GUT WESTENRIED Paradies für Mensch und Tier © Harry Stahl
ECHTE FREUNDE Traumhaft eingebettet in die wunderschöne Landschaft liegt das Gut Westenried bei Eberfing, südlich von Weilheim. Bei Familie Jeschke finden nicht nur Pferdebesitzer beste Bedingungen für ihre Vierbeiner vor – auch die Menschen fühlen sich hier zu Hause. Seit mittlerweile zehn Jahren sind Anita und Marten Jeschke Pächter des Gutes Westenried und haben es, gemeinsam mit dem Pferdewirtschaftsmeister Arno Schmidt, zu dem traumhaften Fleckchen Erde gemacht, das es heute ist. Der Weg dorthin war jedoch alles andere als einfach. Ein Lord zum Verlieben Marten Jeschke erzählt vom Beginn ihrer Geschichte: „Ein halbes Jahr nach unserer Hochzeit 1997 hat sich meine Frau erneut verliebt – in ein dänisches Warmblut mit dem Namen ‚Lord‘. Anita ist als Kind bereits geritten, ich bin voltigiert. Danach hatten wir, bis zu diesem Zeitpunkt, nichts mit Pferden zu tun. Meine Frau war so begeistert von Lord, dass wir es gewagt und ihn für damals 10.000 Mark gekauft haben. Sie war so glücklich über ihr erstes, eigenes Pferd.“ Die Jeschkes lernen Arno Schmidt im Reitstall Pöcking kennen, dort hatten sie ihren Lord eingestellt. „Arno kümmerte sich um die Pferde seiner Freundin und hat uns mit Lord geholfen, als er verletzt war. Wir benötigten eine andere Box für die Regeneration und Arno organisierte uns innerhalb von drei Stunden einen Platz in Westenried“, erinnert sich Anita Jeschke dankbar. Für die Finanzierung der teuren OP-Kosten von Lord verkaufen die Jeschkes u.a. Aktien sowie den Pferdehänger und ziehen in eine kleine Wohnung auf dem Gut. „Wir hatten zwar nicht viel, aber die Welt war in Ordnung. Wir haben jahrelang mitgeholfen und den Stall gemacht, währenddessen haben wir unsere Selbstständigkeit aufgebaut“, so Anita. „Arno war immer da und hat uns unterstützt und es ist eine tiefe Freundschaft entstanden.“ Unbeugsamer Freund Der Pferdewirtschaftsmeister lebt seit seinem 14. Lebensjahr auf Gut Westenried und ist ein fester Bestandteil der Anlage. „Ich bin früher Vielseitigkeit geritten, habe bei der Deutschen Meisterschaft teilgenommen und war bei der Europameisterschaft für junge Reiter dabei. Ich habe hier meine Ausbildung zum Bereiter und den Meister gemacht“, erzählt Arno Schmidt, der Dressur und Springen bis Klasse M und Vielseitigkeit bis Klasse S geritten ist. Am 5. Juli 2011 – dem 40. Geburtstag von Marten Jeschke – erleidet Arno in der Früh einen Herzinfarkt. „Arno saß auf dem Pferd und spürte plötzlich Teile seines Körpers nicht mehr. Er stieg ab und brach in der Reithalle zusammen“, schildert Anita den schicksalshaften Tag. „Arno war 30 Minuten bewusstlos, die Reanimation scheiterte und die Sanitäter wollten ihn bereits aufgeben. Professor Knez, Facharzt für Innere Medizin, ließ ihn dann mit dem Hubschrauber nach Großhadern bringen: ‚Mein Jahrgang ist noch zu jung zum Sterben‘, meinte er. Arno lag drei Monate im künstlichen Koma, angeschlossen an ein ‚Berlin Heart‘, ein offenes Kunstherz. Seine Familie wollte die Maschinen abstellen lassen, aber Marten hat sich dagegen gewehrt“, erinnert sich Anita. „Wir saßen an Arnos Bett und ich habe ihm immer wieder gesagt, er solle meine Hand drücken – doch nichts passierte. Und dann – kurz bevor die Maschinen abgestellt werden sollten, drücke Arno tatsächlich die Hand meiner Schwester. Es war wie ein Wunder.“ Zurück ins Leben Die Jeschkes übernehmen die volle Verantwortung für ihren Freund, der zu einem Familienmitglied geworden ist. „Es hätte sein können, dass man ihm die Beine abnehmen muss oder er zum Pflegefall wird“, erklärt Anita Jeschke. „Arno kam auf Platz drei der ‚High Urgent Liste‘ für ein Spenderherz in Deutschland. Es folgten neun Monate voller Horror, weil er ständig verlegt wurde und nach dem Koma alles neu lernen musste. Am 12. Dezember 2011 kam endlich die erlösende Nachricht – es gibt ein Spenderherz. Die OP dauerte satt der geplanten acht Stunden letztendlich 18.“ Besonders erstaunlich: Anita Jeschkes Erfahrung mit dem Komapatienten. „Als Arno im Koma lag, habe ich jeden Tag mit ihm geredet und sogar meinen neuen Sattel ins Krankenhaus gebracht, damit er ihn riechen und fühlen kann. Als er wieder sprechen konnte, hat er sich danach erkundigt, wie ich mit dem neuen Sattel zurechtkomme. Das hat mich sehr berührt und mir gezeigt, dass Komapatienten mehr mitbekommen, als wir vermuten.“ 27