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Titel: Subkultur und Soziale Bewegung in Greifswald<br />

22<br />

Der so genannte„Polit-Uwe“. (li.)<br />

Blick vom Hof<br />

fühlen würde. So kam die Idee, solche Sachen<br />

zu installieren oder zu praktizieren. Zum Beispiel<br />

das ökologische Wohnen. Aber es gab ja<br />

nicht nur die Kupferrohre. Es gab auch einen<br />

Haufen Baumaterial, sprich Lehmziegel, und<br />

so weiter. Für teures Geld eingekauft. Damit<br />

sollte das Dachgeschoss ausgebaut werden<br />

– ökologisch ausgebaut! Das hat sich dann<br />

langsam zu Torf gewandelt in jenem Zelt, wo<br />

es lagerte auf dem Hof und wo es reinregnete,<br />

<strong>als</strong> das Zelt dann mürbe war. Und die Steine<br />

schließlich zerfielen. So etwas meinte ich vorhin<br />

auch: die Ideen waren doch ein bisschen<br />

größer, <strong>als</strong> das eigene Können. Zwar waren alle<br />

begeistert, aber bautechnisch hatten die meisten<br />

linke Hände und haben sich auch einfach<br />

nicht getraut. Ging mir genauso. Einen Nagel<br />

in die Wand zu kriegen, das schafft man schon,<br />

aber so ein Dachgeschossausbau, das klingt<br />

jetzt ganz groß. Ich denke, das hat ein bisschen<br />

gehemmt. Wenn da jemand gewesen wäre, der<br />

gesagt hätte: wir machen das Ganze jetzt so<br />

und so ... Aber wie so oft bei einer Sache, die<br />

nur aus eigenem Antrieb funktioniert, fehlte es<br />

dann ein bisschen bei der Umsetzung.<br />

AP: Du erwähnst jetzt Figuren, die das hätten<br />

in die Hand nehmen können oder sollen. Es<br />

war ja nicht so, dass sich das um einen charismatischen<br />

Führer herum gruppiert hätte. Oder<br />

gab es Gruppenhierarchien, die erkennbar waren?<br />

Czako: Ich denke schon, dass Uwe durchaus<br />

so ein bisschen die treibende Kraft war. Aber<br />

ich denke nicht, dass er sich damit wohl gefühlt<br />

hat. Er hatte es nicht an sich gerissen und wollte<br />

da den Chef spielen, denn dann wäre wahrscheinlich<br />

noch viel mehr passiert. Aber sein<br />

Wort hatte schon Gewicht.<br />

AP: Der so genannte „Polit-Uwe“. Ist mittlerweile<br />

leider auch schon tot.<br />

Czako: Das hat mich dann schon verblüfft, weil<br />

ich Uwe eben <strong>als</strong> einen Macher kannte, <strong>als</strong> jemand,<br />

