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Titel: Subkultur und Soziale Bewegung in Greifswald<br />

16<br />

den Gründen: „... ruhige Lage abgelegen von<br />

Hauptstraße (nicht soviel Ärger mit der Öffentlichkeit,<br />

Polizei, Nazis), ganze Häuserzeile nebeneinander<br />

leer stehend, genug Platz für ein<br />

Café.“<br />

Das Haus von außen bunt bemalt und mit verschiedenen<br />

Fahnen und Objekten geschmückt.<br />

„Vor dem Haus ein Auto wie zusammengeschlagen,<br />

die Fassade voller Sprüche, deren<br />

Sinn der Unsinn ist, <strong>als</strong> Innungszeichen ein<br />

Plastikentchen ...“ Und Innen:<br />

„Für uns war wichtig, dass die Dinge gefallen<br />

haben. Das hat sich sogar soweit entwickelt<br />

[...], dass alles, was wir irgendwie schräg fanden,<br />

an die Wand genagelt wurde, wie man<br />

sich <strong>als</strong> Teenager die Poster von Popbands, die<br />

man gut fand, an die Wand hängt; egal, ob das<br />

jetzt ein Bild war oder ńe Bierdose oder ń alter<br />

Autoreifen – wirklich genommen und dann ran<br />

an die Wand - oder auch Sprüche an die Wand<br />

geschrieben oder ... <strong>als</strong>o alles, was irgendwie<br />

schräg war oder uns tagsüber über den Weg<br />

„gelaufen“ ist.“<br />

Im unteren Geschoss der Nummer 4 richteten<br />

die Besetzer das Café Lochness ein, dass am 21.<br />

Juni 1991 eröffnet wurde. Das Mobiliar stammte<br />

vom Sperrmüllcontainer.<br />

Der Großteil der Besetzer wohnte zwar noch<br />

offiziell bei den Eltern, dennoch quartierte<br />

sich der ein oder andere des öfteren dort ein<br />

und auch Besucher waren gerne gesehen, da<br />

das Haus für die ’Rechten’, die den Linken den<br />

Kampf angesagt hatten, zur Zielscheibe wurde.<br />

Dies steigerte sich im Laufe des Jahres 1991 soweit,<br />

dass es ab Juni fast täglich zu regelrechten<br />

Straßenschlachten zwischen ‚Rechten’ und<br />

’Linken’ – mit Molotow-Cocktails und Steinen<br />

– kam.<br />

Zur Abwehr der vehementen Übergriffe wurde<br />

das Haus zunehmend zur ’Festung’ umgebaut:<br />

es wurden zusätzlich zu den Fallen in den Nebengebäuden<br />

noch im gemeinsamen Garten<br />

der Häuser 3-6 Drähte gespannt, der Eingang<br />

des Hauses 4 verbarrikadiert – Zutritt erlangten<br />

die Insassen nur über eine am Fensterkreuz befestigte<br />

Strickleiter.<br />

In der Straße wurden bunte Barrikaden errichtet,<br />

so dass die Pfarrer-Wachsmann-Straße vor<br />

den Häusern 3-6 für Autos gesperrt war. Die<br />

Barrikaden wurden aber auf Bitten der Stadtverwaltung<br />

wieder beseitigt.<br />

Auch versuchten die Jugendlichen zusehends,<br />

auf die Bürger Greifswalds zuzugehen, da<br />

der illegale Status und die Probleme mit den<br />

Rechtsradikalen viel Zeit und Energie kosteten.<br />

Anfänglich wurde die Besetzung geduldet, die<br />

Gebäudewirtschaft wäre zwar dort gewesen,<br />

hätte aber nur „... den Strom abgeklemmt,<br />

aber sonst nichts weiter ...“, und der Greifswalder<br />

Kripochef hätte geäußert, dass sie bleiben<br />

könnten, „... solange keine Randale wäre“.<br />

Da aber die Auseinandersetzungen zwischen<br />

den Hausbewohnern bzw. Besuchern und<br />

randalierenden Rechtsradikalen im Laufe des<br />

Jahres zunahmen, wurden Stimmen in der Bevölkerung<br />

laut, das Haus räumen zu lassen.<br />

Verhandlungen mit der Stadt über eine Lösung<br />

