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dabei die Rechnung ohne die Leute gemacht,<br />

die bei ihm, freiwillig oder bezahlt, arbeiteten,<br />

die hatten nämlich kein Bock mehr drauf. Denn<br />

es war natürlich durch die allgemeine Ekstase<br />

extrem viel Glas kaputt gegangen. Dazu kam<br />

auch noch, dass irgendwelche Leute von der<br />

Stasi bei ihm vorgesprochen haben, weil da<br />

offensichtlich ein Informant vor Ort war. Uniformmißbrauch<br />

wurde da u.a. erwähnt, dass es<br />

nicht ginge, wenn die Leute in Russenuniform<br />

da auftauchten. Man muß dazu sagen, dass ein<br />

Teil der Leute die Ex-Greifswalder waren, die<br />

mittlerweile in Berlin residierten. Die kamen<br />

natürlich gerne zurück, um sich die erste Veranstaltung<br />

diesbezüglich reinzuziehen, liefen<br />

da massiv auf und wollten in der Provinz auch<br />

entsprechend Aufsehen erregen. Das subkulturelle<br />

Milieu, in dem sie sich da bewegten, den<br />

Style präsentieren, mit all den Möglichkeiten,<br />

an die entsprechenden Klamotten zu kommen.<br />

Irgendeiner tauchte da jedenfalls auch in Russenuniform<br />

auf und das war dann Stein des Anstoßes<br />

von offizieller Seite. Es wurde, soweit ich<br />

weiß, von Stasi-Seite nicht gegen eine erneute<br />

Veranstaltung insistiert, aber darauf hingewiesen,<br />

dass das nicht geht und der Clubchef auch<br />

die Verantwortung trägt, wen er da rein lässt.<br />

Er hatte am Ende vielleicht nicht den Arsch<br />

in der Hose, die Veranstaltung dann trotzdem<br />

durchzuziehen. Es war nämlich sogar geplant,<br />

zur nächsten Veranstaltung, die sollte in einem<br />

Monat passieren, eine Band ranzuholen. Wir<br />

hatten uns schon geeinigt auf Rosengarten aus<br />

Salzwedel, die wir alle sehr mochten (zwischen<br />

grollendem Dark Wave und Gruft-Punk lavierende<br />

Band, Anm.). Die wären auch gekommen<br />

und dann ging das nicht mehr in der Schachtel-<br />

das war wirklich sehr ärgerlich.<br />

Weil die Euphorie groß war, haben wir nach<br />

Ausweichmöglichkeiten gesucht. Letztendlich<br />

gab es die Mensa und es gab die FDJ-Jugendclubs,<br />

ansonsten gar keine Möglichkeiten, im<br />

öffentlichen Raum so etwas durchzuführen. Wir<br />

entschieden uns dann für den Hanseclub (heute<br />

Cavern, Anm.). Da kannte wieder Oli den<br />

Clubchef, eine komische Person. Der war zwar<br />

dafür, weil er gemerkt hat, für einen schlecht<br />

gelegenen Club, und der Hanseclub lief immer<br />

extrem schlecht, wäre es eine Gelegenheit, das<br />

Profil zu schärfen, Publikum zu ziehen. Aber er<br />

hat uns extrem viel Auflagen gegeben. Er wollte<br />

den Finger auf der Werbung haben, denn die<br />

selbst gemalten Plakate waren auch ein großer<br />

Stein des Anstoßes, wollte die sehen, absegnen<br />

lassen, am besten, dass wir vorher noch<br />

zu irgendeinem Amt gehen und fragen. Das<br />

war natürlich nicht im Sinne von Leuten, die<br />

dynamisch Veranstaltungen organisieren wollen.<br />

Es war absehbar, dass das nichts für länger<br />

würde, aber die zweite haben wir trotzdem dort<br />

gemacht. Die lief auch gut, aber es hatte eben<br />

diesen negativen Touch. So haben wir dann im<br />

Club 35 angefragt. Im Club 35 hieß der Chef<br />

Uwe Holz, und der war relativ offen. Wir wollten<br />

eigentlich erst Freitag oder Samstag, aber da<br />

hat er sich nicht drauf eingelassen, weil das die<br />

publikumsträchtigen Ausgehtage sind, da wollte<br />

er Umsatz machen. Er hat gesagt: Mittwoch<br />

ist euer Tag und da könnt ihr ein oder zweimal<br />

im Monat machen, wie ihr wollt. Er hat zudem<br />

drauf gedrängt, dass wir uns eine Crew zusammensuchen,<br />

die die Veranstaltung von vorne bis<br />

hinten organisiert, dann könnten wir auch die<br />

Einnahmen behalten. Wir hatten sozusagen den<br />

Club an diesem Tag für uns. Und von da an hieß<br />

es dann auch Hirnsäge.“<br />

Certified DJs. Die Geschichte<br />

vom DJ-Schein:<br />

„Das wir den Schein machten,<br />

hat damit zu tun, dass die Stadt<br />

oder irgendwelche Leute, denen<br />

das nicht paßte, das kanalisiert<br />

haben wollten. Es war<br />

die Vorgabe, dass jeder, der im<br />

öffentlichen Raum Diskotheken<br />

macht, eine Einstufung braucht. Das betraf ja<br />

auch Bands. Das war auch schon die Vorgabe<br />

des Hanseclub-Chefs, der da meinte, wir müßten<br />

dieses Papier in der Hand haben, bevor die<br />

nächste Veranstaltung beginnt. Wir mußten<br />

dann halt in den sauren Apfel beißen und diesen<br />

DJ-Lehrgang machen mit einem Zertifikat,<br />

dass wir die unterste Einstufung haben. Das<br />

war im St.Spiritus, wo heute Soziokulturelles<br />

Zentrum ist. Da waren dann so alte Leute, um<br />

die 50, die diese Ausbildung gemacht haben.<br />

Leicht ideologisch gefärbt: <strong>als</strong>o die rechtlichen<br />

Rahmenbedingungen, die für den DJ in der<br />

DDR galten. Es gab auch ńen Technikblock, wo<br />

einem die Technik nahegebracht werden sollte-<br />

was leider bei mir nie gefruchtet hat, nach wie<br />

vor, wenn ich auflege, muß jemand die Anlage<br />

aufgebaut haben, sonst läuft es nicht. Diese<br />

DJ-Ausbildung war natürlich auf Leute zugeschnitten,<br />

die so entertainment-mässig aufm<br />

Land tourten. Es war relativ skurril, was wir da<br />

über uns ergehen lassen mußten, aber wir haben<br />

uns ganz gut belustigt, abgesehen davon,<br />

dass wir uns unsere Zeit da ans Bein gebunden<br />

haben. Ziemlich schräg war auch die Prüfung.<br />

Man mußte vor einer Kommission, die aus fünf<br />

oder sechs eher älteren Herren bestand, diese<br />

Prüfung ablegen, die darin bestand, sich eine<br />

Abendgestaltung auszudenken und die auf Miniformat<br />

zu pressen. D.h. bestimmte Musikstücke<br />

sollten angespielt werden und dazu sollte<br />

thematisch was passieren, wie so eine Art Variete-Show.<br />

Natürlich war das Provokationspotential<br />

bei uns dem entsprechend vorhanden, und<br />

wir waren der Meinung, die alten Herren muß<br />

man mal richtig schocken. Die Anspielplaylist,<br />

Titel: Subkultur und Soziale Bewegung in Greifswald<br />

Die Hirnsägen: Peter Reisland,<br />

Mercy, Oliver Weise<br />

(v.l.n.r.)<br />

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