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Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...

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ERWACHSENE<br />

Schriftprobe<br />

Häkeln<br />

Neuerdings hat sie das Häkeln wieder<br />

für sich entdeckt. Das ruhte Jahrzehnte.<br />

Sie häkelt Riesenstücke. Eines haben<br />

wir zu einem Tanzrock zusammengenäht.<br />

Auch ihre Puppe, die sie immer<br />

noch liebt, bekommt von ihr Röcke <strong>und</strong><br />

die Babypuppe einen neuen Strampelsack.<br />

Ich denke, die Beschäftigung ist<br />

zwar gut, aber ist doch ein Rückschritt<br />

in die Vergangenheit.<br />

Trommeln<br />

In der Trommelgruppe, die ich vor sechs<br />

Jahren ins Leben gerufen habe, ist sie<br />

der beste Trommler unter den Behinderten.<br />

Ich hatte die Vorstellung, dass<br />

alle Menschen mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> das<br />

Rhythmusgefühl haben. Das stimmt<br />

nicht. Die Gruppe, die von angehenden<br />

Sozialpädagoginnen geleitet wird, tritt<br />

häufig bei Veranstaltungen auf.<br />

„Am liebsten wäre ich Rentner“<br />

Die Werkstattlust hat sehr nachgelassen.<br />

„Am liebsten wäre ich Rentner“,<br />

sagt Hermine nun häufig. Das war, als<br />

sie jung war <strong>und</strong> in der Geschützten Abteilung<br />

im VEB Thermos arbeitete,<br />

nicht der Fall. Da gab es sogar bei<br />

Krankheit Tränen.<br />

Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Kondition<br />

Ihre Sek<strong>und</strong>ärerkrankung ist die Im-<br />

38 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006<br />

munschwäche. Hals, Nase <strong>und</strong> Rachen<br />

sind oft entzündet. Die Bekämpfung der<br />

Infekte schaffen wir meistens mit Naturheilprodukten.<br />

Sie inhaliert täglich<br />

mit Salzwasser.<br />

Weiter plagt Hermine eine Hauterkrankung,<br />

Rosacea, die die Talgdrüsen<br />

am ganzen Körper befällt. Sorgfältige<br />

Behandlung mit Salben ist angesagt. Im<br />

vorigen Jahr haben wir eine Bioresonanzbehandlung<br />

bei einer Heilpraktikerin<br />

versucht. Mit wenig Erfolg. Die Dauerbehandlung<br />

mit Salben muss regelmäßig<br />

erfolgen <strong>und</strong> ist jetzt aufwendiger<br />

als in jungen Jahren.<br />

Ein Venenleiden hat sie von mir geerbt.<br />

In großen Abständen hat Hermine<br />

Venenentzündungen. Durch ihre Körperfülle<br />

ist die Anpassung der Stützstrumpfhosen<br />

aufwendig. Sie ist aber<br />

durch langjähriges Üben im Stande, sie<br />

selbst anzuziehen.<br />

Die Behandlung der verschiedenen<br />

Leiden ist im Alter aufwändiger geworden.<br />

Verschiedene Pflegeleistungen verrichtet<br />

sie selbst. Allerdings ist Kontrolle<br />

nötig.<br />

Nach einem Unfall trägt Hermine<br />

seit 30 Jahren eine Zahnprothese, die<br />

sie regelmäßig <strong>und</strong> sorgfältig nach fast<br />

jeder Mahlzeit selbst mit einer elektrischen<br />

Bürste reinigt.<br />

Seit sie im Haus Daniela der Lebenshilfe<br />

wohnt, hat sich ihr Körpergewicht<br />

von 69 kg auf 82 kg erhöht. Das beunruhigt<br />

mich sehr, ich kann es aber nicht<br />

ändern. Sie übt zwar jeden Tag am Hometrainer,<br />

wird aber zur Werkstatt gefahren.<br />

Daheim achtete ich besser auf<br />

ges<strong>und</strong>e Ernährung.<br />

Ski laufen kann Hermine schon lange<br />

nicht mehr. Schwimmen tut sie nur,<br />

wenn sie Bodenfühlung hat. Früher ist<br />

sie 20 Minuten <strong>und</strong> mehr auch im tiefen<br />

Wasser geschwommen.<br />

Wenn sie bei mir ist, laufen wir täglich<br />

ein bis zwei St<strong>und</strong>en mit Stöcken.<br />

Am besten geht das, wenn ich dazu singe.<br />

Gedächtnis<br />

Das Langzeitgedächtnis ist erstaunlich<br />

gut entwickelt. Auch das Kurzzeitgedächtnis<br />

funktioniert noch gut. Beängstigend<br />

sind ihre Fantasien. Sie erzählt<br />

sehr überzeugt Geschichten von Menschen<br />

ihrer Umgebung, die überhaupt<br />

nicht stimmen, <strong>und</strong> ist auch nicht vom<br />

Gegenteil zu überzeugen. Das erinnert<br />

ja schon an Menschen in Seniorenhei-<br />

„Eintönige Eier”<br />

Hermine schreibt immer noch viele<br />

Briefe <strong>und</strong> Geschichten. Ihre Berichte<br />

sind mal humorvoll, mal von<br />

einer echten Ernsthaftigkeit. Eine<br />

etwas unübliche Ausdrucksweise<br />

<strong>und</strong> witzige Wortschöpfungen, wie<br />

wir sie ab <strong>und</strong> zu bei Menschen<br />

mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> feststellen, finden<br />

sich auch bei Hermine.<br />

Hier einige Kostproben:<br />

„Und meine Mutter hat sich mit<br />

den Frauen solchen Quatsch erzählt<br />

<strong>und</strong> ich konnte nicht mehr an<br />

mich halten. Und ich sollte den alten<br />

Käse auch noch anhören,<br />

natürlich habe ich mich mit zwei<br />

Ohren auf Durchgang geschaltet.“<br />

„Es gibt auch Zukunftsmusik<br />

leise, laute <strong>und</strong> bösartige. Die will<br />

ich nicht.“<br />

„Dann wünsche ich mir in Zukunft<br />

auch viele Reisen. Meine<br />

Mutter sagt ich bin eine richtige<br />

Reisetante. Aber so viele Spaziergänge<br />

mag ich nicht. Laufen nervt<br />

mich. Aber meine Mutter lässt da<br />

nicht locker, ob ich will oder nicht.“<br />

„Im Winter kann man auch<br />

schön laufen <strong>und</strong> da kam man<br />

auch ganz tief einatmen <strong>und</strong> natürlich<br />

ist es für mich sehr wichtig <strong>und</strong><br />

für meine Nase.“<br />

„Ostergeschenke: ... <strong>und</strong> von<br />

Mutti Briefmarken Marziebahnei<br />

aus Schokolade <strong>und</strong> selbst angemalte<br />

eintönige Eier <strong>und</strong> die habe<br />

ich noch nicht gegessen.“<br />

„Wenn meine Mutter stirbt, bin<br />

ich sehr traurig. Sie macht doch so<br />

viel mit mir <strong>und</strong> sie gibt mir auch<br />

oft einen guten Rat wenn ich nicht<br />

weiter weiß. Aber wenn sie stirbt<br />

bin ich auch nicht allein. Da habe<br />

ich die Bettina <strong>und</strong> den Peter den<br />

Dierk <strong>und</strong> die Claudia <strong>und</strong> Frau<br />

Blümling. Aber ob die Zeit haben,<br />

weiß ich nicht. Jetzt muss ich mich<br />

erst mal ausweinen. Ich kann nicht<br />

mehr gucken.“

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