der halt irgendwie Energie hatte. Und<br />

dann brach jeder Kontakt ab. Wir haben uns<br />

dann bestimmt fünf Jahre nicht gesehen und auf<br />

einmal stand ein ganz anderer Mensch vor mir.<br />

Das hat mich nicht bloß verblüfft, da war ich<br />

wirklich erschrocken. Keine gemeinsame Ebene<br />

mehr, keine Konversation. Sehr merkwürdig,<br />

ganz anders, völlig in sich gekehrt. Und ein halbes<br />

Jahr später ist er dann gestorben.<br />

A: Um dann den Exkurs fortzusetzen. Es war ja<br />

für uns alle auch eine extreme Zeit von Selbstfindungsversuchen.<br />

Man war in einer neuen<br />

Gesellschaft, in der man die Ebenen für sich<br />

entdeckte: Verein und so weiter. Mit diesen<br />

fast surrealen Geldquellen, die sich da ergeben<br />

haben- man hätte ja denken können, das geht<br />

immer so weiter. Man kannte die Gesellschaft<br />

ja gar nicht. Und dann purzelten auch die<br />

ganzen politischen Implikationen der eigenen<br />

Lebensweise herein, die man so gar nicht gewählt<br />

hatte. Inklusive der praktizierten Ismen,<br />

die dann auch im Haus hoch gekocht wurden.<br />

Antifaschismus, Feminismus, Ökologie – das<br />

zu sehen, war ja sehr interessant. Tierbefreiungsbewegung<br />

nicht zu vergessen. Von dieser<br />

Gruppe, die zuerst einmal doch relativ homogen<br />

war, fand dann irgendwie fast jeder sein eigenes<br />

Feld. War es dabei auch so, dass es damit<br />

relativ schnell auseinander driftete, weil sehr<br />

viel auf einen geprasselt ist und nur noch die<br />

Umfriedung des Hauses das zusammengehalten<br />

hat?<br />

Czako: Es gab ja auch eine gewisse Fluktuation,<br />

wobei das Kommen dem Gehen gegenüber<br />

doch überwog. Denn es wurde dann ja doch<br />

hin und wieder der eine oder andere Wohnraum<br />

aufgetan, der vorher keiner war. Und ich<br />

denke, dass es erstmal schon interessant war,<br />

da zu wohnen. Besonders, wenn man bis dato<br />

noch bei den Eltern wohnte. Plötzlich war alles<br />

möglich, innerhalb des Hauses. Aber es wirkte<br />

für manche auch so, <strong>als</strong> ob man sich in einem<br />

bestimmten Bereich dafür dann auch engagieren<br />

müsste, obwohl man einfach nur das Wohnen<br />

dort interessant fand. Insofern hat es dann<br />

auch zu Konflikten geführt. Wo dann der ökologische<br />

Grundgedanke von einigen vertreten<br />

wurde, den die anderen halt nicht mit lebten,<br />

was natürlich bei ganz alltäglichen Abläufen für<br />

Kollisionen sorgte. Genauso wie der Putzplan,<br />

den es in einem selbst verwalteten Haus einfach<br />

nicht geben darf, denn jeder müsste das<br />

ja sehen. Immer leidige, ewige Diskussionen<br />

um die Ordnung nach eigenen und fremden<br />

Maßstäben. Und die Feminismus-Geschichte<br />

...– dazu will ich mich nicht weiter äußern.<br />

Diese Sachen wurden dann auch direkt in das<br />

Miteinanderleben getragen und das sorgte für<br />

Differenzen. Ich denke, dass auch daran diese<br />

Gemeinschaft zerbrochen ist und deswegen der<br />

eine oder andere gegangen ist oder gegangen<br />

wurde.<br />

AP: Da würde ich jetzt doch gerne kurz nachbohren.<br />

Vor allem, was die beiden auch<br />

nach außen sehr stark wirkenden Aspekte angeht,<br />

bei denen eine sehr starke politische Radikalität<br />

und Unerbittlichkeit gepflegt wurde.<br />

Zum einem der Antifa-Gedanke, wo ganz klar<br />

Reinheitsgebote gepredigt wurden und dann<br />

auch ein handfestes, entschlossenes Umgehen<br />

mit dem Gegner. Was zum Beispiel ein starker<br />

Unterschied zur Wachsmannstraße war, wo es<br />

auch diese Grenzgänger gab, sich zwar auch<br />

mit den Faschos geprügelt wurde, wahrscheinlich<br />

öfter <strong>als</strong> das AJZ, aber teilweise auch mit<br />

denen gesoffen. Wo teils aus der Grauzone<br />

Leute rüber gezogen wurden, aber auch eigene<br />

Leute aus der Grauzone ins andere Lager verloren<br />

gingen. Da hingegen war das AJZ ja eher<br />

im organisierten Netzwerk der Antifa aktiv,<br />

zumindest in der ausgereiften Phase, und dementsprechend<br />

auch ein bisschen abgeschottet.<br />

Das war ja dann keine Politik mehr in die Stadt<br />

hinein, sondern man hat mit Stoßtruppen, die<br />

aus allen möglichen Richtungen hinzukamen,<br />

Aktionen gemacht und war auch woanders an<br />

Aktionen aller Arten beteiligt. Und zum anderen<br />

diese Feminismussache, die ein bisschen<br />

unglücklich das Gesicht des Hauses wurde.

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