ocean7 4/2021
Eye of the Wind. Kreuzfahrten wie zu Urgroßvaters Zeiten sind heute noch gut möglich, wie ein 100-jähriger Schoner zeigt. Ewiger Frühling. Familie Mandl verbrachte ein Jahr in „Selbstquarantäne“ an Bord ihrer Segelyacht Inaya auf den Kanaren. Flottillensegeln. Von geführten Törns für Einsteiger bis zu ausgedehnten „Explorer“-Rundreisen. Quallen. Harmlos oder gefährlich? Eine Übersicht der faszinierenden Nesseltiere. Excess 12. Testschlag mit dem Missing Link zwischen Ein- und Mehrrümpfern. Bavaria C38. Die erfrischendste Neuerscheinung im heiß begehrten 11-Meter-Segment. Cranchi E26 Rider. Den noblen Daycruiser gibt es jetzt auch mit Roadster-Feeling.
Eye of the Wind. Kreuzfahrten wie zu Urgroßvaters Zeiten sind heute noch gut möglich, wie ein 100-jähriger Schoner zeigt.
Ewiger Frühling. Familie Mandl verbrachte ein Jahr in „Selbstquarantäne“ an Bord ihrer Segelyacht Inaya auf den Kanaren.
Flottillensegeln. Von geführten Törns für Einsteiger bis zu ausgedehnten „Explorer“-Rundreisen.
Quallen. Harmlos oder gefährlich? Eine Übersicht der faszinierenden Nesseltiere.
Excess 12. Testschlag mit dem Missing Link zwischen Ein- und Mehrrümpfern.
Bavaria C38. Die erfrischendste Neuerscheinung im heiß begehrten 11-Meter-Segment.
Cranchi E26 Rider. Den noblen Daycruiser gibt es jetzt auch mit Roadster-Feeling.
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Skipper‘s Diaries<br />
Der Sohn des<br />
Klabautermanns<br />
In die Fußstapfen des Schreckgespensts aller Seefahrer zu treten<br />
ist keine leichte Aufgabe. Aber Übung macht den Meister, das<br />
gilt auch für kleine Klabautermänner.<br />
Kapitän Meyers schwang wie<br />
gewohnt seine Beine aus der<br />
Koje und wollte in seine hohen,<br />
braunen Lederstiefel, die vor<br />
seinem Bett standen, schlüpfen.<br />
Doch da waren keine Stiefel, sondern<br />
nur die ausgetretenen, weißen<br />
Pantoffel des Schiffskochs.<br />
Da bemerkte der Kapitän das aufgeregte<br />
Hin- und Herlaufen auf dem<br />
Oberdeck. Barfuß ging er hinauf<br />
und musste schmunzeln. Die gesamte<br />
Mannschaft war damit beschäftigt,<br />
die jeweils richtigen Schuhe<br />
zum richtigen Mann zu finden. Der<br />
Koch kam mit den Kapitänsstiefeln<br />
vorbei. Meyers schnappte sich sein<br />
Schuhwerk und donnerte mit brummiger<br />
Stimme los: „Wem bei allen<br />
Stürmen dieser Weltmeere ist denn<br />
dieser Unfug eingefallen?“ Betretenes<br />
Schweigen der Mannschaft.<br />
„Statt eurer Arbeit nachzugehen<br />
habt ihr Halunken nichts Besseres<br />
im Sinn, als Streiche zu spielen!“<br />
Nachdem sich kein Verantwortlicher<br />
finden ließ, ging der Kapitän<br />
auf die Brücke, um dort nach dem<br />
Rechten zu sehen. Wie üblich stand<br />
gleich neben dem Kartentisch eine<br />
Schale duftenden Kaffees, ohne<br />
den Meyers in der Früh besonders<br />
brummig war.<br />
Nach zwei Löffeln Zucker nahm<br />
er den ersten Schluck, stürmte mit<br />
einem lauten „Hrpff “ zur Seereling,<br />
spuckte das salzige Gebräu ins Meer<br />
und warf die Schale gleich hinterher.<br />
Irgendjemand hatte in seine geliebte<br />
Zuckerdose Salz eingefüllt!<br />
Wer war so dreist, ihm solche<br />
