Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...
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ERFAHRUNGSBERICHT<br />
aufwacht. Justins Blutwerte waren so<br />
schlecht, dass er direkt eine Bluttransfusion<br />
brauchte <strong>und</strong> Cortison bekam. Es<br />
wurde eine akute lymphatische Leukämie<br />
(ALL) bei Justin festgestellt.<br />
Wir blieben vier Wochen <strong>und</strong> machten<br />
eine Chemotherapie. Justin gewöhnte<br />
sich sehr schnell ans Krankenhaus,<br />
er merkte, dass es ihm dort besser<br />
ging. Ich war anfangs sehr skeptisch,<br />
nur als ich sah, dass es meinem<br />
Kind tatsächlich immer besser ging, bekam<br />
ich wieder Vertrauen zu den Ärzten,<br />
zur Medizin. Der Gedanke, dass Justin<br />
vielleicht sterben würde, war<br />
schnell verflogen.<br />
Nach knapp drei Wochen hatte er<br />
seine erste OP, ihm wurde ein Port eingesetzt,<br />
sodass das ständige Piksen<br />
nicht mehr nötig war.<br />
Durch die Chemotherapie war Justin<br />
plötzlich wieder wie ein Säugling. Er<br />
konnte weder laufen noch alleine sitzen.<br />
Das war schrecklich für mich, denn Justin<br />
war plötzlich so eingeschränkt.<br />
Doch ihn hat das nicht wirklich gestört.<br />
Er strahlte so eine Kraft <strong>und</strong> Fröhlichkeit<br />
aus, als ob er allen zeigen wollte,<br />
dass er es schafft.<br />
Justin litt sehr unter den Nebenwirkungen<br />
der Chemotherapie. Er verlor<br />
seine Haare, die wuchsen dann aber<br />
wieder. Oft hatte er auch Verstopfung.<br />
Wir mussten öfter eine Pause einlegen.<br />
Eine Zeit lang lief alles gut. Wir waren<br />
zu Hause <strong>und</strong> fuhren nur zur Ambulanz.<br />
Ich hatte oft keine Kraft mehr. Meine<br />
Tochter habe ich in der Zeit total vernachlässigt.<br />
Sie war bei einer Bekannten<br />
untergebracht. Es tat mir so leid,<br />
aber es ging nicht anders.<br />
Justin reagierte sehr empfindlich<br />
auf MTX, einen Teil der Therapie. Als<br />
Nebenwirkungen traten Schleimhautschäden<br />
auf. Lippen, M<strong>und</strong>, Speiseröhre,<br />
Magen <strong>und</strong> Po waren w<strong>und</strong>. Er hatte<br />
so wahnsinnige Schmerzen dabei, ich<br />
hatte meinen Sohn noch nie so gesehen.<br />
58 Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006<br />
Natürlich wurde er wieder stationär behandelt.<br />
Es war grausam. Er bekam<br />
Morphin, wurde per Infusion ernährt.<br />
Jede Bewegung war mit Schmerzen verb<strong>und</strong>en.<br />
Ich fühlte mich als Mutter total hilflos.<br />
Es ist schrecklich, sein Kind so zu sehen.<br />
Nach zwei Wochen war das endlich<br />
überstanden. Justin fing wieder an zu<br />
krabbeln. Es geht bergauf, dachten wir.<br />
Die Zeiten in der Klinik wurden immer<br />
schwieriger. Justin hatte es aber<br />
bald geschafft. Nur noch vier Wochen<br />
<strong>und</strong> die Chemotherapie wäre überstanden.<br />
Es traten aber plötzlich immer mehr<br />
Probleme auf, deshalb brachen die Ärzte<br />
die Chemotherapie ab, erklärten sie<br />
für beendet. Uns stand nur noch die<br />
Dauertherapie bevor. Da Justin nun<br />