des Problems ’Wachsmannstraße’ hatten kei-<br />

nen Erfolg. Die Gebäude sollten trotz Legalisierungsversuchen<br />

seitens der Insassen im November<br />

1991 geräumt werden.<br />

Hans D. berichtete, dass die Gruppe Ende 1991<br />

auch intern zerstritten war, da der äußere Druck<br />

durch die Rechtsradikalen stark nachgelassen<br />

hatte – sie stellten keine rechte Bedrohung mehr<br />

für die Bewohner dar. Somit kristallisierten sich<br />

unterschiedliche Interessen heraus – auf aufgrund<br />

der anfangs bereits erwähnten Durchmischung<br />

der Gruppe. Stark war das Interesse an<br />

eigenen Räumlichkeiten zur Organisation von<br />

größeren Konzerten.<br />

Daher entschieden sich die Insassen der Wachsmannstraße<br />

der Polizei zuvor zu kommen, – das<br />

Haus am Freitag, 08. November 1991 nachmittags<br />

zu verlassen –, und stattdessen in das<br />

alte Fischwerk, Brüggstraße 1, zu ziehen. Dort<br />

erhofften sich die jungen Besetzer eine längere<br />

Phase der Ruhe bis die Polizei herausfinden<br />

würde, wo sie abgeblieben seien. Außerdem<br />

bot das Fischwerk genug Raum zur Verwirklichung<br />

der eigenen Ideen.<br />

Das Vorhaben schlug aber fehl – Rechtsradikale<br />

hatten bereits an jenem Abend von dem Umzug<br />

erfahren, da sie in der Wachsmannstraße niemanden<br />

mehr angefunden hatten. Die ersten<br />

Steine flogen laut J. zwischen 22.00 und 22.30<br />

Uhr, später Molotow-Cocktails, Brandsätze<br />

und Leuchtgeschosse. Es kam zu einer größeren<br />

Straßenschlacht Ecke Rossmühlenstrasse/<br />

Brüggstraße bis 0.30 Uhr, in Folge dessen 26<br />

Jugendliche von der Polizei für 6 Stunden in<br />

Gewahrsam genommen wurden und das Haus<br />

mit Schlössern verbarrikadiert wurde.<br />

Die Gruppe der Besetzer war danach wieder<br />

’obdachlos’ und suchte weiterhin nach geeigneten<br />

Objekten, um dem „.. Traum, eigene Konzerte<br />

zu organisieren, einen Schritt näher ...“ zu<br />

kommen.<br />

Einen Monat später – am 11. Dezember 1991<br />

– brannten die Gebäude 3-6 in der Pfarrer-<br />

Wachsmann-Straße. Im Juli 1994 wurden sämtliche<br />

leeren Gebäude in der Wachsmannstraße<br />

abgerissen. Seitdem liegt die Fläche brach.<br />

das AJZ am KM-Platz<br />

Im Sommer 1991 wurde das ehemalige Kinderheim<br />

Herta Geffke am Karl-Marx-Platz 19 durch<br />

das Jugendamt an motivierte Leute aus Greifswald<br />

’vergeben’ bzw. die Besetzung durch das<br />

Amt geduldet, da die Eigentumsverhältnisse bei<br />

dem Gebäude nicht geklärt waren. Laut Jeutner<br />

hatten „Kommun<strong>als</strong>tellen wie Jugendamt, Sozialamt<br />

und Wohnungsbehörde hier ein soziales<br />

Wohnprojekt gefördert ....“. Allerdings wurde<br />

der Gruppe das Haus nur mit der Anmerkung<br />

gegeben,<br />

„... dass das Haus einen Alteigentümer hat, und<br />

dass es dort gerade eine Rückübereignung gibt;<br />

dass dieser Prozess noch im Gange ist und wir<br />

dann wieder raus müssen. [... Aber wir sind] <strong>als</strong><br />

die Räumung anstand bzw. <strong>als</strong> wir raus sollten,<br />

nicht raus gegangen. Dann wurde es <strong>als</strong>o besetzt.<br />

Das war 1993 oder 1994.“<br />

Bei der Gruppe handelte es sich hauptsächlich<br />

um zehn 20-25 jährige Studenten, die sich hier<br />

nach ihren Idealen einen alternativen Lebens-

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