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Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...

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hältnis dargestellt, das einer gleichwertigen<br />

Integration von Kindern mit Trisomie<br />

21 entgegensteht.<br />

Die Zeichnungen im Buch sind teilweise<br />

durchaus ansprechend. Warum<br />

ausgerechnet dieses Bild, das ein<br />

Mädchen mit kantigem Gesicht, Krone<br />

<strong>und</strong> Zigarre darstellt <strong>und</strong> wohl eines der<br />

häss-lichsten dieses Buches ist, das Cover<br />

krönt, bleibt ein Rätsel.<br />

Die Publikation halte ich nicht nur<br />

für das Ansehen von Menschen mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> für bedenklich, sondern<br />

auch eines anthroposophisch orientierten<br />

Verlages für unwürdig<br />

Malte <strong>und</strong> Sebastian<br />

Autorin: Vera Krott-Unterweger<br />

mit Bildern von Alexandra Junge<br />

Verlag: Kerle, Herder Verlag, 2006<br />

ISBN 13:978-3-451-70710-0<br />

Preis: 12,90 Euro<br />

Die Nachbarn sind weggezogen <strong>und</strong><br />

mit ihnen der Fre<strong>und</strong>. Nun, beobachtet<br />

von Mutter <strong>und</strong> Sohn Malte, ziehen<br />

neue Nachbarn ein <strong>und</strong> endlich<br />

wird auch ein Kind sichtbar, mit Struppelhaaren,<br />

„aber vor allem ein Kind mit<br />

Schlitzaugen“, das sich ungeschickt bewegt.<br />

„Das ist ein <strong>Down</strong>-Kind, ... ein<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>-Kind. Ein behindertes<br />

Kind“, erklärt die Mutter. Und sie schlägt<br />

vor, den neuen Nachbarn guten Tag zu<br />

sagen. Malte hat keine Lust: „Was soll er<br />

sagen, wie spricht man mit einem be-<br />

hinderten Jungen?“ Die Mutter ruft Malte,<br />

er muss nun wohl, sieht sein Skateboard<br />

<strong>und</strong> liefert im Herankommen eine<br />

fast zirkusreife Skateboarddarbietung.<br />

Das begeistert den kleinen neuen<br />

Nachbarn, „Basti auch mal fahlen“,<br />

schreit er. Der spricht ja nicht richtig!<br />

Doch der Kleine lässt nicht locker, steigt<br />

aufs Skateboard <strong>und</strong> bittet <strong>und</strong> strahlt.<br />

Das wirkt. Malte zieht Bastian <strong>und</strong> es<br />

beginnt ein w<strong>und</strong>erbares Spiel. Das<br />

Glück des Kleinen erfüllt auch Malte.<br />

Zwei Kinder kommen vorbei: „Mit wem<br />

spielst du denn, der kann ja gar nicht<br />

richtig Skateboard fahren.“ Die Kinder<br />

tanzen um die beiden herum <strong>und</strong><br />

schreien: „Schlitzauge, Schlitzauge!“ Da<br />

wird Malte stark: „Lasst ihn in Ruhe, Sebastian<br />

ist mein Fre<strong>und</strong>“, ruft er.<br />

Schön, wenn sich Autoren <strong>und</strong> ein<br />

Verlag dem Thema der Integration von<br />

Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> widmen<br />

<strong>und</strong> so ist das Erscheinen dieses Buches<br />

uneingeschränkt zu begrüßen. Doch<br />

warum habe ich nach der Lektüre das<br />

Gefühl, dass das Versprechen „Eine<br />

warmherzige Geschichte zum Thema<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>“, das der Button auf<br />

