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Vier Sprößlinge<br />
im heimischen Blätterwalt<br />
Neue Zeitungen für Neubrandenburg, Rostock und Greifswald<br />
Eine wahre Gründerwelle durchzieht M-Vs<br />
Städte: das letzte Halbjahr brachte vier neue<br />
Zeitungsprojekte hervor. „colporter“ aus Neubrandenburg,<br />
„me:r“ und „fußnote“ in Rostock<br />
und in Greifswald den „Vorbote“.<br />
Als jüngstes Projekt des Viererpacks erschien<br />
im März das neubrandenburger „colporter“<br />
(französisch, nicht englisch aussprechen).<br />
Am Anfang, so die Redaktion von „colporter“<br />
standen die bürgerlichen Medien der Stadt<br />
– in ihrer Eindimensionalität, die einer anderen<br />
Meinung keinen Raum ließ. Die Folgerung der<br />
Macher der „Neubrandenburger Provinzpostille“:<br />
‚Don‘t hate the media, become the media‘.<br />
Und das tun sie mit Erfolg. Das Projekt versucht<br />
erst gar nicht seinen politischen Anspruch zu<br />
verbergen. Rassismus, Neonazismus, der Sicherheitsstaat<br />
und verbreitete unreflektierte<br />
Sympathie mit dem Militarismus – die Themen<br />
werden gut verständlich aufbereitet – ohne<br />
Zweifel an der Position der Autoren zu lassen.<br />
Eine besondere Freude ist das Schwerpunktthema:<br />
der kommunale Kampf gegen die Sprayer-<br />
Szene der laut Polizei ‚saubersten Stadt Mecklenburg-Vorpommerns‘.<br />
Daß das Thema aktuell<br />
ist, versucht auch „Der Vorbote“ darzulegen.<br />
Aber wo „Der Vorbote“ sich nicht zwischen<br />
Real und Satire entscheiden kann, liefert das<br />
„colporter“ eine Analyse der Position der Stadt,<br />
der Entwicklung der Sprayer-Szene und schafft<br />
es den Kampf noch in ein größeres Ganzes einer<br />
Gesellschaftskritik einzuordnen. Und eine<br />
bitterböse Satire gibt es noch dazu.<br />
So dünn die erste Ausgabe auch war, so vielversprechend<br />
ist das Projekt. Die Artikel beziehen<br />
sich zwar zumeist nur auf Neubrandenburg<br />
– lassen sich aber ohne weiteres auf Greifswald<br />
übertragen lassen. Und vorallem machen sie<br />
Lust auf mehr.<br />
„me:r“ heißt das eines der beiden neuen Zeitungsprojekte<br />
aus Rostock. Das Layout ist eher<br />
enttäuschend. Auf den ersten Blick drückt es eines<br />
aus: eine unsichere Zerissenheit. Als ob die<br />
Macher nicht wußten, was sie wollen: schlichte<br />
Stringenz oder ziellose Spontanität. Diese Zerrissenheit<br />
spiegelt sich leider auch im Inhalt<br />
wieder – so beim Titelthema des Heftes: Konsum,<br />
bzw. Konsumkritik: Man ist nicht dafür,<br />
aber so wirklich dagegen will man auch nicht<br />
sein. So ist von Kritik in dieser Ausgabe leider<br />
nichts zu spüren. Vielmehr gibt das Heft eher<br />
den Anschein, <strong>als</strong> würde versucht jeglichen politischen<br />
Anspruch zu vermeiden. Egal um welches<br />
Thema es geht: Umgestaltung der Stadt,<br />
Jugendarbeitslosigkeit, Überwachung oder<br />
Konsum – eine Gesellschaftskritik, die mit diesen<br />
Themen für gewöhnlich einhergeht, sucht<br />
der/die LeserIn hier vergeblich. Fast vergeblich.<br />
Ein einziger Artikel versucht der Unreflektierheit<br />
seiner Umgebung zu entfliehen, aber auch<br />
das rettet nicht viel.<br />
So gesehen mutet diese Ausgabe eher <strong>als</strong> ein<br />
Versuch an, emanzipative Projekte der Linken<br />
von ihrem gesellschaftsverändernden Anspruchs<br />
zu befreien – und nur noch die von<br />
Inhalten entleerte Hüllen zu präsentieren. Daß<br />
diese bloße Form, der das kritische Beiwerk<br />
fehlt, für weite Gesellschaftsbereiche ohne Probleme<br />
übernahmefähig ist, soll nicht in Frage<br />
gestellt werden. Leider dreht sich dabei das ursprüngliche<br />
Projekt in sein Gegenteil. Statt die<br />
Gesellschaft durch kritische Reflexionen zu Änderungen<br />
im System zu bewegen, erreicht das<br />
Kratzen an der Oberfläche nur eines: Erhöhung<br />
der Systemstabilität.<br />
Nein, nach dieser Ausgabe zu urteilen hat das<br />
Projekt „me:r“ keinen emanzipativen Anspruch,<br />
sondern dient nur der Verhärtung bestehender<br />
Mißstände. Ob „me:r“ so zur Alternative, zur<br />
„Lohro“ auf dem Rostocker Blättermarkt wird<br />
ist zu bezweifeln.<br />
Anders die „*fußnote“ – das zweite neue Zeitungsprojekt<br />
aus Rostock. Die Andersartigkeit<br />
drückt sich schon im – wohl eher humoristisch<br />
gemeinter – Anspruch aus: Ziel ist es nicht nur<br />
eine Alternative im Blätterwald darzustellen, die<br />
Konkurrenz – Tagespresse und Anzeigenblätter<br />
– soll aus dem Wald verdrängt werden. Soviel<br />
Humor schon auf der ersten Seite verheißt viel.<br />
Das Layout ist dasselbe wie bei der Zeitung<br />
„me:r“ – nur die Schriftgröße wird konsequent<br />
durchgehalten. Das schafft zumindest einmal<br />
das Gefühl eines einheitlichen Layouts.<br />
Aber an den Inhalten ist zu merken, daß die<br />
Herausgeber, die SoBi (Soziale Bildung e.V.),<br />
wußten, was sie wollen. Das Heft wird durchzogen<br />
von einem politischen, gesellschaftsverändernden<br />
Anspruch. Behandelt wird eine<br />
breite Bandbreite von Themen, Neonazismus,<br />
Rassismus, G8, Städtewandel und es gibt eine<br />
Teilanalyse der Linken MVs. Aber es ist nicht<br />
nur die Politik, die das Heft füllt. Ebenso finden<br />
sich Aufrufe für die Schaffung einer alternativen<br />
Kneipen- und Partykultur in Rostock, sowie<br />
zwei gelungene Reiseberichte.<br />
Daß es nicht die letzte Ausgabe sein wird, steht<br />
schon festzustehen. Gleich auf der ersten Seite,<br />
werden die Titelthemen für die zwei folgenden<br />
Nummern angekündigt – wir warten gespannt.<br />
Auch in Greifswald gibt es ein neues Zeitungsprojekt:<br />
Der Vorbote – Magazin für Stadtteilkultur.<br />
Hervorgegangen ist es aus dem Stadtimpuls,<br />
bzw. aus einem von dessen Teilen – aus dem<br />
IkuWo. Ausgerichtet ist das Blatt dabei vor allem<br />
auf die Fleischervorstadt, wo es auch gemacht<br />
wird. Und so schwingt auch in jeder Ausgabe<br />
ein bißchen Stadtteilpatriotismus durch. Ein<br />
gehört, gesehen, gelesen<br />
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