ocean7 4/2021
Eye of the Wind. Kreuzfahrten wie zu Urgroßvaters Zeiten sind heute noch gut möglich, wie ein 100-jähriger Schoner zeigt. Ewiger Frühling. Familie Mandl verbrachte ein Jahr in „Selbstquarantäne“ an Bord ihrer Segelyacht Inaya auf den Kanaren. Flottillensegeln. Von geführten Törns für Einsteiger bis zu ausgedehnten „Explorer“-Rundreisen. Quallen. Harmlos oder gefährlich? Eine Übersicht der faszinierenden Nesseltiere. Excess 12. Testschlag mit dem Missing Link zwischen Ein- und Mehrrümpfern. Bavaria C38. Die erfrischendste Neuerscheinung im heiß begehrten 11-Meter-Segment. Cranchi E26 Rider. Den noblen Daycruiser gibt es jetzt auch mit Roadster-Feeling.
Eye of the Wind. Kreuzfahrten wie zu Urgroßvaters Zeiten sind heute noch gut möglich, wie ein 100-jähriger Schoner zeigt.
Ewiger Frühling. Familie Mandl verbrachte ein Jahr in „Selbstquarantäne“ an Bord ihrer Segelyacht Inaya auf den Kanaren.
Flottillensegeln. Von geführten Törns für Einsteiger bis zu ausgedehnten „Explorer“-Rundreisen.
Quallen. Harmlos oder gefährlich? Eine Übersicht der faszinierenden Nesseltiere.
Excess 12. Testschlag mit dem Missing Link zwischen Ein- und Mehrrümpfern.
Bavaria C38. Die erfrischendste Neuerscheinung im heiß begehrten 11-Meter-Segment.
Cranchi E26 Rider. Den noblen Daycruiser gibt es jetzt auch mit Roadster-Feeling.
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Sailing Poetry<br />
Vergil im Porto di Roma<br />
In der Marina di Porto di Roma, unter den Arkaden beim Yachtclub, treffen wir auf Vergil<br />
und danken ihm für die „Aeneis“, mit der er uns das Abendland begründet hat.<br />
Neben Homers Odyssee führe<br />
ich auch Vergils Aeneis mit<br />
an Bord, die man die römische<br />
Odyssee nennt: die Verbindung<br />
des alten Griechenlands mit<br />
Rom, des Orients mit dem Occident,<br />
Asiens mit dem Römischen<br />
Reich. Eine Ironie der Geschichte:<br />
das erste, vereinte Europa, gegründet<br />
von einer Dynastie aus dem<br />
kleinasiatischen Troja. Ein erstmals<br />
weitgehend friedliches Europa<br />
übrigens, bedenkt man die letztlich<br />
200 Jahre lang dauernde „Pax<br />
Romana“.<br />
Auf dem Seeweg von Rapallo<br />
nach Triest, rund um Italien, etwa<br />
1.200 Meilen, auf Kursen die jene<br />
des Odysseus vielfach kreuzen sollten,<br />
laufen wir mit der Katawa vor<br />
einem Unwetter in die Marina di<br />
Porto di Roma ein, halten durch<br />
zwischen den beiden gabelförmigen<br />
Wellenbrechern, bei einigem<br />
Wind und Kreuzseen, vor denen<br />
schon das Handbuch warnt.<br />
Circe arbeitet dieses Jahr nicht<br />
mehr in der Rezeption der Marina,<br />
wo wir sie einst kennenlernten;<br />
sie soll jetzt Direttore sein in der<br />
Marina di Capraia an der Küste<br />
von Cinqueterre.<br />
Unter den Arkaden, nah beim<br />
Yachtclub, stoße ich auf den großen<br />
Dichter der augusteischen Zeit, der<br />
Homers Epen fortgesetzt, die römische<br />
Odyssee geschrieben und den<br />
Grundstein gelegt hat für ein römisches<br />
Zeitalter. „Vergil, I presume?“<br />