dem Einbanddeckel verheißt, nicht erfüllt<br />

wurde?<br />

In dieser Geschichte trifft (scheinbar)<br />

ein Kind zum ersten Mal mit einem<br />

Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zusammen.<br />

Es ist befremdet von seiner nicht<br />

altersbedingten Ungeschicklichkeit <strong>und</strong><br />

von seinem Aussehen, den „Schlitzaugen“.<br />

Die Schilderung von Bastis Auftauchen<br />

ist scharf beobachtet, wirkt in<br />

dieser Schärfe allerdings negativ. Gerade<br />

in diesem sensiblen Bereich sollten<br />

aber Achtsamkeit vor der Würde eines<br />

behinderten Menschen spürbar sein.<br />

Und wenn seine Augenform dabei mit<br />

genau dem Ausdruck belegt wird, der in<br />

der weiteren Geschichte als Schimpfwort<br />

benutzt wird, so werden Beschreibung<br />

<strong>und</strong> Beschimpfung verbal miteinander<br />

verkoppelt. Das hätte man anders<br />

formulieren können <strong>und</strong> müssen, damit<br />

klar wird, dass ein respektvoller (warmherziger)<br />

Umgang bei der Beschreibung<br />

von Menschen mit Handicap möglich ist<br />

<strong>und</strong> sich die Beschimpfung (Schlitzauge)<br />

davon als solche abheben kann. Überhaupt:<br />

Wird hier das Erscheinen eines<br />

Kindes mit Handicap nicht wie die Ankunft<br />

eines Aliens beschrieben – nicht<br />

einmal das Geschlecht ist ermittelbar?<br />

Und dann so ein Satz: „Der Vielleicht-<br />

Junge lacht laut.“<br />

PUBLIKATIONEN<br />

Die Mutter erklärt: „Das ist ein <strong>Down</strong>-<br />

<strong>Syndrom</strong>-Kind. Ein behindertes Kind.“<br />

Punkt. Keine Erklärung. Alles bisher Gesagte<br />

schildert Anormalität, Fremdheit,<br />

Negatives. Da die Mutter keine Hilfe bietet,<br />

ist es klar, dass Malte nicht weiß,<br />

wie man mit einem behinderten Jungen<br />

spricht.<br />

Schön nun die Geschichte, wie der<br />

Kleine auf das Skateboard steigt – nur<br />

die wie zwei Sonnen strahlenden Augen<br />

sind irgendwie peinlich <strong>und</strong> übertrieben<br />

– <strong>und</strong> Malte verspricht: „Ich zieh dich<br />

ganz weit.“<br />

Nun die hässliche Szene mit den anderen<br />

Kindern, die Basti als Schlitzauge<br />

beschimpfen <strong>und</strong> die beiden umtanzen,<br />

– auch diese Situation überzogen –, in<br />

der Regel verhalten sich Kinder bei ersten<br />

Begegnungen mit behinderten Menschen<br />

abwartend <strong>und</strong> Hänseleien erfolgen<br />

erst später. Jedoch, in Malte wachsen<br />

ungeahnte Kräfte. Auch das geht zu<br />

schnell, diese Fre<strong>und</strong>schaft ist nicht<br />

glaubhaft – vor allem nicht nach dieser<br />

Vorgeschichte. Und so bleibt ein unbefriedigendes<br />

Gefühl.<br />

Würde ich mir nun wünschen, dass<br />

dieses Buch in Kindergärten, Schulen<br />

<strong>und</strong> Familien gelesen wird, um die Integration<br />

von Kindern mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />

zu erleichtern? Nein! Leider werden hier<br />

genau jene Verhaltensweisen geschildert,<br />

gegen die in der Integration herzhaft<br />

gekämpft wird: Es fehlen Achtsamkeit<br />

<strong>und</strong> Respekt vor der Würde eines<br />

Behinderten in Worten (Schlitzauge –<br />

Beschreibung des ankommenden Bastian);<br />

hier wird die Unsicherheit im Umgang<br />

mit Menschen mit Handicap nur<br />

beschrieben statt in kindgemäßer Form<br />

gute, von Herzenswärme geprägte Verhaltensmodelle<br />

zu schildern <strong>und</strong> zur<br />

Nachahmung anzubieten.<br />

Dazu die abstoßende Hänselszene,<br />

die in der schnellen <strong>und</strong> nicht glaubhaften<br />

neuen Fre<strong>und</strong>schaft kein wirkliches<br />

Gegengewicht hat.<br />

Dem Verlag <strong>und</strong> den Lektoren empfehle<br />

ich als Kriterium für die Güte eines<br />

solchen Kinderbuches: wenn erwachsene<br />

oder heranwachsende Menschen mit<br />

<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> von diesem Buch begeistert<br />

wären. Diejenigen, die ich kenne,<br />

würden nach der Lektüre toben vor<br />

Wut.<br />

Elisabeth Beck<br />

Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006 61

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