Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...
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PUBLIKATIONEN<br />
Foto-Shooting mit Jason Reilly, Starsolist<br />
des Stuttgarter Balletts, <strong>und</strong> Sophie Kowalik<br />
Sylvia Kowalik<br />
Wenn ich an das Foto-Shooting mit<br />
Jason <strong>und</strong> Sophie denke, wird<br />
mir immer noch ganz warm ums Herz.<br />
Es ist ein Geschenk für mich.<br />
Aber der Reihe nach. Nach einer ersten<br />
Kontaktaufnahme bat die Dame der<br />
Pressestelle des Stuttgarter Balletts,<br />
dass wir zwei Wochen vor dem eigentlichen<br />
Foto-Termin zur Anprobe kommen<br />
sollten. Oh je, dachte ich, was für<br />
ein Zeitaufwand! Dieser Gedanke verschwand<br />
allerdings ziemlich schnell, als<br />
Sophie <strong>und</strong> ich uns im Ballett einfanden.<br />
Hier durften wir erleben, mit welch<br />
einfühlsamer Sorgfalt von allen Beteiligten<br />
des Balletts der Foto-Termin vorbereitet<br />
wurde, ob das nun die Pressedame,<br />
die Damen der Kostümabteilung<br />
oder die Maskenbildnerinnen waren.<br />
Überall wohin wir kamen, wurden wir<br />
mit fre<strong>und</strong>lichem Interesse begrüßt.<br />
Und noch ein weiteres Mal wurden<br />
wir gebeten, vor dem Foto-Termin zu<br />
kommen: Jason <strong>und</strong> Sophie sollten sich<br />
kennenlernen können. Und diesmal<br />
freuten wir uns schon vorher! Mir war<br />
bewusst, dass diese Zeit im Ballett ein<br />
Geschenk für uns darstellen sollte.<br />
Jason Reilly, der Starsolist des Stuttgarter<br />
Balletts <strong>und</strong> gebürtiger Kanadier,<br />
opferte seine Mittagspause, um Zeit für<br />
Sophie zu haben. Mit einfühlsamer Zuwendung<br />
versuchte er geduldig, Kontakt<br />
zu Sophie aufzubauen. Da standen die<br />
beiden nun im Ballettsaal. Aber wie soll<br />
man sich in einer vorgegebenen Zeit<br />
kennenlernen können? Zumindest für<br />
Sophie gab es da wohl einen anderen<br />
Zeitplan. Die Probezeit begann, Balletttänzer<br />
<strong>und</strong> Balletttänzerinnen bevölker-<br />
64 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006<br />
ten den Saal <strong>und</strong> begannen zu tanzen.<br />
Sophie stand am Rand <strong>und</strong> schaute zu.<br />
Aber auch andere Tänzer <strong>und</strong> Tänzerinnen<br />
schauten zu, junge Menschen<br />
verschiedener Nationalitäten. Schließlich<br />
sprachen mich einige an. Und was<br />
ich da erlebte, rührt mich immer noch<br />
stark. In den Gesprächen, vor allen Dingen<br />
aber in der Haltung, die sie ausstrahlten,<br />
habe ich erleben dürfen, wie<br />
es den Tänzern um Sophie ging, aber<br />
nicht als ein Kind mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>,<br />
sondern einfach als Mensch, als ein<br />
Kind, das gerne tanzt <strong>und</strong> sich bewegt<br />
<strong>und</strong> sich extra dafür schön gemacht hat,<br />
wie Mädchen das eben gerne tun. Besonders<br />
wenn sie sich mit einem jungen<br />
Mann treffen. Dass Sophie <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong><br />
hat, sah jeder, aber niemand bewertete<br />
es. Ich spürte, dass Sophie in ihrer<br />
Andersartigkeit für die Tänzer als<br />
ganz normal galt. Entsetzt <strong>und</strong> verständnislos<br />
reagierte einer der Tänzer,<br />
der neugierig den Alltag von Sophie erfragte,<br />
als er von den Schwierigkeiten<br />
der schulischen Integration erfuhr.<br />
Aber zurück zum Ballettsaal. Als Sophie<br />
genug geschaut hatte, fing sie an,<br />
selbst zu tanzen. Jason reagierte darauf<br />
<strong>und</strong> es entwickelten sich behutsam kleine,<br />
w<strong>und</strong>erschöne Szenen, die das Aufeinanderzugehen<br />
der beiden zeigten.<br />
Und dann kam es so, wie es meistens ist:<br />
Wenn es am schönsten ist, muss man<br />
aufhören, <strong>und</strong> Sophie war ganz traurig.<br />
Aber zum Glück hatten wir ja noch<br />
den Fototermin vor uns. Und den konnten<br />
wir nun kaum erwarten! Sophie<br />
wurde als Dornröschen angekleidet <strong>und</strong><br />
geschminkt. Danach ging es in den Bal-<br />
lettsaal: Conny Wenk, die Fotografin,<br />
wartete schon, wie ebenfalls einige andere.<br />
Und dann kam Jason – als Prinz.<br />
Das war schon aufregend. Sogar eine<br />
richtige Ballettmeisterin war zugegen.<br />
Und Dornröschen-Musik! Es dauerte ein<br />
Weilchen, ehe sich Prinz <strong>und</strong> Prinzessin<br />
fanden, wobei sich der Prinz unglaublich<br />
einfühlsam <strong>und</strong> liebevoll um die<br />
Prinzessin bemühte ... Die gab dann<br />
auch nach einer Weile ihrem Herzen einen<br />
Stoß <strong>und</strong> dann tanzten die beiden<br />
zusammen. Das war Bewegung: ein Zusammenkommen,<br />
beieinander bleiben,<br />
ein Auseinanderweichen, um sich immer<br />
wieder erneut begegnen zu können.<br />
Mir kamen unwillkürlich die Tränen. Da<br />
tanzten zwei Menschen zusammen, der<br />
Starsolist des Stuttgarter Balletts <strong>und</strong><br />
ein Mädchen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>, <strong>und</strong><br />
es war das Normalste der Welt. Die beiden<br />
tanzten <strong>und</strong> schienen ein bisschen<br />
die Welt vergessen zu haben. Da hatte<br />
sich eine Beziehung zwischen den beiden<br />
entwickelt. Was gibt es Schöneres<br />
<strong>und</strong> Wertvolleres?<br />
Prominenten-Kalender<br />
Initiiert wurde das Ganze von einem engagierten<br />
Team, das sich um die Herstellung<br />
des „Prominenten-Kalenders“<br />
in Baden-Württemberg bemüht.<br />
Ermöglicht wurde es von allen Beteiligten<br />
des Stuttgarter Balletts mit<br />
ihrem fre<strong>und</strong>lichen Interesse <strong>und</strong> ihrer<br />
einfühlsamen Offenheit.<br />
Woran es aber lag, dass so eine zarte<br />
<strong>und</strong> gleichzeitig tiefe Ausstrahlung<br />
von Dornröschen <strong>und</strong> ihrem Prinzen<br />
ausging – das wissen nur Jason <strong>und</strong> Sophie.