Down-Syndrom und Homosexualität - Deutsches Down-Syndrom ...
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Eine starke Entscheidung<br />
Wird das Kind ges<strong>und</strong> sein? Fast alle werdenden Eltern<br />
wollen diese Frage vor der Geburt mithilfe medizinischer<br />
Tests klären. Doch was, wenn die Antwort negativ ausfällt?<br />
Wenn eine Mutter heute ein Kind<br />
mit einem <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zur<br />
Welt bringt, muss sie sich rechtfertigen:<br />
Hast du denn keine Tests machen lassen?<br />
Hast du nichts gewusst? Die Umwelt<br />
geht stillschweigend davon aus,<br />
dass alle Eltern alle medizinischen Testverfahren<br />
in Anspruch nehmen, um eine<br />
Risikoschwangerschaft oder gar ein<br />
behindertes Kind zu verhindern. Angesichts<br />
dieser Erwartung entscheiden<br />
sich denn auch viele gegen ihr Kind,<br />
wenn genetische Tests oder die Fruchtwasseruntersuchung<br />
eine Behinderung<br />
erkennen lassen. Über 90 Prozent der<br />
Eltern brechen die Schwangerschaft ab,<br />
wenn sie die Diagnose≥„<strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong>“<br />
erhalten.<br />
Doch es gibt werdende Mütter, die<br />
sich den gesellschaftlichen Erwartungen<br />
widersetzen <strong>und</strong> ihr behindertes Kind<br />
zur Welt bringen wollen. Was sind das<br />
für Frauen? In einer Interviewstudie mit<br />
zehn betroffenen Frauen im Alter zwischen<br />
29 <strong>und</strong> 44 Jahren ging die Heidelberger<br />
Wissenschaftlerin Marion<br />
Baldus diesen Fragen nach. Etwa 23<br />
Monate nach der Geburt des behinderten<br />
Kindes befragte sie die Mütter nach<br />
ihren Erfahrungen <strong>und</strong> Motiven. Die<br />
wichtigsten Ergebnisse:<br />
Den Moment, als sie die Diagnose<br />
Trisomie 21 erhielten, schildern alle<br />
Mütter als traumatisches Schockerlebnis.<br />
Sie fühlten sich plötzlich ihrem Ungeborenen<br />
entfremdet <strong>und</strong> erlebten<br />
auch eine emotionale Distanz zu anderen<br />
Schwangeren.<br />
Die behandelnden Ärzte <strong>und</strong> Ärztinnen<br />
gingen wie selbstverständlich davon<br />
aus, dass die Schwangerschaft beendet<br />
werden solle. Oftmals boten sie<br />
direkt im Anschluss an die Diagnose<br />
entsprechende ≥„Lösungen“ an. Nur der<br />
Hälfte der Frauen wurde nach der Diagnose<br />
eine psychologische oder psychosoziale<br />
Beratung empfohlen.<br />
Auch das familiäre Umfeld reagierte<br />
unmissverständlich: Eltern <strong>und</strong> Schwie-<br />
gereltern lehnten ein behindertes Kind<br />
ab <strong>und</strong> rieten zur Abtreibung. Der Stress<br />
<strong>und</strong> die Belastung der Betroffenen wurden<br />
durch die negativen Reaktionen der<br />
Herkunftsfamilien noch verstärkt.<br />
Trotz dieser schwierigen Situation<br />
fanden die werdenden Mütter die Kraft,<br />
sich für ihr behindertes Kind zu entscheiden.<br />
Sie informierten sich über die<br />
Behinderung des Kindes, führten Gespräche<br />
mit Betroffenen <strong>und</strong> Experten<br />
<strong>und</strong> vergewisserten sich auf diese Weise<br />
über die Richtigkeit ihrer Entscheidung.<br />
Wie Marion Baldus feststellte,<br />
spielte der Partner dabei nicht in allen<br />
Fällen eine wichtige Rolle. „Die Hälfte<br />
der Frauen hat die Entscheidung für das<br />
Kind als ihre ureigene Entscheidung bezeichnet.“<br />
Was den Frauen half, waren<br />
ein gr<strong>und</strong>legender Optimismus, der<br />
Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit<br />
<strong>und</strong> die Erinnerung an früher erfolgreich<br />
bewältigte Lebensereignisse. Religion<br />
nannten zwei der zehn Frauen als<br />
Quelle ihrer Kraft.<br />
Auch die bereits vorhandene Vertrautheit<br />
mit Behinderung erleichterte<br />
die Entscheidung: Drei der zehn Frauen<br />
waren mit einem behinderten Familienmitglied<br />
aufgewachsen. Zwei Mütter<br />
hatten während Studium <strong>und</strong> Ausbildung<br />
Kontakt mit behinderten Menschen<br />
gehabt. Und in drei weiteren Fällen<br />
gab es Familienangehörige, die beruflich<br />
mit Behinderten zu tun hatten.<br />
Behinderung war für acht der befragten<br />
Frauen also nichts Fremdes oder Angst<br />
Machendes.<br />
Quelle:<br />
Dieser Text erschien in Psychologie Heute,<br />
Heft 8, August 2006.<br />
Wir danken der Redaktion für die<br />
Genehmigung, den Artikel in<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> zu veröffentlichen.<br />
ETHIK<br />
Von der Diagnose zur Entscheidung<br />
Autorin: Marion Baldus<br />
Verlag: Klinkhardt 2006<br />
ISBN 3-7815-1454-4<br />
Preis: 29,80 Euro<br />
Aus dem Klappentext:<br />
Aus der Subjektperspektive von zehn<br />
Frauen analysiert die vorliegende Studie<br />
die durch die Diagnose ausgelösten psychodynamischen<br />
Prozesse <strong>und</strong> gesellschaftlichen<br />
Zugzwänge. Auf der Basis<br />
von Fallrekonstruktionen <strong>und</strong> fallübergreifenden<br />
Analysen werden konkrete<br />
Problemlagen der Betroffenen sichtbar<br />
<strong>und</strong> Kettenreaktionen im medizinischen,<br />
familiären <strong>und</strong> sozialen Umfeld<br />
aufgezeigt.<br />
Mit der Analyse von Entscheidungsverläufen<br />
gegen den Selektionskonsens<br />
erschließt die Studie neue Sichtweisen<br />
auf diesen einseitig geführten Diskurs.<br />
Biographische Hintergründe der Frauen<br />
<strong>und</strong> ihre personalen <strong>und</strong> sozialen Ressourcen<br />
werden identifiziert <strong>und</strong> als Anhaltspunkte<br />
für eine professionelle Begleitung<br />
verstanden. Abgeleitet aus den<br />
Erfahrungen <strong>und</strong> Deutungsperspektiven<br />
der Betroffenen wird ein Modell der Beratung<br />
nach einer pränatalen Diagnose<br />
entworfen. Damit ist das Buch nicht nur<br />
für Professionelle aus Sonderpädagogik<br />
<strong>und</strong> Medizin, sondern auch aus Beratung<br />
<strong>und</strong> Therapie von Interesse.<br />
Marion Baldus ist Diplom-Pädagogin<br />
<strong>und</strong> Integrative Gestalttherapeutin.<br />
Sie arbeitet in freier Praxis in<br />
Heidelberg <strong>und</strong> ist Dozentin für die<br />
Themen Ges<strong>und</strong>heit, Familienplanung<br />
<strong>und</strong> Prävention.<br />
Leben mit <strong>Down</strong>-<strong>Syndrom</strong> Nr. 53, Sept. 2006 47