sich <strong>und</strong> seine Mitmenschen. Soziale<br />
<strong>und</strong> kognitive Fähigkeiten kamen zum<br />
Vorschein. Die innere Anspannung<br />
weicht der Ruhe. Dass Gr<strong>und</strong>gefühle<br />
wie Ärger, Trauer <strong>und</strong> Angst ihren Platz<br />
im Leben haben, schafft Selbstvertrauen.<br />
PSYCHOLOGIE<br />
Ich bin in Ordnung, wie ich bin.<br />
Dies bildet die Basis, um Ärger als Antrieb<br />
für die eigene Lebens- <strong>und</strong> Beziehungsgestaltung<br />
nutzen zu können.<br />
Werden Grenzen sanft <strong>und</strong> effektiv gesetzt,<br />
Verletzungen <strong>und</strong> Gewalt verhindert<br />
<strong>und</strong> haben Ärger <strong>und</strong> Wut Erlaubnis,<br />
kann ein lebendiges <strong>und</strong> liebevolles<br />
Miteinander entstehen.<br />
Erforschen der Ursachen<br />
<strong>und</strong> Zusammenhänge von<br />
herausforderndem Verhalten<br />
Beim Erforschen der Hintergründe stellten<br />
wir mit Kollegen immer wieder fest,<br />
dass wir Eltern, Lehrer <strong>und</strong> Betreuer<br />
Fehler in der Erziehung machen. Selten<br />
geschieht dies aus Absicht.<br />
Ein Mann, der neu in die Einrichtung<br />
gezogen war, besuchte die Förderstättengruppe,<br />
in der ich seinerzeit arbeitete.<br />
Er brachte einen alten Werbekatalog<br />
mit, in dem er unaufhörlich blätterte.<br />
Andere Aktivitäten lehnte er ab. Ich<br />
nötigte ihn, den Katalog wegzuräumen,<br />
mit der guten Absicht, ihm noch andere<br />
vielfältige Angebote machen zu können.<br />
Er bekam wenig später einen heftigen<br />
Wutausbruch, bei dem er sich in meinem<br />
Arm festbiss <strong>und</strong> festkrallte. Als ich<br />
später reflektierte, wurde mir klar, dass<br />
er Angst bekommen hatte. Der Katalog<br />
war der einzige vertraute Gegenstand,<br />
da er ihn schon an seinem früheren<br />
Wohnort besessen hatte. Alles andere<br />
war für ihn neu <strong>und</strong> fremd: Die Betreuer(innen)<br />
der Wohngruppe, die der Förderstätte,<br />
seine Mitbewohner(innen),<br />
die neuen Regeln <strong>und</strong> Normen, die<br />
Räumlichkeiten, die Wege in der Einrichtung<br />
usw.<br />
Ich stellte mir vor, wie es mir in einem<br />
fremden Land ergehen würde, in<br />
dem ich keinen Weg kenne, in dem ich<br />
Gefahren nicht einschätzen könnte <strong>und</strong><br />
mir die Sitten <strong>und</strong> die Sprache der dort<br />
lebenden Menschen unverständlich wären.<br />
Ich hätte Angst. Auch mir würden<br />
vertraute Gegenstände Trost spenden.<br />
Er hatte nur den alten Katalog, den er<br />
kannte, an dem er sich festhielt. Diesen<br />
letzten Halt hatte ich ihm weggenommen.<br />
Als ich dies erkannte, konnte ich<br />
seinen Wutausbruch besser verstehen.<br />
Gerade durch aggressive Handlungen<br />
wie festkrallen <strong>und</strong> festbeißen werden<br />
Halt <strong>und</strong> menschliche Nähe gesucht.<br />
In Zukunft akzeptierte ich seinen<br />
Katalog, <strong>und</strong> wir suchten gemeinsame<br />
Wege zu neuen Tätigkeiten, so z.B. den<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006 21