Streiche zu spielen? Da fielen ihm<br />
die Begebenheiten der letzten Tage<br />
ein. Der verlegte Kartenzirkel, die<br />
plötzlich leere Tabaksdose, der Mittagstisch<br />
ohne Besteck. Wer konnte<br />
der Täter sein?<br />
Am nächsten Morgen kam er an<br />
Deck und es fiel ihm sofort auf, dass<br />
seine Männer ihm schweigsam auswichen.<br />
Als er einen Blick in den<br />
Himmel warf, traute er seinen Augen<br />
nicht. Die Vorsegel waren gelb,<br />
die Großsegel rot und die Besansegel<br />
blau angemalt! Wie eine bunte Kuh<br />
zog sein Schiff über das Meer. Das<br />
schlug dem Fass den Boden aus!<br />
Sofort gab er Befehl, die Segel zu<br />
bergen und zu reinigen. Später in<br />
seiner Kajüte fasste er einen Plan.<br />
EINE MÜNZE UNTERM MAST<br />
Am Abend rollte der Kapitän seine<br />
Kleider zusammen, so dass man<br />
durch das Bullauge blickend glauben<br />
konnte, er läge in seiner Koje. Meyers<br />
setzte sich aber gleich hinter die<br />
Tür und hielt Wache. Die Stunden<br />
vergingen, da öffnete sich plötzlich<br />
leise der Eingang. Mit seinen riesigen<br />
Händen packte Meyers zu und<br />
schnappte eine kleine, grünliche Gestalt<br />
mit blauen, zotteligen Haaren.<br />
„Wer bist du, und was fällt dir ein,<br />
hier herumzuschleichen und Unfug<br />
zu treiben?“, fragte er.<br />
Zerknirscht, aber auch trotzig<br />
antwortete der kleine Wicht: „Ich<br />
bin der jüngste Sohn des Klabautermanns<br />
und schon seit Tagen hier<br />
an Bord, um zu üben, wie man<br />
Seeleuten Streiche spielt.“<br />
„Aber ich habe dich erwischt“,<br />
spottete Meyers, „und morgen früh<br />
Illustration aus dem Buch „Zur See“, Henk Verlagsanstalt<br />
und Druckerei, Hamburg, 1885.<br />
werde ich dich der Mannschaft vorführen.<br />
Die werden sich freuen, dich<br />
in die Finger zu kriegen.“<br />
Da begann der Sohn des Klabautermanns<br />
zu betteln und zu weinen:<br />
„Mein Vater wird sehr böse sein, es<br />
ist nämlich die größte Schande für<br />
einen Klabautermann, erwischt zu<br />
werden! Kannst du nicht ein Auge<br />
zudrücken und mich freilassen?“<br />
Der Kapitän, der im Innersten ein<br />
weiches Herz hatte, nahm dem<br />
Wicht das Versprechen ab, dass er<br />
zukünftig alle Schiffe, auf denen er<br />
das Kommando haben sollte, verschonen<br />
würde. Er begleitete den<br />
Sohn des Klabautermanns noch zur<br />
Reling und sah zu, wie dieser in den<br />
Tiefen des Meeres verschwand. Zurück<br />
in seiner Kajüte fand der Kapitän<br />
auf seinem Polster einen Zettel,<br />
auf dem in krakeliger Schrift stand:<br />
Weil du im Herzen ein guter<br />
Mensch bist, verrate ich dir das große<br />
Klabauter-Geheimnis. Wenn du<br />
willst, dass dein Schiff von uns in<br />
Ruhe gelassen werden soll, so lege<br />
eine kleine Münze unter den Mast,<br />
wo jeder Klabautermann zuerst<br />
nachschaut. Das ist für uns das Zeichen,<br />
dass du ein Eingeweihter bist.<br />
Dein Klabautermann<br />
<br />
THOMAS PERNSTEINER<br />
ist Skipper, allgemein<br />
beeideter und gerichtlich<br />
zertifizierter<br />
Sachverständiger für<br />
Schifffahrt und Wasserfahrzeuge.<br />
kolumne@<strong>ocean7</strong>.at<br />
60 3/<strong>2021</strong>