2/2009 - BRAK-Mitteilungen
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<strong>BRAK</strong>-Mitt. 2/<strong>2009</strong> Pflichten und Haftung des Anwalts 69<br />
Ob eine derart einengende Betrachtung der relevanten Pflichten<br />
und ihrer wissentlichen Verletzung geboten ist, darf<br />
bezweifelt werden. Sie könnte zu dem merkwürdigen Ergebnis<br />
führen, dass sogar die Folgen bewusst betrügerischen und<br />
damit strafbaren Handelns vom Versicherer zu tragen wären,<br />
soweit Vertragspflichten mehr oder weniger zufällig nicht ausdrücklich<br />
geregelt waren, obgleich sich der Versicherungsnehmer<br />
auch bei Vorliegen ausdrücklicher Vereinbarungen darum<br />
nicht gekümmert hätte. ImVergleich zuder doch eher strengen<br />
Auffassung, die das OLG Köln, VersR <strong>2009</strong>, 58, (siehe weiter<br />
unten in dieser Rubrik) zuLasten der Anwaltschaft vertritt, ist<br />
das Urteil desOLG Düsseldorf auchandieser Stelle nurschwer<br />
verständlich.<br />
Haftung<br />
Rechtsprechungsleitsätze<br />
Haftung des Anwalts bei Fehlern des Gerichts<br />
Rechtsanwalt Bertin Chab<br />
Unterlässt es der Anwalt, auf ein die Rechtsauffassung seines<br />
Mandanten stützendes Urteil des BGH hinzuweisen, und verliert<br />
der Mandant deshalb den Prozess, wird der Zurechnungszusammenhang<br />
zwischen dem Anwaltsfehler und dem dadurch entstandenen<br />
Schaden nicht deshalb unterbrochen, weil auch das<br />
Gericht die Entscheidung des BGH übersehen hat.<br />
BGH, Urt. v. 18.12.2008 –IXZR179/07; WM <strong>2009</strong>, 324; DB<br />
<strong>2009</strong>, 448<br />
Anmerkung:<br />
In einem Mietprozess wies der Vermieteranwalt das Berufungsgericht<br />
nicht auf die BGH-Rechtsprechung hin, wonach durch<br />
jahrelange widerspruchslose Zahlung von Nebenkosten eine<br />
stillschweigende Vereinbarung zustande komme, durch die<br />
eine Änderung des schriftlichen Mietvertrages erfolgen könne<br />
(BGH, NJW-RR 2000, 1463). Die Vermieterin verlor den Prozess,<br />
weil auch das Berufungsgericht die BGH-Entscheidung<br />
nicht kannte. Im Haftpflichtprozess der Vermieterin gegen<br />
ihren früheren Anwalt hob der BGH die klageabweisende Entscheidung<br />
der Vorinstanzen auf und entschied, dass der Anwalt<br />
der Mandantin dem Grunde nach auf Schadensersatz hafte.<br />
Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Anwalt im Rahmen<br />
der von ihm übernommenen Interessenvertretung verpflichtet,<br />
Fehlern des Gerichts zuLasten seines Mandanten entgegenzuwirken;<br />
er kann sich auch imRahmen der Zurechnung nicht<br />
darauf berufen, dass das Gericht die Pflicht gehabt hätte, ihn<br />
z.B. durch richterliche Hinweise oder die Auslegung von Anträgen<br />
zukorrigieren. Der Anwalt haftet für Folgen eines gerichtlichen<br />
Fehlers, sofern dieser auf Problemen beruht, die der<br />
Anwalt durch seine Pflichtverletzung erst geschaffen hat oder<br />
bei ordentlicher Bearbeitung hätte vermeiden müssen (z.B.<br />
BGH, NJW 1988, 3013; NJW 1998, 2048). Das BVerfG hatte<br />
dagegen verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den<br />
damit verbundenen Eingriff indie Berufsausübungsfreiheit des<br />
Anwalts geltend gemacht (<strong>BRAK</strong>-Mitt. 2002, 224). Der BGH<br />
hat jedoch klargestellt, dass der Zurechnungszusammenhang<br />
nur dann entfällt, wenn der Schadensbeitrag des Gerichts den<br />
des Anwalts so weit überwiegt, dass dieser daneben völlig<br />
zurücktritt (BGH, NJW-RR 2003, 850).<br />
Das entscheidungserhebliche Urteil des BGH war zum Zeitpunkt<br />
des Mietprozesses (2002/2003) in mehreren Zeitschriften<br />
