2/2009 - BRAK-Mitteilungen
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68 Pflichten und Haftung des Anwalts <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2/<strong>2009</strong><br />
Im Haftpflichtprozess wurde die hier auf Deckungsschutz klagende<br />
Rechtsanwältin zur Zahlung aufgrund eines konkludent<br />
abgeschlossenen Treuhandvertrages verurteilt. Soweit den<br />
Gründen zu entnehmen war, sollten Gelder, die Kunden einer<br />
„C.-Club-GmbH“ auf das Konto der Anwältin eingezahlt hatten,<br />
nur dann an diese GmbH weitergeleitet werden, wenn die<br />
Auslieferung von Fahrzeugen, die diese Kunden bestellt hatten,<br />
sichergestellt war. Den Treuhandvertrag zwischen Anwältin<br />
und Kunden stützten die Regressrichter in zwei Instanzen auf<br />
ein besonderes Vertrauen in die Stellung der hiesigen Klägerin<br />
als Rechtsanwältin. Deshalb seien die Kunden von einem<br />
besonderen Sicherungsinstrument ausgegangen. Eine irgendwie<br />
geartete rechtliche Beratung war allerdings nicht geschuldet.<br />
Insoweit handelte es sich also umeine sogenannte „isolierte<br />
Treuhand“, auf die nach st. Rspr. (BGH –IX ZR 257/06 v.<br />
5.7.2007 und BGH, NJW 1999, 3040) spezifische anwaltliche<br />
Berufsregeln (wie beispielsweise die früher geltende Verjährungsvorschrift<br />
des §51b BRAO a.F.)nicht anwendbar sind.<br />
Das liegt daran, dass in der Abwicklung eines solchen Treuhandvertrages<br />
schon gar keine anwaltliche Tätigkeit erblickt<br />
wird. Bereits unter der Geltung des Rechtsberatungsgesetzes<br />
wäre es weder einem Steuerberater, noch einem Unternehmensberater<br />
oder sonstigen Personen untersagt gewesen, solche<br />
Verträge anzunehmen und durchzuführen. Für die<br />
Deckung über die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung<br />
hat man sich daher zu fragen, ob überhaupt eine anwaltliche<br />
Tätigkeit vorliegt, denn nur diese wäre gem. §1AVB-RA vom<br />
Versicherungsschutz umfasst. Die Problematik übersah auch<br />
das OLG Düsseldorf offenkundig nicht. Daaber das Bestehen<br />
des Treuhandverhältnisses, das im Übrigen von der beklagten<br />
Anwältin bestritten wurde, gerade mit der Stellung der Klägerin<br />
als Rechtsanwältin und dem besonderen Vertrauen, das die<br />
Geschädigten dieser gegenüber entgegenbrachten, begründet<br />
wurde, sei im Deckungsverhältnis von beruflicher Tätigkeit<br />
auszugehen; die Versicherungsnehmerin sei hier „gerade in<br />
ihrer Funktion als Rechtsanwältin“ tätig geworden.<br />
Damit setzt das OLG in unzulässiger Weise das Vertrauen in<br />
einen bestimmten Berufsstand damit gleich, dass die angesprochene<br />
Tätigkeit auch in Ausübung diese Berufes ausgeübt wird.<br />
Wäre hier ein Richter tätig gewesen, hätte das Gericht im Haftpflichtprozess<br />
ebenso gut die Annahme eines konkludent abgeschlossenen<br />
Treuhandvertrages mit einem besonderen Vertrauen<br />
rechtfertigen können. Hingegen wird man kaum davon<br />
ausgehen dürfen, dass essich umoriginär richterliche Tätigkeit<br />
handelte. Diese besteht nämlich darin, Verfahren vor staatlichen<br />
Gerichten zu leiten und entsprechende Entscheidungen<br />
zu treffen. Ebenso wird gem. §3Abs. 1BRAO die anwaltliche<br />
Tätigkeit mit Rechtsberatung gegenüber dem Mandanten in<br />
Verbindung gesetzt. Betreuungen, Testamentsvollstreckungen,<br />
Tätigkeiten als Nachlasspfleger oder -verwalter werden häufig<br />
von Rechtsanwälten wahrgenommen, weil diese besonders<br />
sachkundig sind und entsprechendes Vertrauen genießen. Derlei<br />
Tätigkeiten sind aber nicht von der Pflichtversicherung<br />
erfasst, wie sie §51 Abs. 1 BRAO beschreibt. Das ist nicht<br />
Berufstätigkeit als Rechtsanwalt! Deshalb ist es nötig, diese<br />
Tätigkeiten gesondert zuerwähnen, wenn insoweit Versicherungsschutzbestehen<br />
soll, wie es dieRisikobeschreibungen der<br />
AVB auch tun, wobei dort Treuhandtätigkeiten gerade nicht<br />
erwähnt sind.<br />
Das OLG setzt sich dann mit §20AVB-RA auseinander, der<br />
dem gefundenen Ergebnis ebenfalls nicht entgegenstünde.<br />
Danach wird Versicherungsschutz auch für den Fall gewährt,<br />
dass der Versicherungsnehmer wegen einer fahrlässigen Verfügung<br />
über Beträge, die inunmittelbarem Zusammenhang mit<br />
einer Rechtsanwaltstätigkeit auf ein Anderkonto eingezahlt<br />
