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Campus Magazin Filmakademie Baden-Württemberg 22/23

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Ein Gespräch mit Ed Cantù –<br />

Leitender Dozent im Studiengang<br />

Filmton/Sounddesign<br />

DER GEBÜRTIGE TEXANER UND WAHL-<br />

BERLINER ED CANTÙ LIEBT DEN GUTEN<br />

TON – SOWOHL ALS TONMEISTER ALS AUCH<br />

ALS DOZENT IM BEREICH FILMTON/SOUND-<br />

DESIGN AN DER FILMAKADEMIE BADEN-<br />

WÜRTTEMBERG. SEIT 1999 BRINGT ER DORT<br />

STUDIERENDEN NAHE, WIE WICHTIG DIE<br />

GERÄUSCHKULISSE IST, DIE EINEN FILM UM-<br />

GIBT. EINEN WESENTLICHEN EINFLUSS AUF<br />

SEINE LEHRE HABEN EDS MUSIKALISCHE<br />

BEGEGNUNGEN IN DEN FRÜHEN 1980ER<br />

JAHREN GENOMMEN...<br />

Seit 2017 leitest du auch die Abteilung?<br />

Mehr oder weniger. Das ist dem tragischen Ableben<br />

Gibbs Platens geschuldet. Der unsichtbare Leiter ist<br />

aber Florian Dittrich (Studienkoordinator der Abteilung,<br />

Anm. d. Red.), weil der 365 Tage im Jahr vor Ort<br />

ist. Er ist eine Perle von Mitarbeiter, Kollege oder Leiter,<br />

wenn man so will. Weil er alles koordiniert und sich<br />

auch um die hochkarätigen Gastdozenten in unserem<br />

Bereich kümmert – vom Foley Artist (Geräuschemacher,<br />

Anm. d. Red.), Dialog Editor, Sounddesigner bis hin zum<br />

Mischtonmeister. Außerdem hält er unsere Aufnahmestudios<br />

und Digital Audio Workstations (DAW) stets auf<br />

dem neuesten technischen Stand.<br />

Und was hat dich gerade am Filmton so fasziniert, dass<br />

du Tonmeister geworden bist?<br />

Ed, erzähl doch mal kurz, welcher Weg dich an die<br />

<strong>Filmakademie</strong> geführt hat.<br />

Tatsächlich bin ich durch Empfehlung des Regisseurs<br />

Adolf Winkelmann, mit dem ich bis dahin schon zwei<br />

Fernseh-Mehrteiler und einen Kinofilm gedreht hatte,<br />

an die Aka gekommen. Er kannte den FABW-Gründer<br />

Albrecht Ade, der damals jemanden für den Ton gesucht<br />

hat. Ich wurde zuerst für zwei Tage eingeladen,<br />

nach Ludwigsburg zu kommen. Als ich wieder in Berlin<br />

war, rief mich Herr Ade an und sagte: „Das ist so gut<br />

angekommen bei den Studierenden. Wir hätten Sie gerne<br />

mehr hier“. Also hat er mich nochmal zu einem Gespräch<br />

eingeladen, bei dem er mich fragte, was ich von<br />

einer Festanstellung halte. Ich wollte noch eine Nacht<br />

darüber schlafen.<br />

Als ich am nächsten Tag wieder in seinem Büro saß, habe<br />

ich ihm gesagt: „Schauen Sie, ich glaube, es wird so<br />

sein: Heute lieben Sie mich und die Studierenden finden<br />

es toll, was ich zu vermitteln habe. Nächstes Jahr möglicherweise<br />

auch noch und ich traue mir sogar zu, übernächstes<br />

Jahr auch noch gut rüberzukommen. Aber irgendwann<br />

geht mir das Latein aus, weil ich immer noch<br />

das erzähle, was ich vorletztes und vorvorletztes Jahr erzählt<br />

habe. Was halten Sie von folgender Idee? Ich mache<br />

weiterhin meinen Beruf als Tonmeister am Set, den<br />

ich sehr liebe, und erzähle den Studierenden immer<br />

den allerneuesten Stand der Dinge, gebe somit aktuelles<br />

Wissen weiter.“ Und das war beiderseits, glaube ich, die<br />

richtige Entscheidung. Seitdem bin ich hier.<br />

Ich habe eigentlich Filmregie studiert, ein paar Jahre<br />

lang Dokumentarfilme gedreht und mich bei zwei von<br />

drei Projekten, die mir sehr am Herzen lagen, unglaublich<br />

über den schlechten Ton geärgert. Ich hatte gewisse<br />

Vorkenntnisse durch eine, sagen wir mal, musikalische<br />

Laufbahn in den frühen 80er Jahren in Berlin. Damals<br />

habe ich in einem Loft in Kreuzberg gewohnt, mit zwei<br />

anderen Jungs. Irgendwann klopfte es an der Tür und<br />

ein gewisser Nick Cave stand davor. Völlig abgebrannt,<br />

wirklich am Ende. Damals war er in der Band Birthday<br />

Party, heute heißt sie ja Nick Cave and the Bad Seeds. Er<br />

stand jedenfalls vor der Tür und sagte: „Ich komme auf<br />

Empfehlung eines Freundes, kann ich eine Woche bei<br />

euch pennen?“ Nick Cave blieb nicht eine Woche, sondern<br />

ein Jahr.<br />

In der Zeit habe ich mein erstes Drehbuch für einen szenischen<br />

Film geschrieben, der nie realisiert wurde. Und<br />

ich war auch schon ein bisschen angefressen von der<br />

Filmemacherei im dokumentarischen Bereich. Finanziell<br />

gesehen war es immer ein haarscharfes Vorbeischlittern<br />

an der Selbstausbeutung. Nick Cave hat mich irgendwann<br />

gefragt, ob ich nicht Bock hätte, mit ihm auf<br />

Deutschlandtournee zu gehen. Damals hatte ich schon<br />

Erfahrung als Tontechniker bei der Band Die Haut. Also<br />

bin ich mit Nick Cave auf Tournee gegangen, habe die<br />

Jungs im VW-Bus von A nach B gefahren, den Soundcheck<br />

am Nachmittag gemacht und am Abend das Konzert<br />

gemischt. Am nächsten Morgen war ich dafür zuständig,<br />

sie einigermaßen menschlich zu kriegen und<br />

Frühstück in sie hinein zu prügeln, um schnell wieder<br />

on the road zu sein. Es war Wahnsinn, sprichwörtlich<br />

Sex and Drugs and Rock ‚n‘ Roll.<br />

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