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trip tipp_vancouver island<br />

Ein Mann und sein Traum<br />

Er ist der wohl ungewöhnlichste HOTELIER KANADAS: CHARLES<br />

McDiarmid HAT AUS einer Hütte ein WELTKLASSE-HOTEL GEMACHT und<br />

die WESTLICHSTE Küste KANADAS zum Geheimtipp für Abenteurer<br />

und Gourmets.<br />

CC: Herr McDiarmid, Ihr Wickaninnish<br />

Inn war und ist Impulsgeber für die<br />

gesamte Region. Welche Rolle haben<br />

Sie hier in Tofino gespielt?<br />

Charles McDiarmid: Ich bin in Tofino<br />

aufgewachsen und – nach einigen<br />

beruflichen Zwischenstopps –<br />

vor 24 Jahren wieder<br />

hierher zurückgekehrt,<br />

um das Wickaninnish Inn<br />

aufzubauen. Nachdem<br />

ich meine Hotelfachausbildung<br />

auf der Cornell<br />

Universität im Jahr 1978<br />

abgeschlossen und verschiedene<br />

Managementpositionen<br />

im Four Seasons Hotel in Calgary,<br />

Washington, Dallas, Seattle und<br />

Vancouver innehatte, wollte ich meinen<br />

eigenen – zugegebenermaßen wahnwitzigen<br />

– Hoteltraum verwirklichen: ein<br />

Relais&Chateaux Resort in meiner abgelegenen<br />

Heimatstadt an der Westküste<br />

von Vancouver Island, am Ende einer<br />

sehr langen Einbahnstraße. Im Jahr 1995<br />

zählte Tofino nur 1.200 Einwohner. Jetzt<br />

leben 2.000 Menschen hier. Die meisten<br />

Leute bezweifelten Anfang der neunziger<br />

Jahre, dass meine Familie und ich diesen<br />

Traum in die Tat umsetzen können, aber<br />

es gelang uns dennoch. Wir haben ein<br />

Resort der Spitzenklasse geschaffen. Und<br />

Wir hatten vor<br />

25 Jahren nur ein<br />

Ziel: den Winter<br />

überstehen!<br />

das an einem atemberaubend schönen,<br />

unberührten Strand, der entlang eines<br />

Waldes mit altem Baumbestand verläuft<br />

und eine unvergleichliche Aussicht auf den<br />

Pazifik bietet. Ganz in der Nähe unseres<br />

Hotels befindet sich außerdem der Pacific<br />

Rim National Park, das Herzstück des<br />

UNESCO-Biosphärenreservats<br />

am Clayoquot<br />

Sound. Wir setzten uns<br />

vor 25 Jahren nur ein<br />

einziges Ziel: in der Saison<br />

1996/1997 den ersten<br />

Winter zu überstehen! Da<br />

wir in der Tourismusbranche vor Ort auch<br />

von Anfang an maßgebende Impulse<br />

setzen wollten, begannen wir, unsere<br />

Gäste an Dienstleister in der Gegend<br />

zu verweisen, damit sie die Gegend zusammen<br />

mit den Einheimischen erleben<br />

können. Als sich der Besucherstrom dann<br />

stetig vergrößerte, begannen Kleinbetriebe,<br />

immer mehr Services anzubieten. Auch<br />

einige unserer Angestellten haben sich im<br />

Laufe der Jahre selbständig gemacht, was<br />

mich sehr freut. Ich bin stolz darauf, dass<br />

sich in einer Stadt mit 2.000 Einwohnern<br />

bis jetzt rund 600 Betriebe angesiedelt<br />

haben. Als wir 1996 die Pforten öffneten,<br />

gab es gerade einmal 200 …<br />

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren<br />

Vater und an das alte Tofino?<br />

So viele … Ich erinnere mich an unsere<br />

Strandspaziergänge nach einem Schneesturm,<br />

auf denen wir die mundgeblasenen<br />

Glaskugeln suchten, die die Netze von<br />

japanischen Fischern zusammenhalten.<br />

In unserem kleinen 9-PS-Aluminiumboot<br />

erlebten wir auch so manches Abenteuer,<br />

wenn wir Muschelkies von weit abgelegenen<br />

Stränden holten, um die Gehwege in<br />

unserem Garten zu verlegen. Mit meinem<br />

Vater hob ich auch gern in seinem Seabee-<br />

Wasserflugzeug ab. Dort, wo heute das<br />

Wickaninnish Inn steht, befand sich<br />

einst unsere Ferienhütte, die nur über<br />

einen Waldweg zu erreichen war. Wenn<br />

ich mit meinen Freunden bis spät in die<br />

Nacht in die Bars ging, musste ich in der<br />

stockdunklen Nacht zurückwandern und<br />

stolperte über so manchen Ast. Besser<br />

war es schon, als mein Vater, meine zwei<br />

Brüder und ich mit dem Hubschrauber<br />

zu einem Bergsee flogen und wir dort ein<br />

ganzes Wochenende die Natur genossen.<br />

Einmal fuhren wir auf einer Schotterstraße<br />

nach Port Alberni und blieben<br />

mit unserem Land Rover im Schlamm<br />

stecken, weil mein Vater die Drehfähigkeit<br />

der Räder austesten wollte. Damit<br />

wurde sein Glaube in die unverwüstliche<br />

Natur des Rovers definitiv erschüttert.<br />

Noch vor dem ersten Spatenstich für das<br />

Wickaninnish Inn wanderten wir während<br />

eines Wolkenbruchs durch den Busch<br />

zum Areal. Wir wollten damals herausfinden,<br />

wie hoch sich die Wellen über die<br />

Strandvegetation bei starken Sturmböen<br />

erheben – keine angenehme Erinnerung.<br />

Als wir das Hotel schließlich eröffneten,<br />

kehrte mein Vater in seinem Holzhackerhemd<br />

mit einem breiten Grinsen in der<br />

Lobby zusammen, er war so stolz, dass<br />

unser lang gehegter Familientraum<br />

endlich wahr geworden war!<br />

Wodurch unterscheidet sich das<br />

Wickaninnish Inn von anderen<br />

Luxushotels, die Sie selbst kennen?<br />

Durch zwei Dinge würde ich sagen: das<br />

absolute, fast schon fanatische Bestehen<br />

auf der Westküstenästhetik. Und der<br />

beste Service, der so freundlich und<br />

natürlich daherkommt, dass sich die<br />

Gäste sofort wohlfühlen.<br />

Wie, hoffen Sie, werden Ihre Kinder<br />

Sie in Erinnerung behalten?<br />

Hoffentlich als einen eingefleischten<br />

Hotelier, der einen Familientraum<br />

verwirklichte und die ganze Welt auf<br />

einen Besuch einlud.<br />

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