2/2009 - BRAK-Mitteilungen
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70 Pflichten und Haftung des Anwalts <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2/<strong>2009</strong><br />
Vorgehen bei Zweifeln an Verfassungsmäßigkeit<br />
a) Der Steuerberater, der mit der Prüfung eines Steuerbescheides<br />
beauftragt ist, muss mit seinem Mandanten die Möglichkeit eines<br />
Einspruchs wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des anzuwendenden<br />
Steuergesetzes nicht erörtern, solange keine entsprechende<br />
Vorlage eines Finanzgerichts andas Bundesverfassungsgericht<br />
veröffentlicht ist oder sich ein gleich starker Hinweis auf die<br />
Verfassungswidrigkeit der Besteuerung aus anderen Umständen,<br />
insbesondere einer in ähnlichem Zusammenhang ergangenen, im<br />
Bundessteuerblatt veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
ergibt.<br />
b) Der Steuerberater ist im Einzelfall noch nicht verpflichtet, die<br />
Möglichkeit eines Einspruchs wegen Verletzung der Erhebungsgleichheit<br />
mit seinem Mandanten zu erörtern, wenn weder der<br />
Gesetzgeber die vorliegendenHinweise auf die gleichheitswidrige<br />
Besteuerung erkennbar zum Anlass genommen hat, dem Mangel<br />
abzuhelfen, noch die Fachkreise hierauf in breit geführter Diskussion<br />
reagiert haben.<br />
BGH, Urt. v. 6.11.2008 –IX ZR 140/07, WM<strong>2009</strong>, 90<br />
Anmerkung:<br />
Ein Haftpflichtprozess gegen einen Rechts- oder Steuerberater<br />
birgt regelmäßig die Problematik, dass die im Streit stehende<br />
Beratungstätigkeit schon längere Zeit her ist. Zu den damit verbundenen<br />
beweisrechtlichen Schwierigkeiten kann hinzukommen,<br />
dass sich die Rechtslage womöglich inder Zwischenzeit<br />
geändert hat. Esliegt aber auf der Hand, dass die anwaltliche<br />
bzw. steuerliche Beratung unter Zugrundelegung der seinerzeitigen<br />
Rechtslage beurteilt werden muss.<br />
Nunist man später immer schlauer alszuvor: Hatsichzwischenzeitlicherwiesen,<br />
dass beispielsweiseeineÄnderung der höchstrichterlichen<br />
Rechtsprechung erfolgt oder eine gesetzliche Regelung<br />
oder Verwaltungspraxis verfassungswidrig ist, so mag der<br />
Mandant auf die Idee kommen, dass auch inder eigenen Angelegenheit<br />
weitere Rechtsmittel bis hin zur Verfassungsbeschwerde<br />
erfolgreich gewesen wären. Was die Änderung der<br />
höchstrichterlichen Rechtsprechung angeht, sohat der BGH bereitsimJahr<br />
1993 (NJW 1993, 3323)die Voraussetzungen fürein<br />
Vertrauen auf den Bestand der Rechtsprechung aufgestellt. Nur<br />
wenn deutliche Anzeichen für eine Rechtsprechungsänderung<br />
erkennbar sind, muss man dies ins Kalkül ziehen. Dies können<br />
sowohl entsprechende Hinweise eines obersten Gerichts sein als<br />
auch ein „dogmatischer Wandel“. Letztere – doch etwas<br />
schwammige – Voraussetzung wird in der vorliegenden Entscheidung<br />
konkretisiert: Im Grundsatz darf der Steuerberater auf<br />
die Verfassungsmäßigkeit der auf den Steuerfall anzuwendenden<br />
Gesetze vertrauen. Einen Ausnahmefall sieht der Senat dann,<br />
wenn bereits eine verfassungsgerichtliche Entscheidung zueiner<br />
ähnlichen Frage vorliegt oder wenn einGericht einen Vorlagebeschluss<br />
nach Art. 100 Abs. 1GGgefasst und der Berater hiervon<br />
Kenntnis erlangt hat. Hier birgt ein Einspruch nur ein geringes<br />
Kostenrisiko, dadas Verfahren nach §363 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1<br />
AO ruht. Vereinzelte Stimmen in der Literatur oder anhängige<br />
Verfassungsbeschwerden müssen den Berater hingegen nicht<br />
veranlassen, dem Mandanten zueinem Rechtsmittel (welches<br />
ggf. die Erschöpfung des Rechtsweges erfordern würde) zu raten.<br />
Gefälligkeitshinweise an Mandanten<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Telefonische <strong>Mitteilungen</strong> eines Steuerberaters können einen Auskunftsvertrag<br />