ständig Fieber <strong>und</strong> wieder einen bakteriellen<br />
Infekt hatte, bekam er einen Monat<br />
lang Antibiotikum. Ende April 2005<br />
ging es ihm ganz schlecht. Er hatte Fieber<br />
<strong>und</strong> ganz komische Flecken an Armen,<br />
Beinen <strong>und</strong> im Gesicht. Wir wurden<br />
stationär aufgenommen. Ich hatte<br />
ein komisches Gefühl, dass irgendwas<br />
nicht stimmt. Antibiotikum, Bluttransfusionen,<br />
Plasma usw. Die Blutwerte, die<br />
Leberwerte <strong>und</strong> die Entzündungswerte<br />
waren nicht okay.<br />
Und die Angst war wieder da. Die<br />
Angst, Justin zu verlieren! Ich machte<br />
mir solche Sorgen. Ich kann gar nicht<br />
beschreiben, wie, was man fühlt.<br />
Justins Atmung wurde unregelmäßig.<br />
Nach Meinung der Ärzte war<br />
sein Zustand stabil. Aber mein Gefühl<br />
sagte mir, es sei was nicht in Ordnung<br />
mit ihm. Ich kenne ja meinen Sohn am<br />
besten. Ich bat die Schwestern, Justin<br />
auf die Intensivstation zu verlegen.<br />
Nicht nötig, sein Zustand war noch immer<br />
stabil! Über Nacht wurde Justins<br />
Atmung schwächer, er hatte nun auch<br />
noch den so genannten Adenovirus bekommen.<br />
Am 7. Mai 2005 kam Justin um sieben<br />
Uhr morgens endlich auf die Intensivstation.<br />
Es ging alles so schnell. Justins<br />
Zustand verschlechterte sich dramatisch.<br />
Ich war wie in Trance, wusste,<br />
dass es jetzt zu Ende ging. Meine Schwester<br />
war gekommen <strong>und</strong> versuchte, mir<br />
Mut zuzusprechen. Mein neuer Partner,<br />
der zwar ein bisschen gebraucht hatte,<br />
um Justin zu akzeptieren, aber dann zu<br />
seinem heiß geliebten Papa wurde, war<br />
auch da.<br />
Das Herz bricht einem, wenn man<br />
sein Kind so leiden sieht, man steht da<br />
<strong>und</strong> kann nichts machen. Durch die vielen<br />
Medikamente war Justin total abwesend.<br />
Noch kurz öffnete er seine Augen,<br />
als ich ihm sagte: „Schau mal, der Papa<br />
ist da!“<br />
Plötzlich schickten die Ärzte uns<br />
raus. Justin konnte nicht mehr selbstständig<br />
atmen <strong>und</strong> wurde ins Koma gelegt.<br />
Wir mussten draußen warten.<br />
Dann hörten wir den Piepston – das<br />
bedeutete: Herzstillstand. Ich wusste sofort,<br />
es ist Justin. Die Ärztin holte mich<br />
rein. Sie versuchte mir zu erklären, dass<br />
es vorbei ist. Auch Micha, mein Partner,<br />
wurde dazugeholt.<br />
Justins Kreislauf war zusammengebrochen.<br />
Die Ärzte versuchten noch 45<br />
Minuten lang, ihn zurückzuholen. Justin<br />
starb an Leber-, Nieren <strong>und</strong> Lungenversagen,<br />
an inneren Blutungen <strong>und</strong> dem<br />
Adenovirus.<br />
An diesem Tag verlor ich das Liebste,<br />
was ich je hatte. Warum? Es tut so<br />
weh. Es ist unglaublich! Der Schmerz<br />
der Trauer, diese Leere, die Verzweiflung,<br />
die sind für immer da. Was einem<br />
bleibt, sind die Erinnerungen.<br />
Wir haben einen Engel verloren,<br />
doch Engel gehen niemals fort! Justin<br />
bleibt für immer in unseren Herzen. Justin<br />
lebt weiter mit uns, bei uns!<br />
Doro Hardt