Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...
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ERFAHRUNGSBERICHT<br />
Vom kopflosen Weglaufen<br />
bis zum geplanten Ausflug<br />
Die Entwicklung eines Kleinkinds mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>,<br />
von der stadtbekannten notorischen Wegläuferin bis zur<br />
jungen Dame, die jetzt selbstständig Ausflüge unternimmt,<br />
zeigt, dass auch hier Fortschritt möglich<br />
ist – auch wenn diese Ausflüge nicht immer wie geplant<br />
ausgehen.<br />
Ein kleiner Hoffnungsschimmer für die Eltern, deren<br />
Kinder noch am Anfang dieser Entwicklung stehen.<br />
Marion Bröker, Celinas Mutter, schrieb die Geschichten<br />
auf. Es sind nicht nur Geschichten vom Weglaufen,<br />
sondern genauso vom Training in Selbstständigkeit, von<br />
Zutrauen zum Kind, von Loslassen-Können <strong>und</strong> auch<br />
von einer guten Portion Gottvertrauen, dass sowohl<br />
die erlaubten wie auch die unerlaubten Ausflüge immer<br />
gut ausgehen mögen.<br />
Seit ihrem dritten Lebensjahr ist Celina<br />
auf der Flucht. Als Knirps spielte<br />
sie schon mit ihrem Ball auf der viel befahrenen<br />
B 55, ging sie gr<strong>und</strong>sätzlich in<br />
jedem Geschäft verloren <strong>und</strong> liebte besonders<br />
Ausflüge bei Nacht. Der Satz<br />
„Celina ist verschw<strong>und</strong>en“ brachte automatisch<br />
die ganze Familie in Aktion<br />
<strong>und</strong> hat bestimmt tiefe Spuren in den<br />
Kindheitserinnerungen ihrer Geschwister<br />
hinterlassen.<br />
Marion Bröker, Celinas Mutter:<br />
Wie viele St<strong>und</strong>en ich sie schon<br />
gesucht habe, keine Ahnung. Ich<br />
weiß nur, ich könnte mir ein Auto,<br />
einen großen Urlaub <strong>und</strong> eine neue<br />
Wohnungseinrichtung erlauben,<br />
wenn ich die St<strong>und</strong>en nachgezahlt<br />
bekäme.<br />
Celina durfte nach hartem Kampf den<br />
Regel-Kindergarten in unserem kleinen<br />
Ort besuchen, sie war dort das erste Integrations-Kind.<br />
Meine Warnung, dass Celina ständig<br />
auf der Flucht sei, belächelte man. In<br />
52 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006<br />
diesem Umfeld würde das nicht passieren.<br />
Alle Kinder gingen schließlich mal<br />
auf Erk<strong>und</strong>ungstour. Da hatte man im<br />
Kindergarten keine große Bedenken,<br />
mit so etwas kannte man sich aus <strong>und</strong><br />
würde damit locker fertig.<br />
Wenige Wochen später wurde stillschweigend<br />
eine Türöffneranlage an der<br />
Eingangstür installiert <strong>und</strong> der Zaun<br />
r<strong>und</strong> um den Spielplatz ausgebessert.<br />
Ich war neugierig. Auf meine Frage<br />
hin, was denn nun los sei, war man etwas<br />
betroffen. Nun, man habe wirklich<br />
nur einen kurzen Augenblick auf die<br />
Seite geschaut, da sei Celina schon weg<br />
gewesen, man könne sich nicht erklären<br />
wie. Eine Erzieherin blieb dann bei den<br />
70 anderen Kindern, der Rest ging auf<br />
Suche. Man fand Celina nicht weit weg<br />
auf dem Schulhof-Spielplatz.<br />
Das war also der Anlass, um diese<br />
Türsicherung zu installieren, die der<br />
Kindergarten in 20 Jahren nicht gebraucht<br />
hatte.<br />
Ich war froh, dass die Suche schnell<br />
zu Ende <strong>und</strong> nichts passiert war, insgeheim<br />
habe ich aber doch gegrinst. Vorwürfe<br />
gab es keine, die hatten sich die<br />
Erzieherinnen genug selbst gemacht.<br />
Einfach weg, immer schneller,<br />
immer weiter<br />
Celina reichte ein Bobby-Car <strong>und</strong> sie<br />
war weg. Ab in die Bauernschaft, ab zur<br />
Tankstelle, wo es ihr die Waschanlage<br />
besonders angetan hatte, oder einfach<br />
so weg.<br />
Noch schneller wurde sie dann, als<br />
der große Trettrecker beherrscht wurde,<br />
auch der Radius wurde dadurch<br />
ausgeweitet.<br />
Einmal waren wir mit mehreren Erwachsenen<br />
<strong>und</strong> Kindern in Münster im<br />
Zoo. Celina wurde immer „bei Fuß“ bewacht,<br />
sie <strong>und</strong> wir waren total genervt.<br />
Kann ja auch gefährlich sein, nicht nur<br />
lief sie weg, sie war auch eine richtige<br />
Klettermax: Wer weiß, ob sie nicht noch<br />
zu den Löwen klettert, um die Kätzchen<br />
zu streicheln? Bei einer kurzen Verschnaufpause<br />
standen wir, vier Erwachsene,<br />
um Celina herum – so war sie<br />
ja sicher –, dennoch war das Kind, gerade<br />
noch zwischen uns, plötzlich weg<br />
<strong>und</strong> wir hatten es nicht bemerkt!<br />
Am anderen Ende des Zoos haben<br />
wir Celina dann nach einer intensiven<br />
Suche wieder gef<strong>und</strong>en. Normalerweise<br />
hatte sie das Tempo einer Schnecke, in<br />
so einem Moment aber schaltete sie offensichtlich<br />
heimlich den Turbo ein <strong>und</strong><br />
flitzte wieselschnell quer durch das<br />
weitläufige Gelände.<br />
Ein Einkaufsbummel stellte sich als<br />
besonders stressig heraus, mal versteckte<br />
sie sich mitten in einem Kleider-<br />
R<strong>und</strong>ständer – <strong>und</strong> gab keinen Ton von<br />
sich, auch wenn wir noch so laut riefen,<br />
oder sie fand blitzschnell die Rolltreppe<br />
<strong>und</strong> fuhr lustig rauf <strong>und</strong> runter.<br />
Wie sehnte ich mich zurück nach<br />
den tollen Zeiten, als ich sie noch im<br />
Sportwagen anschnallen konnte!<br />
Wenn unterwegs, dann geübt <strong>und</strong><br />
geplant <strong>und</strong> kontrolliert<br />
Uns fiel auf, dass immer dann, wenn Celina<br />
einen speziellen Auftrag hatte, der<br />
Ausflug gut ging. So ging sie z.B. zuerst<br />
mit einem Geschwisterteil zusammen<br />
Brötchen holen. Irgendwann ist sie<br />
dann – mit Absegnung von uns – auch<br />
alleine losgegangen. Da ihre Sprache<br />
sehr mangelhaft war, bekam sie einen<br />
Zettel mit, den sie abgeben sollte (was<br />
sie allerdings nicht immer gemacht hat).<br />
Aber in der Regel kam sie mit den Brötchen<br />
sofort wieder heim <strong>und</strong> ging nicht<br />
stiften.<br />
Auch ging sie alleine zur Gr<strong>und</strong>-