begründen.<br />
BGH, Urt. v.18.12.2008 –IXZR12/05, WM<strong>2009</strong>, 369<br />
Anmerkung:<br />
Der Leitsatz führt uns ein wenig auf die falsche Fährte: Bei dem<br />
Stichwort „Auskunftsvertrag“ denkt man gemeinhin an ein<br />
Rechtsprechungsleitsätze<br />
außerhalb eines Mandatsverhältnisses begründetes Rechtsverhältnis<br />
mit Dritten. Hier ging es aber um die Frage, ob ein telefonischer<br />
Hinweis des Steuerberaters anseine Mandanten in<br />
einer Angelegenheit, die mit seiner sonstigen Tätigkeit ansich<br />
nichts zu tun hatte, zueiner Haftung führen kann.<br />
Der Steuerberater war mit der Fertigung der Steuererklärungen<br />
der Mandanten beauftragt. Als diese eine vermietete Wohnung<br />
weiterverkaufen wollten, teilten sie dem Bekl. telefonisch mit,<br />
sie könnten die Wohnung fast zum Einstandspreis verkaufen.<br />
Sie fragten ihn, ob er etwas über die Immobilienentwicklung<br />
sagen könne und ob man sich „wegen der anstehenden Gesetzesänderung“<br />
mit dem Verkauf beeilen müsse. Der Bekl. verneinte<br />
dies und beurteilte den Verkauf zum Einstandspreis als<br />
günstig. Steuerlich wurde allerdings ein Veräußerungsgewinn<br />
erzielt, da innerhalb laufender Spekulationsfrist der Einkaufspreis<br />
um die erfolgten Abschreibungen gemindert wurde. Die<br />
Kl. meinten, hierauf hätte sie der bekl. Steuerberater hinweisen<br />
müssen.<br />
Der Senat macht längere Ausführungen zur Frage des Rechtsbindungswillens<br />
und zur Abgrenzung zwischen Gefälligkeit<br />
und Auskunftsvertrag. Dabei müsse immer eine Gesamtbetrachtung<br />
erfolgen. Im konkreten Fall sprachen sowohl die<br />
besondere Sachkunde des Steuerberaters als auch die Tatsache,<br />
dass bereits eine Vertragsbeziehung bestand, für einen Auskunftsvertrag.<br />
Daneben leitet der Senat den Schadensersatzanspruch auch<br />
daraus her, dass ein Steuerberater trotz Beschränkung des Mandats<br />
auf die Fertigung der Steuererklärungen die Mandanten<br />
auch vor außerhalb des Mandats liegenden steuerlichen Fehlentscheidungen<br />
warnen muss, wenn sie für ihn ersichtlich sind.<br />
Von einem Gefälligkeitsverhältnis sollte also ein Rechts- oder<br />
Steuerberater –auch und gerade bei freundschaftlichen Hinweisen,<br />
die nicht abgerechnet werden –besser nie ausgehen.<br />
Rechtsanwältin Antje Jungk<br />
Schaden bei Fehlern im Zusammenhang mit Kündigungsschutzprozessen<br />
1. Vergleichbar einem Korrespondenzanwalt hat der Rechtsberater<br />
einer Gewerkschaft die Informationen eines Arbeitnehmers<br />
vor Erhebung einer Kündigungsschutzklage sicher und vollständig<br />
zu erfassen.<br />
2. Die das Mitglied (Arbeitnehmer) wie ein Rechtsanwalt beratende<br />
und im Rechtsstreit vertretende Rechtsschutzgesellschaft<br />
des DGB hat widersprüchliche und unklare Informationen der<br />
Einzelgewerkschaft unverzüglich aufzuklären.<br />
3. Zur Berechnung eines Verdienstausfallschadens nach der<br />
„modifizierten Bruttolohnmethode“.<br />
4. Der Schadenersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen<br />
Rechtsberater, durch dessen Verschulden ein Kündigungsschutzprozess<br />
verloren gegangen ist, ist nicht entsprechend dem Kündigungsschutzgesetz<br />
auf eine Abfindung beschränkt.<br />
OLG Düsseldorf, Urt. v.18.3.2008 –IU149/05, BeckRS 2008,<br />
10066<br />
Anmerkung:<br />
Ist ein Rechtsberater dafür verantwortlich, dass sein Mandant<br />
einen Kündigungsschutzprozess zu Unrecht verliert – z.B.<br />
wegen Versäumung der Frist des §4KSchG –stellt die Frage,<br />
welcher Schaden dem Mandanten dadurch entstanden ist, die<br />
Praxis immer wieder vor größere Probleme. Für den Kläger des<br />
Schadenersatzprozesses liegt es nahe, sich anden Abfindungsregeln<br />
der §§ 9und 10 KSchG zu orientieren. Das ist allerdings<br />
in zweierlei Hinsicht falsch. Anders als in den Fällen der Abfindung<br />
muss der Arbeitnehmer seinen Schaden damit begrün-