Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...
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ETHIK<br />
aber auch selbst mit dem Thema noch<br />
einmal in allen Einzelheiten zu befassen,<br />
begann die Phase der Aufarbeitung.<br />
„Aller Schmerz <strong>und</strong> Trauer mussten<br />
durchlitten werden.“ Marianne schrieb<br />
ihre Erfahrungen in einem Buch nieder.<br />
Sie will mit ihrem Buch „Lysander“<br />
Frauen in ähnlicher Lage helfen. Das<br />
Tagebuch soll alle Facetten der Tragödie<br />
aufzeigen, die eigenen Beweggründe<br />
weder schönen noch die Gedanken verschweigen.<br />
Mit dem Wissen, das Marianne<br />
heute hat, würde sie einen solchen<br />
Schritt nie wieder machen. „Gerade das,<br />
was man doch zusammenhalten wollte,<br />
wird im Nachhinein zerstört.<br />
Dieses Buch soll andere warnen,<br />
sich vorher über die möglichen Folgen<br />
zu informieren <strong>und</strong> auch die unbequemere<br />
Lösung zu bedenken, ist sich Marianne<br />
sicher. Für sich selbst weiß sie,<br />
dass Gott ihr verziehen hat, <strong>und</strong> sie wird<br />
sich dafür einsetzen, dass man nicht<br />
leichtfertig eine Entscheidung über ein<br />
Leben – ob behindert oder nicht – tref-<br />
Lysander – Grenzerfahrung einer<br />
Mutter<br />
Autorin: Marianne Neeb<br />
Verlag: Books on demand, 2006<br />
ISBN 3-8334-5230-7<br />
Preis: 11 Euro<br />
(Der Erlös geht an die Stiftung „Menschen<br />
für Menschen“ von Karl-Heinz<br />
Böhm.)<br />
46 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006<br />
fen darf. „Ich habe geschafft, was ich<br />
mir geschworen habe: das Buch ,Lysander’<br />
bis zum offiziellen Geburtstagstermin<br />
meines Kindes, dem 23. Juni herauszubringen“,<br />
sagt sie stolz.<br />
Sie hat mit allen Frauenärzten gesprochen,<br />
mit dem Krankenhauspersonal,<br />
mit ihren „Beratern“, um dieses<br />
authentische Buch zu schreiben. „Ich<br />
habe es meinem Sohn, Lysander, <strong>und</strong><br />
Gott versprochen. Ich weiß, dass er mir<br />
verziehen hat.“ Das Leben heute – ohne<br />
ihn – ist anders. Lysander aber lebt in<br />
ihrem Herzen weiter <strong>und</strong> begleitet Marianne<br />
jeden Tag auf ihrem Weg mit guter<br />
Musik <strong>und</strong> außergewöhnlichen Begegnungen.<br />
Das gibt ihr Kraft <strong>und</strong> Hilfe,<br />
sagt sie. Auch ohne die Kraft, die sie aus<br />
ihrem Glauben zieht, wäre es kaum<br />
möglich gewesen, das Buch in so kurzer<br />
Zeit zu schreiben. Doch sie ist sich sicher:<br />
„Die Narbe aber bleibt. Niemand<br />
kann den Schmerz einer Mutter teilen,<br />
das eigene Kind im Mutterleib getötet zu<br />
haben.“<br />
Frau Neeb schildert die Erfahrungen<br />
mit ihrer Schwangerschaft im Alter von<br />
43 Jahren, mit der pränataldiagnostischen<br />
Diagnose des <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>s ihres<br />
ungeborenen Sohnes <strong>und</strong> die folgenden<br />
Tage der Hilf- <strong>und</strong> Ratlosigkeit.<br />
Die Abtreibung erfolgte am 2. Februar<br />
2006. Die zweite Hälfte des Buches<br />
schildert die Auseinandersetzungen mit<br />
dieser Entscheidung.<br />
Sehr einschneidend sind all die<br />
durchlebten Emotionen. Die Verzweiflung<br />
<strong>und</strong> die Ratlosigkeit nach der Diagnose<br />
veranlassen die Autorin, viele<br />
Menschen ihres Umfeldes zu informieren,<br />
in der Hoffnung, von ihnen die Lösung<br />
ihres „Problems“ zu erfahren. Sehr<br />
viele raten ihr von der Fortsetzung der<br />
Schwangerschaft ab. Die wenigen, die<br />
sie auf Beratungsstellen, den Besuch einer<br />
<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>-Selbsthilfegruppe<br />
<strong>und</strong> die Beibehaltung der Schwangerschaft<br />
hinweisen, scheint sie zu überhören.<br />
Gleich nach dem Abbruch beginnt<br />
der nächste emotionale Ausnahmezustand.<br />
Ihr wird bewusst, dass sie ihr<br />
Kind umgebracht hat. Der Alltag ist<br />
kaum noch lebbar. Psychologische Begleitung<br />
wird erforderlich. Ihr wird klar,<br />
dass sie mit der aktuellen Bewusstseins-<br />
Die Autorin dieses Artikels, Brigitte Sommer,<br />
hier zusammen mit ihrer Tochter Fiona,<br />
wohnt in unmittelbarer Nähe der Familie<br />
Neeb. Leider haben sie sich nicht gekannt.<br />
Ein Gedanke lässt mich nicht los. Wäre schulische<br />
Integration Normalität, hätten die beiden<br />
Söhne der Familie Neeb Fiona gekannt<br />
<strong>und</strong> die beiden Familien sich durch schulische<br />
Aktivitäten wahrscheinlich auch. Vielleicht<br />
wäre dann die Entscheidung von Frau Neeb<br />
anders ausgefallen?<br />
ebene einem Abbruch nicht zugestimmt<br />
hätte.<br />
Vehement, intensiv <strong>und</strong> emotional<br />
gibt Frau Neeb die Quintessenz ihrer Erfahrungen<br />
weiter <strong>und</strong> bezieht eine klare<br />
Position. Sie scheut nicht davor<br />
zurück, ihr Erleben, ihre Gedanken <strong>und</strong><br />
Gefühle, die zum Abbruch führten, sowie<br />
die Schuldgefühle, die Scham <strong>und</strong><br />
Verzweiflung nach der Abtreibung offen<br />
zu schildern. Alles dient dazu, Menschen<br />
vor solch einem Schritt zu warnen.<br />
Drei Nachsätze sowie Bilder <strong>und</strong><br />
handgeschriebene Briefe an Lysander<br />
ergänzen das Buch.<br />
Leider wird in diesem Buch der antiquierte<br />
Ausdruck Mongolismus/mongoloid<br />
(statt <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> oder Trisomie<br />
21) sowohl von Menschen ihres<br />
Umfeldes wie auch von der Autorin immer<br />
wieder benutzt.<br />
Auch wenn der Leser nicht jeder<br />
Aussage der Autorin zustimmen mag,<br />
so gibt es keine Gruppe von Lesern, für<br />
die dieses Buch nicht empfehlenswert<br />
wäre.<br />
Dorothea Wolf-Stiegemeyer<br />
www.muetter.besondere-kinder.de