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2/2009 - BRAK-Mitteilungen

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78 Berufsrechtliche Rechtsprechung <strong>BRAK</strong>-Mitt. 2/<strong>2009</strong><br />

schen Mandanten vor Überrumpelung zufördern, liegt sowohl<br />

der Satzungsermächtigung als auch der Rechtfertigung des Eingriffs<br />

indie Berufsfreiheit zugrunde.<br />

Hingegen lässt sich der BRAO<br />

keine Ermächtigung entnehmen,<br />

Berufspflichten zur Stärkung der<br />

Kollegialität unter RAen so auszugestalten,<br />

dass die primären<br />

Verpflichtungen aus dem Vertragsverhältnis zum Mandanten<br />

zurückgedrängt oder abgeschwächt werden (vgl. BVerfGE 101,<br />

312, 328 f.).<br />

b) Das AnwG hat seine Entscheidung damit begründet, dass die<br />

erteilte Rüge bereits durch das unkollegiale Verhalten des Bf.<br />

gegenüber dem gegnerischen RA gerechtfertigt sei. Ob dessen<br />

Mandantin den vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich<br />

geschlossen habe, weil sie damit erreichte, was sie wollte, oder<br />

ob sie das Fehlen ihres Anwalts nur hinnahm, weil sie keine<br />

Alternative sah, sei nur für die Schwere des Verstoßes bedeutsam.<br />

Die Erteilung der Rüge, die sich nach diesen Feststellungen<br />

des AnwG allein auf einen Sachverhalt stützen lässt, der<br />

eine Ahndung der Umgehung des gegnerischen RA ausschließlich<br />

als Verstoß gegen die geschuldete Kollegialität zurechtfertigen<br />

vermag, trägt im vorliegenden Fall der wertsetzenden<br />

Bedeutung des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht hinreichend<br />

Rechnung.<br />

aa) Soll, wie das AnwG meint, schon allein der Vorwurf mangelnder<br />

Kollegialität für die Missbilligung des beruflichen Verhaltens<br />

des Bf. durch Erteilung einer Rüge genügen, so bleibt<br />

die begrenzte Reichweite des Satzungsrechts und damit auch<br />

des §12Abs. 1BORA außer Betracht. Denn die strikte Einhaltung<br />

des Umgehungsverbots hätte von dem Bf. verlangt, inder<br />

mündlichen Verhandlung vorGericht keine Vergleichsverhandlungen<br />

mit der Agin. zu führen und insbesondere keinen Prozessvergleich<br />

abzuschließen.<br />

Interesse des Mandanten<br />

an zügiger Beendigung<br />

des Rechtsstreits<br />

Pflicht dient nicht<br />

der Stärkung der<br />

Kollegialität<br />

Dies hätte jedoch offensichtlich<br />

dem Interesse des eigenen<br />

Mandanten an einer zügigen und<br />

sachgerechten Beendigung des<br />

Rechtsstreits durch Abschluss<br />

eines Prozessvergleichs widersprochen. Zur Wahrung der<br />

rechtlichen Interessen seines Mandanten war der Bf. vertraglich<br />

verpflichtet; für ein Zurückdrängen seiner Verpflichtungen aus<br />

dem Mandatsverhältnis kann §12Abs. 1BORA keine Grundlage<br />

bieten. Unter diesen Umständen scheidet eine berufsrechtliche<br />

Ahndung allein als Sanktion unkollegialen Verhaltens<br />

aus. Allenfalls i.V.m. dem Regelungszweck der Förderung<br />

einer geordneten Rechtspflege insbesondere durch den Schutz<br />

des gegnerischen Mandanten vor Benachteiligung könnte die<br />

Wahrung der Kollegialität unter RAen eine solche Maßnahme<br />

im vorliegenden Fall rechtfertigen. Ob solcher Schutz hier<br />

geboten war, hat das AnwG indessen bewusst offen gelassen.<br />

bb) In der gegebenen Situation lag ein Schutzbedürfnis auch<br />

nicht ohne weiteres nahe.<br />

Dem Bf. wird die Umgehung des<br />

Gegenanwalts bei Abschluss Kein Schutzbedürfnis<br />

eines Prozessvergleichs ineiner<br />

Wohnungseigentumssache vorgeworfen. Insoweit war bereits<br />

unter der Geltung des hier maßgeblichen früheren Verfahrensrechts<br />

der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§43WEG in der Fassung<br />

vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes<br />

und anderer Gesetze v. 26.3.2007,<br />

BGBl. I370) anerkannt, dass auf den gerichtlichen Vergleich in<br />

einer Wohnungseigentumssache die Grundsätze der ZPO über<br />

den Prozessvergleich entsprechende Anwendung finden (vgl.<br />

Engelhardt, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 6,<br />

Bundesverfassungsgericht<br />

4. Aufl. 2004, §44WEG Rdnr. 3). Auch im vorliegenden Fall<br />

hatte demnach das Gericht, das am Zustandekommen des Prozessvergleichs<br />

namentlich durch den von ihm unterbreiteten<br />

Vergleichsvorschlag und die notwendige Protokollierung beteiligt<br />

war, darauf zu achten, dass ein unerfahrener und ungewandter<br />

Beteiligter nicht benachteiligt wurde (vgl. Wolfsteiner,<br />

in: Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 3, 3. Aufl. 2007,<br />

§794 Rdnr. 43). Angesichts dieser ebenfalls auf Schutz vor<br />

Übervorteilung zielenden Obliegenheit des Gerichts und des<br />

Umstandes, dass es sich umeine inrechtlicher wie tatsächlicher<br />

Hinsicht ersichtlich einfach gelagerte Rechtssache handelte,<br />

die auch für die gegnerische Mandantin nicht von<br />

schwerwiegender Bedeutung war, drängt sich ein gleichwohl<br />

bestehendes zusätzliches Schutzbedürfnis durch das Umgehungsverbot<br />

zumindest nicht auf.<br />

III. Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem dargestellten<br />

Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1GG. Es ist nicht auszuschließen,<br />

dass die Entscheidungen anders ausgefallen wären,<br />

wenn §12 Abs. 1 BORA im Ausgangsverfahren grundrechtsgeleitet<br />

angewandt worden wäre. Die angegriffenen Entscheidungen<br />

sind daher aufzuheben und das Verfahren ist an<br />

das AnwG zurückzuverweisen.<br />

Anmerkung:<br />

Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt –stellt<br />

man, frei nach Wilhelm Busch, verblüfft fest, wenn man den<br />

Beschluss des Ersten Senats des BVerfG v. 25.11.2008 zu<br />

§12BORA zuEnde studiert hat. Denn es geht in dieser Entscheidung<br />

gar nicht, wie erwartet, primär um die Frage, ob<br />

und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen das Verbot<br />

der Umgehung des Gegenanwalts verfassungsrechtlichen<br />

Bestand haben kann. Das BVerfG interessierte eigentlich etwas<br />

ganz anderes, nämlich die bereits einleitend von ihm<br />

aufgeworfene Frage, ob eine vom Fachgericht in der Sache<br />

beschiedene Gegenvorstellung die Monatsfrist zur Einlegung<br />

und Begründung einer Verfassungsbeschwerde erneut<br />

in Gang setzt. Während sich also die Anwaltsorganisationen<br />

und ihre Ausschüsse, konfrontiert mit der Verfassungsbeschwerde,<br />

den Kopf darüber zerbrachen, wie das Verhalten<br />

der Prozessbevollmächtigten imAusgangsverfahren einfachund<br />

verfassungsrechtlich zu werten sei und ob möglicherweise<br />

der Vorschrift des §12BORA das gleiche Schicksal<br />

drohte wie das vom BVerfG „kassierte“ Verbot der Beantragung<br />

eines Versäumnisurteils gegen den anwaltlich vertretenen<br />

Prozessgegner ohne vorherige Ankündigung (vgl.<br />

<strong>BRAK</strong>-Mitt 2000, 36), führte das BVerfG bei den obersten<br />

Gerichtshöfen desBundesgesonderteineUmfrage durch,um<br />

zu ermitteln, wie diese esmit der Gegenvorstellung hielten.<br />

Offensichtlich sah man die Zeit gekommen, den auch nach<br />

dem Plenumsbeschluss des BVerfG v. 30.4.2003 (<strong>BRAK</strong>-<br />

MItt. 2003, 177 [LS] m.Anm. Verf. –„Anhörungsrüge“) verbliebenen<br />

oder sogar neu entstandenen Irritationen über die<br />

Reichweite dieser Entscheidung jedenfalls bezüglich der so<br />

genannten Gegenvorstellung ein Ende zu bereiten. Hintergrund<br />

war und ist die ausgefeilte, umnicht zu sagen: unübersichtlich<br />

gewordene Subsidiaritäts-Rechtsprechung des<br />

BVerfG und seiner Kammern (vgl. dazu enzyklopädisch:<br />

Lübbe-Wolff, EuGRZ 2004, 669). Erst wenn die präsumtiven<br />

Beschwerdeführer alle nur denkbaren prozessualen und<br />

außerprozessualen Möglichkeiten ausgereizt haben, um die<br />

belastenden Akte der öffentlichen Gewalt, insbesondere<br />

natürlich Gerichtsentscheidungen, abzuwehren bzw. aus<br />

der Welt zu schaffen, soll ihnen die Möglichkeit zur Einlegung<br />

der Verfassungsbeschwerde eröffnet werden. Damit

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