wurden, von dem Berechtigten inAnspruch genommen wird.<br />
Das aktuelle Urteil<br />
Der Senat erkennt hier richtig eine Erweiterung des Versicherungsschutzes,<br />
ohne aber die Richtung der Erweiterung korrekt<br />
zu interpretieren. Er setzt voraus, dass ohnehin Deckungsschutz<br />
nach §1AVB-RA bestünde, wenn sich die fahrlässige<br />
Verfügung vom Anderkonto schon nach den übrigen Umständen<br />
als anwaltliche Tätigkeit darstelle. Daraus wird gefolgert,<br />
dass §20 AVB-RA Versicherungsansprüche gewährt, wenn<br />
durch die Verfügung gegen Pflichten verstoßen wird, welche<br />
nicht aufgrund eines Anwaltsvertrages zum Mandanten bestehen.<br />
Das Gericht übersieht hier zweierlei. Zum einen wird in<br />
der genannten Klausel ausdrücklich vorausgesetzt, dass ein<br />
unmittelbarer Zusammenhang mit einer anwaltlichen Tätigkeit<br />
bestehen muss. Insofern ist esrätselhaft, wie man unter diesen<br />
Umständen darauf schließen kann, dass hier Tätigkeiten<br />
gemeint sein könnten, die außerhalb eines Anwaltsvertrages<br />
zum Mandanten liegen. Zum anderen spricht §20AVB-RA mit<br />
Bedacht davon, dass der Anwalt Deckung bzgl. Ansprüchen<br />
„des Berechtigten“ genießt. Soergibt sich denn tatsächlich die<br />
Erweiterung, die § 20 AVB-RA vorsieht, aus einem anderen<br />
Zusammenhang: Werden Fremdgelder für den Mandanten in<br />
Empfang genommen und fahrlässig fälschlicherweise anDritte<br />
ausgezahlt –sei esaus falschen rechtlichen Einschätzungen<br />
heraus oder einfach, weil beim Überweisungsvorgang Fehler<br />
gemacht werden –, dann hat der Mandant nach wie vor seinen<br />
Erfüllungsanspruch aus §667 BGB. §1AVB-RA und der diesem<br />
zugrundeliegende §51BRAO setzen aber für die Deckung<br />
einen „Haftpflichtanspruch privatrechtlichen Inhalts“ voraus.<br />
Umgekehrt kann essein, dass der Anwalt gerade dazu verpflichtet<br />
ist, nicht anden Mandanten zu zahlen, sondern an<br />
Dritte. Wenn dann der Dritte („Berechtigte“) Erfüllung verlangt,<br />
weil an einen Nichtberechtigten gezahlt wurde, wäre dessen<br />
Erfüllungsanspruch ebenfalls vom Deckungsschutz umfasst,<br />
wenn es sich umeine fahrlässige Verfügung vom Anderkonto<br />
handelt (also nicht vom einfachenGeschäftskonto) und der Einzug<br />
und die Weiterleitung des Geldes im Rahmen einer<br />
anwaltlichen Tätigkeit erfolgte.<br />
Weder die Tatsache, dass imHaftpflichtprozess auf die „besondere<br />
Stellung als Rechtsanwältin“ abgestellt wurde, noch §20<br />
AVB-RA hätte also das Gericht vonder Verpflichtung enthoben,<br />
eine eigenständige Begründung dafür zu liefern, dass eine<br />
anwaltliche Tätigkeit im eigentlichen Sinne (also Rechtsberatung)<br />
vorlag. Diese blieb das OLG Düsseldorf hier schuldig.<br />
Größerer Begründungsaufwand wird schließlich betrieben bei<br />
der Frage, ob sich die klagende Anwältin eine „wissentliche<br />
Pflichtverletzung“ vorzuwerfen hatte oder nicht. Die Gelder<br />
der Kunden wurden bei der Anwältin auf einemeinzigen Konto<br />
verwaltet, ohne dass eine Unterscheidung darüber getroffen<br />
wurde, ob ausdrückliche Treuhandvereinbarungen mit den<br />
jeweiligen Kunden vorlagen oder nicht. Die beklagte Anwältin<br />
hatte nach den Feststellungen im Urteil auch erhebliche<br />
Beträge –offensichtlich entgegen jeglicher tatsächlich vorliegender<br />
Vereinbarungen –für sich selbst entnommen. Dennoch<br />
wird ihr zugute gehalten, dass inBezug auf diejenigen Einzahlungen,<br />
um die esimHaftpflichtprozess ging, keine ausdrücklichen<br />
Vereinbarungen der Kunden vorlagen und somit nicht<br />
vorsätzlich gegen derlei Vereinbarungen verstoßen werden<br />
konnte. Obwohl selbst der Senat unter Verweis auf ein entsprechendes<br />
staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren konzediert,<br />
dass die Klägerin bei der Weiterleitung der Gelder an den C.-<br />
Club bzw. bei den Entnahmen zu eigenen Gunsten bewusst an<br />
einer betrügerischen Schädigung der Kunden mitgewirkt haben<br />
könnte, bedürfe dies keiner näheren Untersuchung, weil es<br />
darauf nicht ankomme, sondern lediglich auf die Frage, ob<br />
bewusst gegen rechtsgeschäftliche Verpflichtungen gegenüber<br />
den Kunden verstoßen wurde. Dies sei aber aus den angesprochenen<br />
Gründen zuverneinen.