eröffne ich mit einer klassischen<br />
Formel und er erlaubt, dass ich<br />
mich setze.<br />
Hier, südlich der Mündung des<br />
Tiber, hebe ich an, liegt das Ufer,<br />
das Aeneas gewinnt, nach Gefahren,<br />
Nöten, Irrfahrten und Stürmen.<br />
Hier treibt er strandwärts die<br />
Kiele/rollt die Segel zusammen/der<br />
Anker fällt vom Verdeck/es liegen<br />
die Kiele am Ufer.<br />
Vergil blickt sinnend hin zur<br />
Einfahrt der Marina mit den beiden<br />
Leuchttürmen und hinaus<br />
aufs offene Meer, sagt dann:<br />
Singen wollt ich von Kämpfen/<br />
und von dem Mann/der von Trojas<br />
Gestade/vom Schicksal verbannt/<br />
nach Italien kam/der viel in Kriegen<br />
erlitt/bis er die Stadt gegründet/ein<br />
neues Troja/von dem das<br />
Haus des Aeneas/die Länder der<br />
Erde beherrschen würde …<br />
Zehn Jahre lang haben Sie an der<br />
Aeneis geschrieben, fahre ich fort,<br />
das hohe Lied von Rom als Fortsetzung<br />
Ilions und seiner weltgeschichtlichen<br />
Sendung. Kurz vor<br />
Ihrem Tod in Brindisium dachten<br />
Sie daran, das Werk, das Sie für ungenügend<br />
hielten, zu verbrennen,<br />
was Augustus, mit dessen Segelgeschwader<br />
Sie, vom Fieber bereits<br />
hingestreckt, von Athen geholt<br />
worden waren und der Sie am<br />
Krankenlager aufsuchte, zum Glück<br />
verhinderte. Ich danke Ihnen,<br />
Dichter, denn Sie haben uns die<br />
Idee des Abendlandes begründet!<br />
EIN LEBEN, WIE ES<br />
NOCH WERDEN KÖNNTE<br />
Worauf wir anstoßen mit einem<br />
Glas sabinischen Weins. Beatus<br />
ille … sagt Vergil launig, mit einem<br />
Wort aus den Epoden beginnend,<br />
die Geschichte prophezeien, nachdem<br />
sie stattgefunden hat …<br />
Vergils Grabepigramm in Neapel<br />
lautet: „Mantua brachte mich hervor,<br />
Kalabrien raffte mich hinweg,<br />
nun birgt mich Neapel. Ich besang<br />
Weiden, Felder und Herrscher.“<br />
Schöne Bescheidenheit: Im letzten<br />
Wort des Epigramms wird auf sein<br />
Yachtclub di Roma.<br />
Unter den Arkaden im Porto di Roma.<br />
großes Werk hingewiesen, in dem<br />
er die Regierung des Augustus und<br />
die Bestimmung Roms zur Herrschaft<br />
über ein Europa feierte, das<br />
einst auch den Maghreb, Kleinasien<br />
und das Schwarze Meer umfasste.<br />
Die Aufgabe, meine Damen und<br />
Herren, egal wie alt oder jung sie<br />
sind, ihr Grabepigramm zu formulieren,<br />
habe ich Ihnen schon einmal<br />
gestellt: es könnte Ihnen den Weg<br />
weisen zu einem Leben, wie es<br />
noch werden könnte … <br />
Im nächsten Sailing Poetry, meine<br />
Damen und Herren, begegnen wir<br />
einem König der Antike: Gilgamesch<br />
von Uruk, der auf der Suche nach<br />
dem ewigen Leben ist und dabei –<br />
das Segel erfindet.<br />
ALFRED ZELLINGER<br />
ist Schriftsteller und<br />
erlernte das Segeln in<br />
der O-Jolle des Vaters<br />
auf dem Traunsee. Dort<br />
segelt er heute einen<br />
30er-Schärenkreuzer,<br />
auf dem Meer eine 46er<br />
Grand Soleil.<br />
kolumne@<strong>ocean7</strong>.at<br />
82 4/<strong>2021</strong>