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Titel: Subkultur und Soziale Bewegung in Greifswald<br />

12<br />

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es mußten drei Stücke sein, bestand aus Dead<br />

Kennedys: „Nazi-Punks Fuck Off“, Screaping<br />

Foetus Off The Wheel mit einem Stück, in<br />

dem es um den zweiten Weltkrieg geht, sehr<br />

schräges, krachiges Stück, und dann die Einstürzenden<br />

Neubauten, auch mit ńer ziemlich<br />

harten Nummer. Dieses „Hirnsäge“ ist ja auch<br />

den Einstürzenden Neubauten entlehnt. Denen<br />

sind da fast die Ohren abgefallen. Und um den<br />

thematischen Rahmen zu stellen, sonst hätten<br />

wir den Schein auch gar nicht gekriegt, haben<br />

wir das Thema Antifa aufgenommen. Da waren<br />

wir uns ziemlich sicher, dass das ideologisch<br />

auch für die alten Herren ganz okay ist. Es war<br />

ja dann schon 1989, da war das ja auch schon<br />

in der Öffentlichkeit mit den aufkommenden<br />

Faschos. Wir haben uns auch noch jemand eingeladen,<br />

Steffen Schwanz, der den Part übernehmen<br />

sollte, wie so eine Art Sozialarbeiter<br />

da aufzutreten, etwas über die aufkommende<br />

Neonazibewegung zu sagen und die Punks, die<br />

sich dagegen stellen. Wenn wir das im Rahmen<br />

einer Diskothek durchgeführt hätten, hätten sie<br />

uns alle mit Eiern beworfen oder so, aber um<br />

dieses Papier zu bekommen, haben wir das halt<br />

so gemacht. Wir haben es bekommen und waren<br />

halt eingestuft.“<br />

Die Technikfrage und ein vorsintflutlicher<br />

way of dj-ing:<br />

„Plattenspieler waren nicht verfügbar. Oliver<br />

und ich, wir haben mit unserer Kassettensammlung<br />

gearbeitet. Die Platten gingen ja dam<strong>als</strong><br />

rum und wurden überspielt. Das war natürlich<br />

immer sehr aufwendig. Man mußte alles vorher<br />

hin spulen ... Peter hatte seine musikalische<br />

Sammlung größtenteils auf Band, der hatte ein<br />

altes Magnetspulenbandgerät. Wirklich museal<br />

mittlerweile. Bei den ersten drei Veranstaltungen<br />

hatten wir auch richtige Playlists. Für die<br />

erste Playlist, da haben wir wirklich Abende<br />

lang gebrütet, wie die Abfolge sein sollte. Also<br />

da war keinerlei Spontanität, das Programm<br />

wurde sozusagen abgearbeitet. Das entwickelte<br />

sich dann erst später mit der Spontanität. Bis<br />

zum Club 35 haben wir sogar noch mit Ansagen<br />

gearbeitet. Mikro in der Hand und die<br />

einzelnen Titel angesagt, mit Kommentaren<br />

versehen, kurz und knackig- und dann kam der<br />

nächste Song.“<br />

& die Szene? Lohnt das Wort?<br />

„Offensichtlich gab es eine. Aber da es keine<br />

Veranstaltungen gab und Orte, wo man sich<br />

regelmäßig getroffen hat, war es eine Szene<br />

von vereinzelten Punks und Hörern von schräger<br />

Independent-Musik, die alle irgendwo vor<br />

sich hin bröselten, dann aber, <strong>als</strong> diese erste<br />

Veranstaltung war, aus ihren Löchern gekrochen<br />

kamen, offensichtlich. Wir waren total<br />

überrascht, dass so viele Leute da auftauch-<br />

ten. Wir hatten selbst auch in keinster Weise<br />

den Überblick. Es gab eben keine Treffpunkte,<br />

keinen Park, wo Punks ständig abhingen. Jeder<br />

hat wohl, wie man es selbst auch gemacht hat,<br />

der Leidenschaft im stillen Kämmerlein gefrönt,<br />

hat vielleicht die Independent-Sendungen von<br />

DT64 gehört, Radio Luxemburg oder was auch<br />

immer. Sich vielleicht über Onkel oder Tante<br />

die Platten aus dem Westen zukommen lassen<br />

oder ist nach Budapest gefahren ... Die tauchten<br />

dann alle auf. Es tauchten aber auch Leute<br />

auf, die keine Punks waren, aber vom Äußeren<br />

her im weitesten Sinne Alternativmilieu darstellten,<br />

eher so Hippies, die das gut oder interessant<br />

fanden. Das musikalische Spektrum war ja<br />

auch immer sehr breit, angefangen vom harten<br />

Punk bis zu poppiger New Wave. Wir haben<br />

Sachen gespielt, die wir selber mochten und ich<br />

zumindest mochte ja auch Gary Numan und<br />

diese ganzen Sachen, die unter New Romantic<br />

liefen. Depeche Mode sage ich mal <strong>als</strong> Referenz,<br />

oder Yazoo. Und dann Bands wie Siouxsie<br />

& The Banshees, die Vorläufer der Gruft-Bewegung.<br />

Bis hin zu anarchischem DDR-Punk, der<br />

ja selbst in der Provinz seine Anhänger hatte.<br />

Dadurch kamen eben auch Leute, die keine<br />

Punks waren. Punks, das war eben nur ein kleiner<br />

Teil. Die Berliner Fraktion, das waren ja im<br />

weitesten Sinne auch keine Punks, die waren<br />

schon eher Kunst-Boheme, die kam, um in der<br />

Provinz ne Welle zu machen. Spätestens bei der<br />

zweiten Veranstaltung und nachher regelmässig<br />

war es auch so, dass westlich bis von Str<strong>als</strong>und<br />

die Leute kamen und dann ganz viel, weil es da<br />

ne relativ breite Szene gab, von Neubrandenburg,<br />

Neustrelitz her. Die Mecklenburgische<br />

Seenplatte und der östliche Teil des Bezirks<br />

Neubrandenburg waren sehr stark vertreten.<br />

Die kamen mit dem Zug oder es wurde, wenn<br />

sie hatten, das Auto vollgepackt, oder hierher<br />

getrampt. Ein großes Potential von Leuten, die<br />

nach Greifswald kamen, weil es spannend war,<br />

vielleicht aber auch weil, es so einen familiären<br />

Touch hatte. Man traf sich eben einmal im<br />

Monat und da war die Freude groß, die Ekstase.<br />

Wir sind dann auch oft nach Feldberg gefahren,<br />

zum Beispiel, und haben auf dem Land Party<br />

gemacht. Es gab <strong>als</strong>o keine organisierte Szene<br />

in Greifswald, aber vielleicht hat die Veranstaltung<br />

dazu beigetragen, denn Boden zu bereiten

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