Rechtsprechungsleitsätze<br />
(u.a. NJW-RR a.a.O.) veröffentlicht und im Palandt zitiert<br />
(61. Aufl. 2002, §535, Rdnr. 87). Der Satz „iura novit curia“<br />
betreffe, so der BGH, nur das Verhältnis des Gerichts zur juristisch<br />
nicht gebildeten Naturalpartei (vgl. Medicus, AnwBl.<br />
2004, 257). Das Gericht des Mietprozesses habe erkennen lassen,<br />
dass esneuere Rechtsprechung und Literatur nicht berücksichtigt<br />
habe.<br />
Die Rechtsprechung des BGH steht auch inÜbereinstimmung<br />
mit der Berufsordnung, die sich die Anwaltschaft selbst gegeben<br />
hat: Gem. §1Abs. 3BORA hat der Rechtsanwalt seine<br />
Mandanten vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden<br />
zu bewahren.<br />
Rechtsanwalt Holger Grams<br />
Sekundärverjährung nur bei verfahrensbezogenem Anlass<br />
Bestimmt sich bei einer einem Rechtsanwalt unterlaufenen Fehlberatung<br />
die Verjährung des Primäranspruchs auf der Grundlage<br />
des maßgeblichen Übergangsrechts nach Wegfall des § 51b<br />
BRAO, sogilt dies auch für den Sekundäranspruch.<br />
BGH, Urt. v. 13.11.2008 –IX ZR 69/07<br />
Anmerkung:<br />
Der Leitsatz ist etwas unglücklich formuliert, suggeriert er<br />
doch, dass der BGH hier Neues zum Wegfall des §51b BRAO<br />
und dem dann anzuwendenden Übergangsrecht entschieden<br />
hat. Ungeklärt ist nämlich noch die korrekte Berechnung im<br />
Zusammenhang mit einer eventuellen Sekundärverjährung,<br />
wenn die Primärverjährung vor dem 15.12.2004 entstand und<br />
nach diesem Datum ablief. Im vom BGH jetzt entschiedenen<br />
Fall ging es darum allerdings nicht. Dem Rechtsberater wurde<br />
vorgeworfen, unnötige Prozesskosten verursacht zu haben.<br />
Maßgebliches Datum der Schadenentstehung ist indiesen Fällen<br />
die Einreichung der die Kosten auslösenden Klage. Das war<br />
am 8.4.1999. Nun war die Frage, ob bei Ablauf der Primärverjährung<br />
am 9.4.2002 bereits ein Anlass für die beklagten<br />
Rechtsanwälte bestand, auf eine anwaltliche Pflichtverletzung<br />
und damit auf mögliche Regressansprüche gegen sich selbst<br />
hinzuweisen. Die beiden ersten Instanzen waren davon ausgegangen.<br />
Der BGH hob aber das Berufungsurteil auf und wies<br />
die Klage ab, weil die am23.12.2004 eingereichte Regressklage<br />
die Regressverjährung nicht mehr hemmen konnte. Zwar<br />
müsse man die Regeln über die Sekundärverjährung auch dann<br />
anwenden, wenn diese über den 14.12.2004 hinaus laufe.<br />
Konkret hätten die Vorgerichte aber nicht davon ausgehen dürfen,<br />
dass überhaupt eine Sekundärverjährung galt. Für die<br />
beklagten Anwälte hätte erst frühestens in der mündlichen Verhandlung<br />
im Vorprozess am 24.4.2002 Anlass bestanden,<br />
Regressansprüche zu erkennen und dementsprechend die<br />
Mandantschaft hierüber zu belehren. Zu diesem Zeitpunkt war<br />
aber die Primärverjährung schon abgelaufen. Der IX. ZS betont<br />
in diesem Zusammenhang, dass die Sekundärverjährung nicht<br />
vorschnell aus der Nichterfüllung einer Pflicht zur Aufdeckung<br />
des Primäranspruchs abgeleitet werden darf, sondern dass es<br />
eines„verfahrensbezogenen Anlasses“bedarf, diedurch eigene<br />
Pflichtverletzung verursachte Schädigung des Mandanten zu<br />
erkennen und diesem die Durchsetzung von Regressansprüchen<br />
zu ermöglichen. „Verfahrensbezogen“ dürfte in diesem<br />
Zusammenhang so zu verstehen sein, dass der Anlass ein von<br />
außen erkennbares –sozusagen objektivierbares –Ereignis ist,<br />
auf das zu reagieren vom Anwalt erwartet werden darf. Das<br />
ursprüngliche Fehlverhaltenallein istdazukeinesfalls geeignet.<br />
Rechtsanwalt Bertin Chab